Sind die Deutschen schuld? Oder wir selbst?

Sind die Deutschen schuld? Oder wir selbst?
Wirtschaftsdaten: Linke Ökonomen sehen uns als Opfer deutscher Sparpolitik, liberale orten Eigenfehler.

Bei der Arbeitslosigkeit sinkt Österreich vom besten auf den fünftbesten Platz; beim Wirtschaftswachstum auf den sechst-schlechtesten von 28 EU-Ländern. Das Expertenhearing am Donnerstag im Parlament galt eigentlich dem Finanzrahmen – geriet aber zu einer spannenden Debatte über die Ursachen für Österreichs Abstieg bei zentralen Wirtschaftsdaten.

Markus Marterbauer, früher Konjunkturforscher beim WIFO, jetzt Arbeiterkammer, bekennender Keynesianer, gibt allen die Schuld, nur nicht der Bundesregierung. Medien und nörgelnde Politiker würden "Schwarzmalerei" betreiben, was die Investitionslaune der Unternehmen dämpfe.

Die Zuwanderung, vor allem aus Deutschland, sei an der hohen Arbeitslosigkeit schuld. "In Deutschland steigen jetzt die Löhne endlich, das könnte den Zustrom bremsen", sagt Marterbauer.

Der Ökonom macht Deutschland gleich ein zweites Mal haftbar für Österreichs Probleme: Die Sparpolitik habe die Krise in Europa verschärft, wodurch das Exportland Österreich weniger absetzen könne.

Schuld an Österreichs hohen Staatsschulden seien "die Banken", nicht die Staatsausgaben. Er sei gegen eine Senkung der Abgabenquote. Marterbauers Rezept: Arbeitszeit verkürzen und in den Sozialstaat investieren.

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"Ich halte es geradezu für verantwortungslos, nicht über Probleme zu reden", entgegnet Professor Gottfried Haber, von der ÖVP für das Parlamentshearing nominierter Experte. Der Budgetpfad beruhe auf niedrigen Zinsen, verursacht durch die Geldschwemme der EZB, sowie auf dem niedrigen Ölpreis. Beides werde irgendwann zu Ende sein, und dann, so Haber, "wird das Problem mit der Budgetkonsolidierung drängender". An Marterbauer gewandt sagt Haber: "Auch ich habe meinen Keynes gelesen. Und dort steht, dass man nach einer Krise die Schulden wieder zurückführen muss, auch um wieder Spielraum zu bekommen für die nächste Krise." In der "neueren Literatur", so Haber mit einem Seitenhieb, würden Ökonomen zunehmend nicht-keynesianistische Effekte auf die Konjunktur erforschen. Haber: "Man kann sehr wohl mit Konsolidierung die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes steigern. Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen und reduzieren das Vertrauen." Deutschland habe all die vergangenen Jahre von dem strengen Programm profitiert, das dem Land von SPD-Kanzler Gerhard Schröder einst verordnet worden war. Als Österreichs "größte Problemzonen" nennt Haber "Pensionen, Verwaltung, Gesundheit und die immer noch zu hohe Steuer- und Abgabenquote".

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Der beste Fragesteller aus dem Kreis der Abgeordneten ist Josef Schellhorn (Neos). Der Liberale zielt nicht darauf ab, seine eigene Meinung von den Experten bestätigt zu bekommen, sondern erfragt wissbegierig deren Ansichten und Erklärmodelle.

"Desaster" und "Albtraum" – Frankreichs Arbeitsrecht ist aus Sicht österreichischer Investoren schwer reformbedürftig. Kündigungen seien fast unmöglich, kritisiert Kari Kapsch, Vorstand der Kapsch AG: "Da sind wir in Österreich ein Schlaraffenland." In Frankreich gelten strenge soziale Kriterien: "Sie müssen junge Unverheiratete kündigen, die alten Verheirateten bleiben ihnen. So schafft man keine vernünftige Personalstruktur."

Der strenge Schutz habe aber auch für Arbeitnehmer "perverse Effekte", sagt Ernst Lemberger, der mit der Montana Holding eine "kleine Aerospace-Gruppe" aufgebaut hat: 9 von 10 neuen Arbeitsverträgen seien befristet.

Generell sei die Grande Nation aber besser als ihr unternehmensfeindlicher Ruf, war der Tenor bei der Veranstaltung der französischen Botschaft mit der Wirtschaftskammer Österreich. Streiks und Fabrikbesetzungen: Ja, das komme vor. "Trotzdem sind meine französischen Unternehmen die mit Abstand profitabelsten", so Lemberger. Die 35-Stunden-Woche existiere nur auf dem Papier. "Stimmt: Vor 9 Uhr ist selten wer da. Dafür treffen Sie die Mitarbeiter auch am Freitag noch um 18 Uhr. Versuchen Sie das in Österreich", so Kapsch.

Der Botschafter in Wien, Pascal Teixeira da Silva, betonte den Pariser Reformwillen. So werde etwa die Körperschaftssteuer bis 2020 von 33,25 auf 28 Prozent sinken. Die Verkehrsinfrastruktur, üppige Forschungsförderungen, gute Ingenieure – all das spricht laut Investoren für das Land. Und die Weltoffenheit. Kapsch: "Mit Franzosen in Indien zu arbeiten hat eine andere Qualität. Österreicher tun oft, als wäre Budapest eine Weltreise."

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