Wirtschaft will zweite Steuer-Etappe für sich

Wirtschaft will zweite Steuer-Etappe für sich
Der Aufstand der Unternehmer gegen die Steuerreform geht weiter, der Frust ist groß.

Es ist ein Drama. Unternehmer werden bei uns als eine Kreuzung zwischen Prügelknabe und Melkkuh gesehen. In den letzten 20 Jahren habe ich noch nie so eine schlechte Stimmung in der Wirtschaft erlebt", sagt Günter Stummvoll zur soeben erst präsentierten Milliarden-Entlastung.

Der frühere ÖVP-Finanzsprecher spricht heute für eine breite Mittelstandsinitiative und ist wie viele Wirtschaftsvertreter maßlos enttäuscht: "Ich sehe vor allem das psychologische Problem. Diese Steuerreform schafft kein Wachstum, es geht kein Ruck durchs Land."

Wirtschaft will zweite Steuer-Etappe für sich
Interview mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl am 6.10.2014 in Wien
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und Industrie-Präsident Georg Kapsch teilen diesen Befund dem Grunde nach und stellen die klare Forderung auf: Die nächste Etappe muss der Wirtschaft zugute kommen, nur so könnten Wachstum und Beschäftigung gesichert werden. Tenor: Die jetzt beschlossene Kaufkraftstärkung ab 2016 sei zwar zu begrüßen, aber die Konjunktur-Effekte würden maßlos überschätzt.

Christoph Leitl sagte am Sonntag zum KURIER: "In Deutschland sinkt die Arbeitslosigkeit, bei uns steigt sie. Das sagt eigentlich alles. Wir müssen endlich die Bürokratie- und Pensionsreform angehen und das Wachstum stärken. Das wird der eigentliche Prüfstein dieser Regierung."

Und Industriepräsident Georg Kapsch ergänzt im Gespräch mit dem KURIER: "Wir wollen ja nicht weggehen, wir wollen ja da bleiben. Aber dazu braucht es eine Entlastung bei den Lohnnebenkosten, eine Entbürokratisierung und insgesamt eine Verbesserung der Rahmenbedingungen."

Die Steuerreform wäre nach Ansicht von Kapsch der "ideale Zeitpunkt gewesen, die großen Strukturreformen anzugehen". Aber: "Von denen ist weit und breit nichts zu sehen."

Teure Arbeit

Wirtschaft will zweite Steuer-Etappe für sich
Georg Kapsch, Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung, im Interview am 04.03.2014 in Wien
Ein zentraler Punkt, der der Wirtschaft neben den diversen Steuererhöhungen, der leidigen Registrierkassenpflicht, dem Entfall des Bankgeheimnisses und anderem besonders im Magen liegt, sind die Lohnnebenkosten.

Versprochen war hier eine Reduktion um 800 Millionen Euro, gekommen ist das Gegenteil: eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage.

Daher fordert die Industrie nun eine kräftige Beitragssenkung zum Familienlastenausgleichsfonds und zur Unfallversicherung von in Summe mehr als zwei Milliarden Euro. Für 2018 gebe es diesbezüglich auch eine vage Absichtserklärung der Regierung, "aber das darf man gar nicht laut sagen, das glaubt uns niemand", meint ein Wirtschaftsvertreter hinter vorgehaltener Hand.

Sehr erfreut zeigt sich Leitl jedoch über erste Zugeständnisse der Regierung, etwa über Ausnahmen von der künftig höheren Grunderwerbssteuer. Leitl: "Wir verlangen ja nicht mehr und nicht weniger als einen Ausgleich für den Mittelstand. Denn was bei dieser Steuersenkung in Wahrheit geschieht, ist, dass wir zusätzlich zwei bis drei Lohnrunden in die Kaufkraft hineininvestieren."

Um die Steuerreform im Ausmaß von fünf Milliarden Euro finanzieren zu können, werden auch Steuern erhöht, etwa die Grunderwerbsteuer. Damit aber Betriebsübergaben nicht teurer werden, soll es hier Ausnahmen geben und die Pläne abgeändert werden, kündigte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Sonntag in der ORF-Pressestunde an. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) ergänzte, es werde bei den "großen Linien" zwar nichts geändert, bei "Härtefällen" und "Details" aber schon.

Die Grunderwerbsteuer wird ja gestaffelt erhöht und die Bemessungsgrundlage vom (dreifachen) Einheits- auf den Verkehrswert umgestellt: Bekommt man ein Grundstück und/oder ein Haus geschenkt oder vererbt, das unter 250.000 Euro wert ist, zahlt man in Zukunft 0,5 Prozent Grunderwerbsteuer; bis 400.000 Euro sind es 2 Prozent, darüber 3,5 Prozent. Für die Landwirtschaft gibt es eine eigene Regelung, diese wird nicht verändert.

Wer einen Betrieb übertragen bekommt, zahlt bis zu einem Wert von 365.000 Euro keine Steuer, dieser Freibetrag wird auf 900.000 Euro erhöht. Bemessen wird die Steuer aber künftig nach dem Verkehrswert. Für den Anteil zwischen 900.000 und 1,1 Millionen Euro ist laut Finanzministerium eine Steuer von 0,5 Prozent vorgesehen, für den Anteil bis 1,3 Millionen Euro sind es 2 Prozent, darüber 3,5.

Mitterlehner sagte, die höhere Steuer würde etwa die Übergabe eines Tourismusbetriebes (z. B. Hotel im Wert von 15 Millionen Euro) stark verteuern. Das sei nicht beabsichtigt gewesen: "Wir werden Übergaben nicht gegenüber dem Ist-Zustand benachteiligen." Es werde eine Deckelung geben, zudem seien etwaige Schulden abzuziehen, bevor die Steuer berechnet wird.

Wermutstropfen

Zur generellen Kritik der Wirtschaft am Steuerpaket sagte Mitterlehner, man habe eine Vermögenssteuer und eine Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie eine höhere Belastung von Stiftungen abgewendet. "Wenn ich das verhindern möchte, muss ich einige Wermutstropfen zur Kenntnis nehmen."

Die Mehrwertsteuer-Erhöhungen (von 10 auf 13 Prozent für gewisse Produkte und Dienstleistungen) bezeichnete er "als unangenehm, aber machbar".

Sowohl der Kanzler als auch der Vizekanzler betonten erneut, dass die Steuerreform nicht das Ende sei, sondern der Beginn für weitere Reformen. Als Nächstes wollen die beiden Koalitionäre – wie im Sonntag-KURIER angekündigt – den Bildungsbereich angehen. Aber auch die Pensionen und die Verwaltung stehen auf der rot-schwarzen Agenda.

Finanzminister Hans Jörg Schelling will mit der Opposition verhandeln. Es geht um die Maßnahmen im Zuge der Steuerreform, die Verfassungsänderungen benötigen - etwa die Lockerung des Bankgeheimnisses oder der geplante KESt-Split. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig, SPÖ und ÖVP brauchen also die Zustimmung der Grünen oder der FPÖ.

Im Ö1-Morgenjournal kündigte Schelling nun Verhandlungen an: "Wir werden ein Paket mit den jeweiligen Oppositionsparteien verhandeln, um hier zu einer Lösung zu kommen." FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache etwa verlangt tiefe Einschnitte in der Verwaltung und eine Senkung der Lohnnebenkosten für den Dienstgeberbereich bei kleinen und mittleren Unternehmen. Eva Glawischnig von den Grünen hat sich für Ökosteuern ausgesprochen. Zudem vermisst sie echte Millionärssteuern.

"Selbstverständlich verstehe ich, dass sich alle mehr wünschen", sagte Schelling angesichts der Reaktionen. Ziel der Steuerreform sei eine Entlastung, um die Steuer- und Abgabenquote zu senken. "Wir werden das auch erreichen, aber es kann nur ein erster Schritt sein", betonte der Finanzminister.

Kommentare