Neuer Zündstoff: Für Grasser wird die Luft dünner

Die Akte KHG: Beim Projekt Terminal Tower erhärtet sich der Korruptionsverdacht. Was die Justiz gegen den Ex-Minister in der Hand hat.

Der Terminal Tower in Linz, ein Wolkenkratzer von 98,5 Metern Höhe, könnte zum Symbol für den Fall des ehemaligen Überfliegers Karl-Heinz Grasser werden: Das Bauprojekt des Konsortiums Porr, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich und Raiffeisen Leasing konnte ab dem Frühjahr 2006 nur deshalb hochgezogen werden, weil neben der Pensionsversicherungsanstalt auch das Finanzministerium die Einmietung zugesichert hatte. Der damalige Finanzminister: Karl-Heinz Grasser.

Neue Dokumente nähren den Verdacht der Günstlingswirtschaft im Dunstkreis von Grasser. Unterlagen, die dem KURIER vorliegen, dokumentieren den Letztstand der Ermittlungen, offenbaren eine neue Qualität und bringen KHG in Bedrängnis. Die Luft wird zusehends dünner.

Rückblende: Im Sommer 2004 plant Porr die Entwicklung des Terminal Towers. Im Büro von Porr-Chef Horst Pöchhacker (heute ÖBB-Aufsichtsratschef) kommt es zu einem diskreten Treffen mit Grasser-Freund Ernst Plech, zu dem auch der damalige Porr-Vorstand Martin Huber dazu gebeten wird. Dessen jüngste Aussage als Zeuge unter Wahrheitspflicht dürfte Pöchhacker Sorge bereiten: Pöchhacker habe, so Huber, damals gesagt, dass es "mit Unterstützung von Plech gute Chancen gäbe, die Konzentration der Finanzämter" im Terminal Tower zu realisieren. Pöchhacker soll laut Huber Plechs Provisionsvorstellungen erläutert haben: 700.000 Euro.

Huber schildert heute der Staatsanwaltschaft, er habe empört abgelehnt.

Die Beschuldigten

Für den Staatsanwalt ist jedoch Pöchhacker verdächtig, das Delikt der Bestechung des Finanzministers später exakt über eine solche Provision verwirklicht zu haben. Der Name des damaligen Finanzministers: Karl-Heinz Grasser. Er und Pöchhacker werden mittlerweile als Beschuldigte geführt. Beide bestreiten alle Vorwürfe und weisen die Verdächtigungen vehement zurück.

Pöchhackers Pech: Bei einer Hausdurchsuchung im Porr-Konzern wurde ein Aktenvermerk beschlagnahmt, der Hubers Zeugenaussage untermauert - auch darin ist ausgerechnet von 700.000 Euro die Rede. Auf diesen Aktenvermerk gründet die Staatsanwaltschaft ihren zentralen Korruptions-Verdacht. In dem internen Porr-Papier, das an Pöchhacker ging, werden zwei Varianten für die Vermietung der vom Finanzministerium benötigten 16.000 Quadratmeter im Linzer Tower dokumentiert.
Variante 1: 9,50 Euro Miete pro Quadratmeter. Variante 2: 9,90 Euro Miete pro Quadratmeter. Also immerhin monatlich rund 6400 Euro Differenz.

Die höhere Mietzahlung des Finanzministeriums gibt es allerdings nicht umsonst: Laut dem Aktenvermerk gibt es Variante 2, also den höheren Mietzins, nur in Verbindung mit einer "Dotierung eines einmaligen Betrages von € 700.000,-- zu Gunsten der Finanz bzw allenfalls namhaft gemachter Dritter."

Zur Verdeutlichung: Genau jene 700.000 Euro, die der Grasser-Freund Plech als Provision ins Gespräch gebracht haben soll, müssen gemäß diesem internen Dokument Porr und Co. zahlen, um den höheren Mietzins und dadurch die höhere Rendite zu erzielen. Die Staatsanwaltschaft vermutet hinter dieser Vorgehensweise eine Schmiergeldzahlung an Grasser, eine "Bestechungstat" für die "Vornahme eines pflichtwidrigen Amtsgeschäftes": Konkret den Abschluss eines überteuerten Mietvertrages. Inklusive Kündigungsverzicht.

Das Schlüsseldokument

Der Aktenvermerk ist ein Schlüsseldokument in der Akte KHG. Kein Wunder, dass die Justiz intensiv nach den 700.000 Euro fahndet und Kontoöffnungen veranlasst hat. Im Falle von 200.000 Euro glauben die Ermittler fündig geworden zu sein. Die Kriminalisten vermuten, dass 200.000 Euro (abzüglich Spesen) letztlich brüderlich geteilt auf drei im Rahmen der BUWOG-Ermittlungen entdeckten Provisionskonten in Liechtenstein gelandet sind. Ein Konto wird Grassers Trauzeugen Meischberger zugeordnet, ein anderes soll laut Justiz Grassers Freund Plech zuzurechnen sein. Beim dritten Konto hegt die Korruptionsstaatsanwaltschaft einen bösen Verdacht: Es gebe "aufgrund der bisherigen Kontoauswertungen Indizien, die auf Mag. Grasser als faktischen Kontoinhaber hinweisen."

Tatsächlich hat KHG seinerzeit persönlich in die Mietvertragsverhandlungen rund um den Terminal Tower eingegriffen - für manche durchaus überraschend, wie sich aus einer Zeugenaussage ergibt, die dem KURIER vorliegt: Ende November 2005 war jener Spitzenbeamte, der die Mietverhandlungen führte, bereits von "einem Durchbruch" ausgegangen. "Alle Beteiligten" seien "für die Unterzeichnung des Mietvertrages" gewesen.

Am 21. Dezember 2005 soll es zu einem Treffen der Finanzbeamten mit ihrem Minister Grasser gekommen sein. Die Erwartungshaltung der Ministerialräte und Sek
tionschefs: Der Minister werde nur mehr abnicken.
Dem war aber nicht so.

Der Chefverhandler des Finanzministeriums berichtet als Zeuge: "Wir wurden im Ministerbüro empfangen (. . .) und erläuterten das Projekt dem Minister. Er schaute jedem in die Augen, fragte daraufhin jeden Einzelnen, ob wir dafür sind. Jeder befürwortete dies und ich erwartete mir, dass auch der Minister dafür sein würde, zumal ich annahm, dass er im Vorfeld genau über die Sache informiert wurde und es eigentlich nur mehr Formsache sein sollte. Plötzlich sagte er aber, dass er dagegen sei und verließ den Raum, ohne dass wir eine Gegenfrage stellen hätten können. Er nannte auch keine Gründe dafür, warum er dagegen ist. Wir waren alle erstaunt. . ."

Laut diesem Zeugen stoppt Grasser also die Mietverhandlungen und lässt seine Beamten an diesem 21. Dezember 2005 verdutzt zurück. Tags darauf, am 22. Dezember 2005, entsteht im Hause Porr der genannte brisante Aktenvermerk: 9,90 Euro Quadratmetermiete bei "Dotierung eines einmaligen Betrages von € 700.000,-- zu Gunsten der Finanz bzw allenfalls namhaft gemachter Dritter."

Das Finale

Kurze Zeit später kommen die von Grasser zunächst abrupt gestoppten Verhandlungen wieder in Schwung - mit Erfolg: Am 31. März 2006 mietet das Finanzministerium rund 16.000 Quadratmeter im Terminal Tower. Für 9,90 Euro pro Quadratmeter.

Und die "700.000 Euro zugunsten der Finanz bzw allenfalls namhaft gemachter Dritter" ?
Eine Frage, die die Ermittler nach wie vor intensiv beschäftigt. Die Kriminalisten haben immerhin schon aufgedeckt, dass just am Tag vor der Vertragsunterzeichnung auf Seiten des Terminal-Tower-Vermieters eine bemerkenswerte Budgetänderung vollzogen wurde: Für Marketingzwecke planen die Terminal-Tower-Entwickler rund um Porr statt 20.000 Euro plötzlich mehr als 200.000 Euro ein. Über Nacht.
Die Staatsanwaltschaft vermutet hinter diesem Budgetposten allerdings ohnehin keine Marketingmaßnahme, sondern schlicht Bestechungsgeld. Für Grasser, Meischberger und Plech.

Für alle Genannten gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Die drei Versionen des Walter Meischberger

Erstaunlich, wie Walter Meischberger die 200.000-Euro-Zahlung in der Causa "Terminal Tower" zu erklären versucht. Grassers Trauzeuge will die Provision nicht nur alleine verdient haben, er hat den Ermittlern mittlerweile auch drei Versionen dazu aufgetischt: Erst meinte Mister "Wo-woar-mei-Leistung?", er sei für ein strategisches Konzept zu einem Autobahnbau in Osteuropa entlohnt worden. In einer Vernehmung glaubte er sich dann an einen Lobbyingauftrag der Porr für eine ungarische Autobahn zu erinnern. In einer weiteren Vernehmung präsentierte er schließlich eine recht vage Deutung - es könne sich auch "um einen bloßen Tipp" gehandelt haben.

Wie dem auch sei: Ungewöhnliche Provisionszahlungen bedürfen offenbar außerordentlicher Geldkreisläufe. Im Fall Terminal Tower fällt auf, dass die 200.000 Euro denselben Umweg nahmen wie jene Millionen, die Grassers Freunde bei der BUWOG-Privatisierung kassierten.

Zunächst ging das Geld an an die Hochegger-Firma Astropolis auf Zypern. Von dort floss es weiter zur US-Gesellschaft Omega in Delaware, die wiederum bei der Hypo Liechtenstein ein Konto hatte. Von dort wurden die Provisionen auf drei Konten verteilt, wobei die Ermittler je eines Meischberger und Plech zuordnen. Beim dritten Konto gebe es laut Staatsanwalt "Indizien, die auf Grasser als faktischen Kontoinhaber" hindeuten würden.

Anwalt weist Korruptionsvorwürfe gegen Ex-Minister zurück

Manfred Ainedter, Anwalt von Ex-Finanzminister Grasser, hat am Sonntag alle Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurückgewiesen. An dem durch Zeugenaussagen und einen Aktenvermerk erhärteten Korruptionsverdacht beim Linzer Terminal Tower sei überhaupt nichts dran, so Ainedter.

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