Schwarz, Grün und Pink gemeinsam gegen Rot und Blau

Titelverteidiger Häupl: Als Anti-Strache sog er erfolgreich Stimmen von den Kleinen ab
Nachdem das Duell Rot gegen Blau den Wahlkampf weitgehend dominiert hat, üben sich die Klein-Parteien in Schadensbegrenzung.

Die Botschaft war nicht neu, auch war sie nicht wirklich überraschend. Aber für Maria Vassilakou gab es an diesem Freitag nur eine Ansage, und sie lautete: Vorne, an der Spitze, da geht’s um nichts mehr. Das Rennen um Platz eins ist längst entschieden.

"Wer Rot-Grün will, muss die Grünen wählen", sagte die Chefin der Wiener Grünen deshalb im Dachgeschoß eines Innenstadt-Hotels – wie auch die SPÖ und die Neos zelebrierte die Öko-Partei gestern ihr Wahlkampf-Finale.

Gemütlich sei er ja, der rote Bürgermeister; auch selbstzufrieden. "Aber gerade deshalb muss man jetzt die Grünen wählen", sagte Vassilakou. Mehr noch: Die SPÖ brauche einfach "Feuer unterm Hintern".

Ob derlei Verbal-Brachialismen im Finale noch helfen? Wer weiß das schon. Sicher ist, dass die kleineren Parteien, also ÖVP, Neos und Grüne, im Wahlkampf bislang über Gebühr unter dem rot-blauen Duell um Platz eins zu leiden hatten.

Die von den Grünen weidlich kommunizierten Erfolgsprojekte wie die 365-Euro-Jahreskarte oder die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße wurden in den vergangenen Wochen und Monaten angesichts der thematischen Omnipräsenz des Flüchtlingsthemas obsolet; und die ÖVP wie auch die Neos plagte angesichts der in den Umfragen erstarkenden Freiheitlichen ein Problem, das für sie politisch lebensbedrohlich wurde, nämlich: Immer mehr Wähler fragten sich, ob sie diesmal Rot wählen sollen, um den ersten Platz der FPÖ zu verhindern?

Tatsächlich tat die Häupl-SPÖ gut daran, genau diese Erzählung zu nähren: Nur Häupl verhindert Strache.

Die Vehemenz, mit der man dies kommunizierte, bewies unter anderem eine Inseraten-Kampagne in der letzten Woche: Die Sozialdemokraten – oder genauer: ein ihnen nahes stehendes Personenkomitee namens "Strache verhindern!" – ließ in diversen Zeitungen pinke, grüne und schwarze Inserate schalten.

Die gedruckte Botschaft war immer dieselbe, lediglich abgestimmt auf das jeweilige Klientel. Im pinken Fall klang das dann so: "Ich würd’ ja die Neos wählen, aber bevor Strache Erster wird, wähle ich den Häupl."

Erfolg als Anti-Strache

Mit dem Thema Wohnen oder einem "Mehr Herz für Flüchtlinge" hätte Michael Häupl laut OGM-Experte Wolfgang Bachmayer schwerlich Stimmen sammeln können. Sehr wohl gelang ihm das als Anti-Strache.

Zumindest was die Umfragen angeht, hat die SPÖ Stimmen von Grün, Schwarz und Pink abgesogen.

Und genau das versuchten die "Kleineren" im Finale noch zu korrigieren bzw. zu verhindern – man nahm insbesondere die amtierende Bürgermeister-Partei ins Visier: Häupl sei aus Taktik und nicht aus Haltung gegen die FPÖ, befundete etwa Grünen-Chefin Eva Glawischnig.

Es gibt keine Umfrage, laut der Häupl nicht Bürgermeister wird – warum ihn wählen?, fragte ÖVP-Boss Manfred Juraczka bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Und Beate Meinl-Reisinger, Spitzenkandidatin der Wiener Neos, arbeitet sich nicht zuletzt ob der erwähnten "Guerilla-Inserate" an Häupl und seinen roten Mitstreitern ab: "Die Situation wäre ja skurril, wenn es nicht so einen ernsten Hintergrund hätte. Anscheinend werden Strohmänner dazu verwendet, um mit ominösen Inseraten Stimmung für Häupl zu machen. Die Kampagne ist eine Bankrotterklärung der Sozialdemokratie. Sie kommuniziert die SPÖ als nicht wählbar."

Das Superwahljahr 2015 ist für die Neos bisher sehr enttäuschend gelaufen. Bei den drei Landtagswahlen – im Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterreich – misslang den Pinken jeweils der Einzug in den Landtag. „Insofern ist Wien jetzt unsere letzte Überlebenschance“, sagt der Hotelier und Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn zum KURIER.

Der in Salzburg engagierte Flüchtlingshelfer glaubt an den Erfolg seiner Partei in Wien, auch wenn alle Umfragen prophezeien, dass die Neos am morgigen Wahlsonntag nur knapp über der Fünf-Prozenthürde zu liegen kommen werden.

Schellhorns Rezept für die Zeit danach lautet: „In den Nationalrat zu kommen, war ein Kraftakt. Dann war es extrem schwer, den Kurs weiterzufahren, wir haben inhaltlich zu breit angefangen und müssen uns jetzt wieder auf unsere drei Kernthemen fokussieren: Unternehmerisches Österreich, Generationengerechtigkeit und Bildung.“
Speziell das Pensionsthema und die Ausbildungsfrage müssten auch mehr Junge zu den Neos locken, glaubt der Abgeordnete. Er ist enttäuscht, dass es zuletzt nicht einmal in den urbanen Zentren Graz und Linz gelungen sei, die Neos-Kernzielgruppe stärker anzusprechen.

Hauptgegner ist für Schellhorn nicht Strache, wie im Wiener Wahlkampf plakatiert, sondern die „Castingshow der Untalentierten“, wie er die Bundesregierung nennt sowie die Schattenregierungen im Land. Damit meint der frühere Präsident der Hoteliervereinigung die Landeshauptleutekonferenz, die jede Föderalismusreform blockiere, sowie die Sozialpartner – für ihn „Sinnbild für den Stillstand“. Schellhorn: „Die Sozialpartner haben nichts mehr zu verteilen, saugen aber gleichzeitig Unternehmer und Arbeitnehmer weiter aus.“

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