"Zynismus auf Rücken Not leidender Menschen"

Flüchtlingslager im Libanon, ein Land mit einer Million syrischer Flüchtlinge.
Amnesty-Chef Patzelt kritisiert den Umgang von Länderchefs mit Asylwerbern scharf.

Syrien befindet sich im vierten Kriegsjahr. Und die Zahlen sprechen für sich. Drei Millionen Syrer sind bereits in die umliegenden Staaten des Bürgerkriegslandes (Jordanien, Libanon, Türkei, Ägypten) geflüchtet. Lediglich 125.000 Syrer schafften es über die verschiedensten Wege nach Europa. Davon beantragten im ersten Halbjahr exakt 2169 Menschen Asyl in Österreich – das waren um 178 mehr als im gesamten Jahr 2013.

Obwohl der Andrang nach bisherigen Maßstäben bewältigbar scheint, reagiert die Politik hochnervös, denn das Syrien-Problem wird "sicher morgen noch nicht gelöst sein", heißt es beim UN-Flüchtlingshochkommissariat. Im Innenministerium teilt man diese Sorge. "Syrien ist derzeit das Hauptproblem. Wir haben keine Anhaltspunkte, dass sich das bald beruhigen wird. Dazu kommen andere Krisenherde. Der Bedarf an Flüchtlingsquartieren wird also nicht sinken, ganz im Gegenteil", sagt ein Sprecher.

"Zynismus auf Rücken Not leidender Menschen"
Die Statistik zeigt: Kamen im Vorjahr elf Prozent aller Asylwerber aus Syrien, sind es mittlerweile bereits 25 Prozent. Oder anders formuliert: Gäbe es den jetzigen Zustrom an Syrien-Flüchtlingen nicht, würden die Asyl-Antragszahlen in Österreich kräftig sinken.

Experten wie Amnesty-Chef Heinz Patzelt kritisieren daher die Panikmache und den Vogel-Strauß-Zugang der heimischen Politik. Der niederösterreichische ÖVP-Landeshauptmann verhänge einen Aufnahmestopp in Traiskirchen, obwohl das Land ohne dem übervollen Erstaufnahmezentrum nur 60 Prozent seiner Quote bei den Flüchtlings-Unterkünften erfüllen würde, also eigentlich mit Abstand Schlusslicht aller Bundesländer sei. Erwin Pröll schreie also "Skandal in Traiskirchen, geht das eigentliche Problem in seinem Bundesland aber nicht an", sagt Patzelt. Detto versuche seitens der SPÖ ein Linzer Bürgermeister alles, um die Kaserne Ebelsberg nicht für Flüchtlinge öffnen zu müssen, beziehungsweise kaufe ein burgenländischer Landeshauptmann die Kaserne Oberwart, um in seinem Land ja keine neuen Asylwerber aufnehmen zu müssen.

Patzelts Resümee: "Wir erleben hier blanken Zynismus und Zahlenspielereien auf dem Rücken wirklich Not leidender Menschen."

Die aktuelle Debatte macht es möglich: Plötzlich hat das Burgenland Geld zum Kauf der Sporck-Kaserne in Oberwart. Damit soll eine etwaige Nutzung als Asylquartier verhindert werden, hatte Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) am Dienstag aufhorchen lassen und dafür auch die Zustimmung seines VP-Vize Franz Steindl gefunden.

Am Donnerstag hat die Landesregierung per Umlaufbeschluss bereits ein "rechtsgültiges Ankaufsanbot" für den Standort gelegt.

Wie viel Geld das Land in die Hand nehmen wird, steht aber noch nicht fest. Am Kauf der Oberwarter Kaserne, für die der Mindestkaufpreis 910.000 Euro beträgt, sollen die Oberwarter Siedlungsgenossenschaft mit 50 Prozent, Stadt und Land beteiligt sein. Steindl hat der Stadt bereits 100.000 Euro aus Bedarfszuweisungen zugesagt. Für die Turba-Kaserne in Pinkafeld habe ein Wirtschaftskonsortium bereits ein verbindliches Kaufanbot gelegt. Auch in diesem Fall will sich das Land Burgenland beteiligen.

Nach dem Tod eines afrikanischen Asylwerbers im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hat Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) harte Kritik am Innenministerium geübt.

"Es ist skandalös, dass ich nicht über den Fall informiert wurde", sagte Babler.

"Es ist wieder zum Ausdruck gekommen, wie schlecht das System funktioniert. Man hat wertvolle Zeit verstreichen lassen. Da sieht man, wie unprofessionell und unverantwortlich der Umgang des Innenministeriums ist", so der Traiskirchner Stadtchef.

Am Donnerstag mussten alle rund 1400 Bewohner sowie die 200 Beschäftigten des Lagers vorsorglich mit Antibiotika behandelt werden, weil ein 24-jähriger Somalier gestorben war. Der Asylwerber hatte sich eine bakterielle Gehirnhautentzündung zugezogen.

Laut Bezirkshauptmann Heinz Zimper sollte die Ausgabe der Medikamente bis Samstag abgeschlossen sein. Die Asylwerber hätten erst danach wieder Ausgang aus der Betreuungsstelle.

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