"Wir müssen auf die Spaltung der Gesellschaft reagieren"

Durchatmen: Die SPÖ freut sich trotz Minus über das gewonnene Duell.
In den Jubel im SPÖ-Festzelt mischt sich Nachdenklichkeit: Die Flüchtlingskrise habe mehr Stimmen gekostet als notwendig.

Es stand am gewohnten Platz, vor der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße, eingezwängt zwischen Burgtheater und Landtmann.

Ein garstiger Wind drückte an die Wände des SPÖ-Festzeltes, und so schleppend, wie es sich am Nachmittag füllte, konnte man meinen: Drinnen ist’s nicht sonderlich gemütlich.

Die Wahrheit ist: Drinnen war die Stimmung ausgelassen, zunächst zumindest. „Wir sind die Wahlsieger, emotional gesehen“, sagte ein Wiener Promi-Wirt.

Denn als sie auf den Bänken stehend, in die Hände klatschend ihren Michael Häupl feierten und für ihn „An Tagen wie diesen wünscht man sich Unendlichkeit“ sangen, dachten sie, was Häupl sagte: „Wir haben die, die sich schon auf dem ersten Platz sahen, in die Schranken gewiesen.“

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Das war die eine Seite: Die SPÖ hat die FPÖ klar abgehängt, wir haben das Allerschlimmste abwenden können. Folgerichtig versuchten hochrangige Vertreter wie Landtagspräsident Harry Kopietz das Positive am Wahlkampf herauszuarbeiten: „Wir haben seit dem Frühjahr an Haltung gewonnen“. Und es war unüberhörbar, dass man intern eine Sprachregelung gefunden hatte, die da lautet: Ja, es gab ein Duell, und ja: Wir, die SPÖ, haben es deutlich gewonnen.

„Das Wahlergebnis ist ein Auftrag an uns, eingehend nachzugehen, ob wir wirklich das Non-Plus-Ultra leisten. “

Nach dem ersten Jubeln wurde die Stimmung bei manchem freilich nachdenklicher. Denn tatsächlich aber nach dem Wahlabend in der SPÖ wenig bleiben, wie es ist. Noch bei der Feier ermahnte Chef Häupl die versammelte Partei, Kurs und Positionen zu hinterfragen. „Das Wahlergebnis ist ein Auftrag an uns, eingehend nachzugehen, ob wir wirklich das Non-Plus-Ultra leisten “

Dem nicht genug, soll das rote Minus auch im Bund Konsequenzen zeitigen.

Was genau muss sich tun? „Wiens Wahlkampf hat eines gezeigt: Es gibt eine Spaltung in der Gesellschaft. Darauf müssen wir stärker reagieren“, sagt ein Landtagsabgeordneter zum KURIER.

Das Flüchtlingsthema also? Nicht alleine. Denn wie mehrere Wahlkämpfer bestätigen, waren die negativen Rückmeldungen, die die Bürger den SPÖ-Kandidaten entgegenbrachten, überschaubar. Ein SPÖ-Funktionär hat dafür eine gleichermaßen einfache, wie irritierende Erklärung: „Die, die wirklich ang’fressen sind, haben keine Lust mehr, Wahlhelfer zu beflegeln. Die diskutieren gar nicht mehr mit uns – und da wird’s wirklich gefährlich.“

Hat das Flüchtlingsthema, oder besser: der Umgang damit, die Wahl entschieden? Wer Tanja Wehsely, die stellevertretende Wiener Klubobfrau fragt, bekommt eine klare Antwort: „Wenn die Welt und die Bundespolitik nicht so unfähig und oberflächlich über die Flüchtlingsthematik geredet hätten, wäre das Thema in Wien bei Weitem nicht so ins Gewicht gefallen.“ Die SPÖ müsse Speerspitze gegen die Entsolidarisierung sein. „Im Bund wie in Wien.“

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