Wie löst man einen Bundeskanzler ab?

Fischer, Faymann: Rauswurf würde Präzedenzfall schaffen
Szenario in der SPÖ-Krise: Werner Faymann soll zu einem "gesichtswahrenden Ausstieg" überredet werden.

Die Personaldiskussion in der SPÖ betrifft nicht nur den Parteivorsitzenden, sondern auch den Bundeskanzler. Diese Funktionen neu zu besetzen, sind zwei unterschiedliche Vorgänge.

Bei der Ablöse des SPÖ-Chefs hat die Wiener Partei Michael Häupl zum Herrn des Verfahrens gemacht. Häupl lotet mit den anderen acht Landesparteiobleuten eine rasche Einberufung des Bundesparteitags aus – angepeilt ist ein Termin Anfang Juni. Dort werden die SPÖ-Delegierten ihren künftigen Chef wählen. Dabei gelten die Regeln des SPÖ-Statuts. Diese lauten: Zuerst wählen die Delegierten die 70 Mitglieder des Bundesparteivorstands neu. Dieser neue Bundesparteivorstand muss gleich darauf den Delegierten einen Wahlvorschlag für den Parteivorsitz zur Abstimmung vorlegen, wobei diese Kandidaten dem Parteivorstand angehören müssen. Das bedeutet: Die Manager Gerhard Zeiler oder Christian Kern müssten eine Landespartei finden, die sie für die Wahl zum Parteivorstand nominiert. Pikant: Beide stammen aus Wien. Zeiler aus Häupls Heimat Ottakring, Kern aus dem Faymann-treuen Simmering. Auch Werner Faymann könnte selbstverständlich wieder kandidieren.

Der erste Beliebtheitstest auf dem SPÖ-Parteitag würde demnach schon bei der Wahl des Parteivorstands stattfinden. Wenn einer der Kandidaten von den Delegierten zu mehr als 50 Prozent gestrichen wird, ist er aus dem Rennen. Bei der Parteichef-Wahl gilt: Wer mehr als 50 Prozent hat, ist gewählt.

Zeiler ist wild entschlossen

Wie zu hören ist, möchte sich Medien-Manager Zeiler auf dem Parteitag präsentieren und in einer programmatischen Rede die Delegierten von sich überzeugen.

Für Kern sieht die Sache anders aus: Als Generaldirektor der ÖBB kann er sich schwer auf eine Kampfabstimmung einlassen. Denn er kann ja nach einer etwaigen Niederlage nicht einfach in die ÖBB zurück wechseln. Kern kann also nur dann Faymanns Nachfolger werden, wenn sich von vornherein die gesamte SPÖ auf ihn einigt und seine Wahl garantiert. Das macht Kern von den Stakeholdern in der SPÖ abhängig und gibt Faymann die Handhabe, sich den unliebsamen Konkurrenten vom Hals zu schaffen. So lange Faymann ankündigt, dass er auf dem Parteitag wieder für den Vorsitz kandidiert, kann Kern nur mit Risiko in den Ring steigen. Zeiler hingegen ist wild entschlossen, gegen Faymann in eine Kampfabstimmung zu gehen.

Aus Häupls Umgebung ist zu hören, dass der Bürgermeister eine Kampfabstimmung auf dem Parteitag vermeiden will und nicht nur eine Einigung über den Parteitagstermin, sondern auch über die Faymann-Nachfolge anstrebt. "Das wird sich alles in den Gesprächen, die der Bürgermeister über das verlängerte Wochenende führt, entwickeln", heißt es aus der SPÖ. Gleichzeitig sei der Bürgermeister bestrebt, für Faymann einen "würdigen und gesichtswahrenden Ausstieg zu finden". Im Gespräch sei eine Aufgabe auf "internationalem Parkett", heißt es.

Dann muss er Faymann noch dazu bringen, dieses Angebot anzunehmen.

Wie löst man einen Kanzler ab?

Wenn Faymann nicht freiwillig das Feld räumt, gibt es nicht nur SPÖ-intern Probleme. Noch größer sind die Schwierigkeiten, einen Kanzler gegen dessen Willen abzulösen.

Rein verfassungsrechtlich geht dies auf zwei Wegen: Erstens, der Nationalrat spricht dem Kanzler das Misstrauen aus. Dann müsste die SPÖ gegen den eigenen Bundeskanzler einen Misstrauensantrag unterstützen. Das ist nicht vorstellbar.

Zweitens, der Bundespräsident entlässt den Kanzler gegen dessen Willen. Das ist von Heinz Fischer kaum anzunehmen, noch dazu, wo er sich mit einem Mittagessen wenige Stunden vor der entscheidenden SPÖ-Vorstandssitzung schützend für Faymann ins Zeug wirft.

Unelegant

Unterm Strich bedeutet die Rechtslage: Es gibt zwar verfassungsrechtliche Möglichkeiten, einen Kanzler gegen dessen Willen abzulösen, aber beide Varianten sind extrem unelegant. Ein Faymann-Rauswurf durch den Bundespräsidenten würde zudem einen Präzedenzfall darstellen, den die SPÖ einem freiheitlichen Bundespräsidenten Norbert Hofer später nicht ankreiden könnte. Dass allerdings Fischer die wichtigsten Player der SPÖ am Montag zu sich ruft und sich so in eine parteiinterne Obmann-Debatte einmischt, stellt auch einen gewissen Präzedenzfall für ein Staatsoberhaupt dar.

Zusammengefasst kann man sagen: Wenn Faymann nicht freiwillig das Feld räumt, ist es schwierig, ihn abzulösen. Es mag vielleicht auf dem Parteitag gelingen, ihn zusammenzustreichen und einen Nachfolger zu wählen. Selbst wenn sich Kern auf dieses Risiko einlässt, ist immer noch nicht sicher, dass er dann auch Bundeskanzler wird. Die verfassungsrechtliche Ablöse-Prozedur ist noch schwieriger. Kern oder Zeiler könnten nicht einmal Klubobmann im Parlament werden, weil sie nicht auf den Nationalrats-Listen gestanden sind. Sie wären lediglich Parteichef der SPÖ.

Andererseits würde das Ganze zwangsläufig auf vorzeitige Neuwahlen hinaus laufen. Ob sich Faymann wegen ein paar Monaten mehr im Kanzleramt einer solchen Kraftprobe aussetzt?

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