Jörg Haider posthum vor Gericht

Jörg Haider posthum vor Gericht
Auftakt im Korruptionsprozess um gekaufte Staatsbürgerschaften. Verantworten müssen sich Haiders Ex-Protokollchef Koloini, die beiden Nutznießer und ein Anwalt.

Zuerst wird minutenlang um die Sitzordnung gestritten. Jeder der vier Beschuldigten will unbedingt seinen Verteidiger im Rücken haben. Dabei ist die Anklagebank ohnehin nur locker besetzt. Wäre Jörg Haider nicht vor drei Jahren und zwei Tagen in den Tod gerast, hätte man für ihn im Verhandlungssaal 303 des Wiener Landesgerichts auch noch ein Platzerl finden müssen.

Der Staatsanwalt hätte den einstigen Kärntner Landeshauptmann wegen Geschenkannahme durch Beamte angeklagt. Haider intervenierte bei der damaligen schwarz-blauen/orangen Bundesregierung 2007 für zwei russische Geschäftsleute und sorgte dafür, dass sie "entgeltlich die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen bekamen" (Anklageschrift).

Landläufig gesagt: Er hat sie ihnen für rund zwei Millionen Euro verkauft. Mit einem Teil davon leistete sich Haider einen eigenen Kärntner Rennfahrer, Patrick Friesacher, der das Steuer in der Formel 1 aber bald aus der Hand gab. Und einen anderen Teil des Geldes bekam der Kämpfer für die "Anständigen und Fleißigen im Land" bar auf die Hand.

Haider kann höchstens noch posthum moralisch zur Verantwortung gezogen werden. Dem Gericht stellen müssen sich seit Mittwoch die beiden gebürtigen Russen sowie ein Wiener Anwalt wegen Bestechung bzw. Beteiligung daran. Und Haiders (wegen Drohung und Körperverletzung vorbestrafter) ehemaliger Protokollchef Franz Koloini, wegen Geldwäsche, weil er die Schmiergeldzahlung verschleiert haben soll. Es dauerte keine halbe Stunde im für drei Tage angesetzten Korruptionsprozess, da putzte sich dieser schon an seinem verstorbenen Chef ab. Koloini sitze "stellvertretend" für Haider auf der Anklagebank, sagte Verteidiger Gerhard Lesjak, denn er habe nur dessen Dienstanweisungen befolgt.

Wer sind nun diese beiden Männer, denen in der letzten Ministerratssitzung der von Wolfgang Schüssel geführten Bundesregierung am 11. Jänner 2007 unbedingt die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden musste? Oder anders gefragt: Wer hatte davon etwas?

Gut singen

Laut Verteidiger Herbert Eichenseder bekommt sie, wer schon lange hier lebt "und nicht falsch geparkt hat" oder "wenn du weit springst und (in Anspielung auf Anna Netrebko, Anm.) singen kannst." Sein Kollege Manfred Ainedter bedauert: "Leider können die nicht gut singen." Doch hätten die beiden seit 2000 in Österreich lebenden gebürtigen Russen (die noch immer kein Wort Deutsch sprechen) viel Geld hier investiert, und das zähle genau so.
Sie haben dank Staatsbürgerschaft hier auch viel Geld verdient (mit Kraftwerksbauten).

Während Österreichs Wirtschaft Stagnation vorausgesagt wird, hat sich das Jahreseinkommen des Angeklagten Alexey B. (der über die Geburtsdaten seiner Kinder erst nachdenken muss) von satten fünf Millionen Euro netto auf 11 Millionen gesteigert. Artem B. nennt Immobilien und Fahrzeuge im Wert von 30 Millionen Euro sein Eigen. Beide haben Jus studiert, sind ihren Angaben nach bedacht, die österreichischen Gesetze einzuhalten und bekennen sich selbstverständlich ebenso wenig schuldig wie Koloini und der Anwalt.

Niemand habe ihnen etwas versprochen, sie hätten mit keinem über die Staatsbürgerschaft verhandelt, die ihnen gar nicht so wichtig gewesen sei. Wegen ihrer "sozialen Ader" hätten sie Sponsoring betrieben, das Geld sei ihnen "egal" gewesen, sie hätten es auch "Kunstpfeifern" zukommen lassen, gaben es aber dem Land Kärnten. Seltsam nur, dass Koloini diese angeblich ganz offene Zahlung über ein - ohne dessen Wissen - auf Patrick Friesacher lautendes Konto über mehrere Sparbücher streute. 2000 Euro behielt Koloini für sich.
Alles super sauber?

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