Wiesenthal: Nachlass eines Außergewöhnlichen
Manhattan, 42. Straße, ein paar Hundert Meter vom Broadway, am Freitagabend. Ein Theaterstück über das Leben von Simon Wiesenthal hat New-York-Premiere.
Das Stück spielt in Wiesenthals Wiener Dokumentationszentrum, am letzten Tag, bevor er seine Arbeit als Nazi-Jäger beendet. Er empfängt eine letzte Gruppe amerikanischer Studenten und lässt im Gespräch mit ihnen sein Leben Revue passieren.
"Ein gewöhnlicher Mann, der Außergewöhnliches getan hat" – so beschreibt Tom Dugan, der Autor und Hauptdarsteller des Stücks, Simon Wiesenthal.
Dieser Wechsel zwischen Alltagsszenen und Erinnerungen an menschliche Abgründe macht das Stück ergreifend. Das Publikum wird hin- und hergerissen zwischen Spannung und erleichtertem Aufatmen. Man ahnt, wie Holocaust-Überlebende es schafften, mit dem Grauen im Gedächtnis ins Leben zurück zu finden. "Wenn Sie Tränen haben wollen, schauen Sie sich eine Soap Opera an. Ich will hier keine Tränen produzieren, sondern Wissen", lässt Tom Dugan Simon Wiesenthal sagen.
"Man kann nur hoffen, dass das Stück auch nach Österreich kommt", sagt Professor Anton Pelinka, Österreichs renommiertester Politologe und US-Kenner.
Zumindest bei jenen, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigen. Und diese Zahl werde wohl zunehmen, meint Pelinka. "Der Abstand von der Generation der Täter-Opfer hat das Interesse an diesem Verbrechen gegen die Menschheit bisher gesteigert."
Pelinka verweist auch auf die zweite, wichtige Bedeutung Wiesenthals in den USA: "Sein Kernsatz ,Recht, nicht Rache‘ ist die Grundlage für viele Aufklärungsaktivitäten. Im Museum of Tolerance in Los Angeles, das sich explizit auf Simon Wiesenthal beruft, ist es gelungen, nicht ,nur‘ ein Holocaust-Museum zu hinzustellen, sondern eine umfassende Vernetzung in pädagogische Aktivitäten zu erreichen, einschließlich die Mitwirkung bei Sensibilisierungsprogrammen der Polizei."
Das erwähnte Museum of Tolerance in Los Angeles hat eine Zweigstelle in New York. Sie liegt im pulsierenden Herzen Manhattans, nur wenige Meter von Times Square und Central Station entfernt. Mit auffälligen Postern spricht es die Passanten direkt an und lädt sie zum Vorbeischauen ein: "Sind Sie vorurteilsbehaftet?" "Lernen Sie mehr über die Macht von Worten und Bildern, über den Holocaust und Genozide unserer Zeit, über globale Menschenrechte, Toleranz und Prävention gegen Vorurteile." Mit Programmen wie diesen hat sich die Holocaust-Forschungsstätte in die Gegenwart gebeamt. Reden von Adolf Hitler, Josef Stalin, John F. Kennedy, Martin Luther King, Osama Bin Laden und Barack Obama werden auf ihre Hass- und Versöhnungsbotschaften analysiert. Jugendliche werden derart näher an die Vergangenheit herangeführt. Deren Lehren aus der Geschichte werden für die Gegenwart begreifbar gemacht. Im Foyer des Museums prangt in großen Lettern: "Freiheit ist kein Geschenk des Himmels, wir müssen jeden Tag für sie kämpfen. Simon Wiesenthal"
Gleich daneben steht ein Zitat von Abraham Lincoln.
Ausbildung
* 31. 12.1908 in Butschatsch (Ukraine); 20.09.2005 in Wien. Architektur-Studium in Prag.
Holocaust
1941 Verhaftung in Lemberg. Wiesenthal war in fünf Konzentrationslagern. Anfang Mai 1945 befreite ihn die US-Armee aus dem KZ Mauthausen.
Leben nach 1945
Dokumentation und Recherche von Nazi-Verbrechen. Buchautor.
Privat
Wiesenthal war mit Cyla Müller verheiratet. Eine Tochter.
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