Zentralmatura: Heinisch-Hosek in ärgstem Prüfungsstress

Bildungsministerin Heinisch-Hosek sorgt sich vor der erstmals bundesweit abgehaltenen Zentralmatura.
Die Einheitsreifeprüfung ist großes Thema. Woran kann sie scheitern? Scheitert auch die Ministerin?

Es ist ein fundamentaler Umbruch für die Bildungslandschaft, was die Politik heuer erstmals bundesweit verordnet hat: Die Reifeprüfung für AHS-Maturanten wird nicht mehr von den Klassenlehrern erdacht und abgehalten. Stattdessen wird ein standardisierter Test pro Unterrichtsfach allen Maturanten österreichweit vorgelegt.

26.500 Prüfungen werden ab dem 5. Mai 2015 in den einzelnen Gegenständen nach dem Modell der neuen Reifeprüfung abgelegt. Doch die Vorzeichen für die Zentralmatura sind alles andere als gut: Die Schüler fürchten sich zu Recht davor, als erste Laborratten herhalten zu müssen. Die Lehrer haben einen Horror davor, ihre Schüler nur ungenügend für die Zentralmatura vorbereitet zu haben (bei einer Mathe-Schularbeit, die kürzlich als Test-Matura abgehalten wurde, gab es 30 Prozent "Nicht genügend"). Und vor allem Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek ist quasi im Prüfungsstress. Sie gibt es zwar nicht zu, weiß aber, dass sie für einen etwaigen Flop bei der neuen Matura geradestehen müsste.

Was kann alles schiefgehen?

Zuständigkeit

Grundsätzlich macht das Bundesinstitut Bifie die Abwicklung, doch Lehrer suchen jetzt schon nach kompetenten Ansprechpartnern bei Unklarheiten, klagen Lehrer.

Durchsickern der Tests

Was, wenn vor den schriftlichen Prüfungsterminen die Testangaben auftauchen? Bei der Zentralmatura in Frankreich ist das vorgekommen.

Unterlagen Im Haupttermin 2014 umfasste die Aufgabenstellung im A4-Format für Deutsch 18 Seiten, die für Mathematik 40 Seiten, die für Englisch 32 Seiten etc., pro Schule also mehr als 10.000 Seiten. Wer will da garantieren, dass für jeden Schüler alle Unterlagen vollständig sind? Bei der Probematura 2014 fehlten Unterlagen.

Horrorfach Mathe

40 Seiten Matheangaben – Lehrer und Schüler fürchten sich vor diesem Fach. Der Testlauf vor wenigen Wochen gibt ihnen recht: 30 Prozent sind dabei durchgefallen.

Fremdsprache

Abgeprüft wird auch, ob Schüler einen gehörten englischen Text verstehen. Allerdings sind die Aufzeichnungen absichtlich in lauter Umgebung gemacht worden (=realitätsnah), auf Hochsprache wird verzichtet. Dazu kommt, dass die Abspielgeräte an den Schulen teils schlecht sind.

Ablaufchaos

Kurze Zeit vor Beginn der Zentralmatura ist teilweise noch nicht klar, welche Kompetenzen tatsächlich abgefragt werden müssen, erzählt ein Direktor.

Notengebung

50, 55 oder doch 60 Prozent für ein "Genügend"? Der Notenschlüssel ist willkürlich, auch wenn das Gesetz (bisher) sagt: mehrheitlich positiv muss die Arbeit sein – und das heißt: mehr als 50 Prozent.

Gesamtergebnis

Wenn zu viele Arbeiten negativ sind, wer hat schuld? Was, wenn es fast keine negativen Arbeiten gibt? Und werden die Ergebnisse für Bundesländer/Bezirke/einzelne Schulen an die Öffentlichkeit gelangen? Hat die Öffentlichkeit dann ein Recht, zu erfahren, welche die beste und welche die schlechteste Schule war?

Alles in allem zu viele Unbekannte. Ministerin Heinisch schloss einen Rücktritt aus, sollte die Zentralmatura voller Pannen ablaufen. Klar ist aber auch, dass sie im Falle eines Fiaskos zumindest enorm unter Druck gerät.

Scheitert das bundespolitische Projekt "Zentralmatura" tatsächlich, könnte es rasch zu einer grundlegenden Neuaufteilung der Schulkompetenzen zwischen Bund und Ländern kommen. Denn immer öfter wird das Begehren aus den Landeshauptstädten ventiliert, dem Bund die Kompetenzen über die Bundeslehrer (AHS- und BMHS-Lehrer) und die Schulverwaltung abzunehmen.

Die Stoßrichtung ist klar: Die Länder wüssten weit besser als der Bund im fernen Wiener Unterrichtsministerium, wie das Geld vor Ort eingesetzt werden sollte. Der Bund solle nur die Richtung vorgeben – und maximal Oberaufsicht spielen.

Der Bund hält bisher dagegen, Österreich könne im sensiblen Schulbereich keine Spielwiese der Landeshauptleute werden, neun unterschiedliche Gesetzgebungen wären kontraproduktiv. Doch der Widerstand scheint schwächer zu werden.

Der neue Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Niederösterreichs Erwin Pröll, hat die Bildungsreform auf die Agenda der Landeschefs gesetzt. Zudem ist für Mitte Jänner ein weiterer Bildungsgipfel geplant, teilnehmen werden die Referenten der Länder und Bildungsministerin Heinisch-Hosek.

Reformkommission

Auch die Koalition will über Reformen sprechen. Die Bildungsreformkommission der Regierung wird noch im Jänner zusammentreffen. Mit dabei sind auf Seiten der Regierung Heinisch-Hosek, Harald Mahrer, Josef Ostermayer und Johanna Mikl-Leitner. Für die Länder verhandeln Burgenlands Hans Niessl und Kärntens Peter Kaiser sowie Pröll und der Salzburger Wilfried Haslauer.

Die Opposition warnt jedenfalls vor einer "Verländerung" des Schulsystems. Der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser, fürchtet, dass an den Gerüchten etwas dran ist: "Ich sehe die Gefahr einer Provinzialisierung des Schulwesens."

Der Männeranteil unter angehenden Pflichtschullehrern in Österreich ist weiter konstant gering, zeigt die aktuelle Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Die Zahl der Studenten an Pädagogischen Hochschulen (PH) hat sich zwar von 2008/09 bis 2013/14 fast verdoppelt, allerdings ist weiterhin nur rund jeder fünfte Studierende männlich.

Konkret ist der Männeranteil an den PH, wo Lehrer v.a. für Volks-, Haupt- und Neue Mittelschule, Sonder-, Berufs- und Polytechnische Schulen ausgebildet werden, in diesem Zeitraum nur minimal von 20,6 auf 22,5 Prozent gestiegen. Am geringsten ist der Anteil an Männern, die eine Ausbildung zum Volksschullehrer anfangen (08/09: 7,6 Prozent; 13/14: 9,5), am größten ist er an den Berufsschulen (62,8 bzw. 63) mit ihrer allerdings deutlich geringeren Zahl an Lehrern.

Ebenfalls kaum verändert hat sich zwischen 2008/09 und 2013/14 (vorläufige Daten) der Männeranteil an den Bildungsanstalten für Kindergarten- bzw. Sozialpädagogik (BAKIP bzw. BASOP): Er ist an den Ausbildungsstätten für die Arbeit in Kindergärten bzw. Horten, Wohngemeinschaften und Jugendzentren von 4,8 auf 5,8 Prozent nur geringfügig gestiegen.

Heinisch-Hosek verweist in der Beantwortung der Anfrage des Team Stronach auf mehrere Maßnahmen ihres Ressorts zur Erhöhung des Männeranteils: So seien die PH dazu angehalten, sich verstärkt mit Gründen und Auswirkungen des geringen Männeranteils im Lehrberuf auseinanderzusetzen. Ab 2015 soll daher an der PH Salzburg auch die erste Professur für Geschlechterpädagogik eingerichtet werden. "Wesentliche Anreize" für mehr Männer in den einschlägigen Lehrberufen sollen außerdem neues Lehrerdienstrecht und neue Lehrerausbildung setzen, da durch diese die (finanzielle) Ungleichbehandlung von Pflichtschulen und AHS bzw. berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) wegfällt.

An BAKIP bzw. BASOP wird unterdessen auf gezieltes Ansprechen von Burschen an den Schulen bzw. auf Bildungsmessen gesetzt.

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