"Wenn Krieg kommt, ist die Steuerreform unser kleinstes Problem"

„Ich mag seine sozialpartnerschaftliche Herangehensweise“, sagt Kanzler Faymann im KURIER-Interview über seinen neuen Vize Mitterlehner
Die Steuersenkung kommt im März 2015. Zur Regierungsklausur laden Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner auch die Chefs der Sozialpartner – um sie in Reformprojekte "von Beginn an einzubinden".

KURIER: Herr Mitterlehner, Sie haben bei Ihrer Vorstellung als neuer Vizekanzler im Parlament proklamiert: "Ich will, dass die Österreicher das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen." Wer hat es verspielt?

Mitterlehner: Das ist weder der Regierung oder jemandem anderen allein anzulasten. Wir leben im siebenten Jahr einer Wirtschaftskrise, wo wir wenig zu verteilen haben. Das ist für alle unangenehm, die sich als Verlierer fühlen und dafür die Politik verantwortlich machen. Dieses Problem haben wir in allen europäischen Ländern.

In Deutschland steht die Regierung im Vertrauens-Hoch. Was läuft da bei uns schief?

Mitterlehner: Die Deutschen haben wirtschaftlich eine etwas bessere Situation als wir. In allen anderen EU-Ländern stehen die Regierungen massiv unter Druck.

Spüren Sie auch persönlich den wachsenden Frust der Wähler?

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Bundeskanzler & Vizekanzler, Interview im Bundeskanzleramt, Reinhold Mitterlehner, Werner Faymann, Wien am 03.09.2014
Mitterlehner:In den Sommerwochen bin ich viel im Land herumgekommen und wurde oft gefragt: Wofür seid ihr eigentlich da, was ist der Mehrwert für uns. Wir müssen den Menschen das Gefühl zurückgeben, dass die Regierung für sie da ist.

Herr Bundeskanzler, Sie sind ja schon länger für die Geschicke der Republik letztverantwortlich. Jetzt haben Sie für die Regierung einen Neustart ausgerufen. Warum dauert bei uns im Vergleich zu einem Unternehmen alles so lang?

Faymann: Am schnellsten fallen Entscheidungen in einer Diktatur. Da schafft einer an und dann gilt das. In einer Demokratie einen Kompromiss herzustellen, erfordert einen längeren Zeitraum. Und wenn man schaut, welche Länder in Europa am besten dastehen, dann die mit den Kompromissen: Deutschland, Österreich und die Niederlande.

Bei uns ist der Kompromiss oft, nichts zu tun. Über die Steuerreform wird seit Monaten geredet, aber nicht entschieden.

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Bundeskanzler & Vizekanzler, Interview im Bundeskanzleramt, Reinhold Mitterlehner, Werner Faymann, Wien am 03.09.2014
Faymann:Der Vorwurf, nichts zu tun ist ungerecht. Diese Regierung hat – schon damals auch mit dem Minister Mitterlehner – trotz Krise 2009 bereits eine Steuerreform gemacht. Wir haben durch drei Sparpakete erreicht, dass wir 2015 budgetmäßig um 6 Milliarden Euro besser liegen. Da könnte sich auch der Journalismus ein Beispiel an Deutschland nehmen, wo nicht nur das Negative in der politischen Berichterstattung in den Vordergrund gestellt wird. Bei uns werden die unerledigten Aufgaben so in den Focus gestellt, als wären es die einzigen.

Dass die Regierung dringend mehr weiterbringen muss, sagen auch Parteifreunde wie der steirische Landeshauptmann Franz Voves: "Das ist die letzte Chance für einen Neustart".

Faymann: Das Besondere an der seit dieser Woche neuen Regierungskonstellation soll sein, dass man optimistisch und zielorientiert agiert: Die Bildungsreform weiterentwickelt, die Wirtschaft zu mehr Investitionen ermutigt und die Steuern senkt – also Dinge, wo es nach wie vor noch viel zu tun gibt, vorantreibt.

Mitterlehner: Das kann ich unterschreiben. Was in der ganzen Debatte nicht unter den Tisch fallen darf: Unternehmen haben eine klare Hierarchie, eine fast befehlsartige Entscheidungskette und können daher auch schneller umstrukturieren. In Gesellschaften in Krisensituationen haben wir oft die Haltung, die Politik soll das erledigen, uns als Bürger geht das nichts an. Wir müssen daher die Bürger noch stärker in den Prozess der Meinungsbildung miteinbeziehen. Dazu kommt, dass der Anteil der Themen, wo wir gegeneinander Position bezogen haben, überwogen hat.

Wann werden also die Österreicher, die für Jahreseinkommen bis 60.000 Euro die höchsten Steuern zahlen, entlastet?

Mitterlehner: Wir haben auch eine der höchsten Ausgabenquoten von allen Ländern. Wir schütten immer mehr Geld in das System hinein.

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KURIER 27. Juli 2011 Doppelseite 2+3

Gute Vorsätze: Werner Faymann und Michael Spindelegger im ersten Doppel-Interview für den KURIER im Sommer 2011

Verlangen die Österreicher zu viel von ihrem Staat?

Mitterlehner: Wir haben uns in Richtung eines Wohlfahrtsstaates entwickelt, der üppig und gut ausgestattet ist. Niemand will in Österreich Leistungen verlieren. Wir haben im Gesundheitsbereich bereits gezeigt, dass es möglich ist, den Kostenanstieg zu dämpfen, ohne jemandem etwas wegzunehmen. Wir müssen auch in allen anderen Bereichen so die Einsparpotenziale heben.

Der neue VP-Finanzminister Schelling hat recht: Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem?

Faymann: Da geht es uns nicht anders als jedem Unternehmen, wie zum Beispiel auch dem KURIER, der auch mit weniger Geld eine gute Zeitung machen muss. Das ist im Gesundheitsbereich und überall genauso.

Ich kann daher, das was der Vizekanzler über die Budgetausgaben gesagt hat, nur unterstreichen: In Österreich verlassen sich die Menschen darauf, dass man für die Schule und fürs Spital nichts zahlen muss. Wir sollten aber auch dazu sagen: Wir haben eine besonders niedrige Steuerbelastung der Vermögen. Das ist eine Frage, die wir mittel- und langfristig lösen müssen.

Herr Mitterlehner, sind Sie da beweglicher als Ihr Vorgänger Michael Spindelegger?

Mitterlehner: Bei Vermögenssubstanzsteuern wie Erbschafts- und Schenkungssteuern werde ich immer Nein sagen.

Zu einer höheren Grundsteuer sagen Sie aber nicht Nein?

Mitterlehner: Auch dazu sage ich Nein. Und wenn Sie mich jetzt zu weiteren Varianten fragen, sage ich zu allen Nein. Am Ende wird es aber einen Kompromiss geben müssen.

Können Sie beide versprechen, dass im März 2015 eine Steuerreform beschlossen wird, wo danach alle Österreicher weniger Einkommensteuer zahlen?

Faymann: Der Eingangsteuersatz soll in jedem Fall gesenkt werden. Ob es dann ein paar geben wird, die sehr gut verdienen und nur sehr wenig entlastet werden, kann ich jetzt noch nicht sagen.

Mitterlehner: Wir wollen die Steuer- und Abgabenquote natürlich senken. Das bedingt aber , dass wir auch bei den Ausgaben etwas tun. Wir brauchen neben der Tarifsenkung eine Steuerreform, das heißt eine Vereinfachung und Entrümpelung, so wie es der Finanzminister angekündigt hat.

Porträt Faymann:

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Werner Faymann
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Kurier
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Werner Faymann, Bergsteigen
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Werner Faymann, Autogramm
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Werner Faymann, Bundeskanzler
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Werner Faymann
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Werner Faymann

Stichwort Bildungsreform: Gilt der strikte Satz Ihres Vorgängers weiterhin "Nein zur Gesamtschule: Das Gymnasium muss bleiben"?

Mitterlehner: Ich möchte ihn nicht kommentieren. Ich möchte auch in der Frage der Bildung etwas gemeinsam weiterbringen. Wir brauchen auch hier den weiterführenden Kompromiss. Ich denke hier zum Beispiel an Ganztagesangebote. Jetzt gibt es das im Kindergarten, aber in der Volksschule brauchen berufstätige Mütter ein Angebot, das nicht nur Beaufsichtigung, sondern auch Förderung sein muss.

Faymann: Man kann sich auch da Beispiel an den Modellregionen in den Bundesländern nehmen, wo alle in einen Schultyp gehen und zufrieden sind. Je mehr diese Modelle gelebt werden, desto stärker werden die Ängste schwinden, das hier etwas verloren geht. Auch hier lebt Demokratie nicht vom Anordnen, sondern vom Überzeugen.

Der Wirtschaftsstandort Österreich fällt permanent zurück. Laut der jüngsten Studie vor allem wegen zu hohen Steuern und zu viel Bürokratie.

Mitterlehner: Das nehme ich sehr ernst, die Unternehmen fühlen sich wegen der Bürokratie überlastet. Wir arbeiten an Vereinfachungen.

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Bundeskanzler & Vizekanzler, Interview im Bundeskanzleramt, Reinhold Mitterlehner, Werner Faymann, Wien am 03.09.2014
Faymann:Wir müssen die Bürokratie in ihrer Doppelgleisigkeit bei Bund und Ländern beenden. Da ist grundsätzlich jeder dafür, solange er nicht betroffen ist. Aber für uns stehen die Staatsbürger im Vordergrund, also müssen wir diejenigen, für die das Veränderung bedeutet, die Beamten, überzeugen. Dafür brauchen wir das geplante Amt der Bundesregierung.

Das kommt wirklich?

Faymann: Es ist unsere ehrliche Absicht.

Also Beamte werden durch das Amt der Bundesregierung künftig leichter versetzbar sein?

Faymann: Sie sollen besser einsetzbar sein. In Zeiten, wo ein sicherer Arbeitsplatz so wichtig ist, ist das ein legitimes Anliegen.

Mitterlehner: Flexibilität bei den Beamten ist ein logisches Ziel, aber natürlich müssen wir da die Betroffenen einbeziehen. Wenn wir das nur verordnen, gibt es Dienst nach Vorschrift – das wollen wir nicht.

Die Regierung hat mehrfach ein neues ÖIAG-Gesetz diskutiert. Wird es zusätzliche Privatisierungen geben oder zumindest eine aufgewertete ÖIAG?

Mitterlehner: Wir werden uns auch das unter einem neuen Blickwinkel ansehen.

Es gab ja auch den Plan, dass der Verbund-Konzern in die ÖIAG kommen soll.

Faymann: Wichtig ist, dass wir gerade bei Energiekonzernen in der jetzigen Situation unseren Einfluss behalten wollen. Über die Ausweitung der ÖIAG werden wir reden.

Porträt Mitterlehner:

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MINISTERRAT: MITTERLEHNER
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ÖGB-KONGRESS: HUNDSTORFER/MITTERLEHNER
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REGIERUNGSKLAUSUR AM SEMMERING
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NATIONALRAT: BUDGETREDE PRÖLL
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REINHOLD MITTERLEHNER DEUTET AUF PRESSEKONFERENZ
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Archivbild Reinhold Mitterlehner
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Archivbild 10.11.1994 Erscheinungsdatum: 21.10.19…
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ÖVP-KLUBKLAUSUR IN SCHLADMING: MITTERLEHNER
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PK Wirtschaftsbund
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Michael Spindelegger präsentiert in der ÖVP-Zentra…
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ÖVP-Bundesparteitag
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MINISTERRAT: PRESSEFOYER
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OPERNBALL 2013: MITTERLEHNER

Es gibt in zwei Wochen eine Regierungsklausur. Wird diese konkrete Ergebnisse bringen?

Faymann: Wir werden die Sozialpartner zur Klausur einladen und von Beginn an einbinden. Wir wollen nicht, dass Standpunkte aufgebaut werden, und nachher begründet jeder nur mehr, warum er dagegen ist, gerade in der wichtigen Frage Bürokratie und Wirtschaft.

Die Nebenregierung regiert also gleich von Anfang an mit?

Mitterlehner: Sozialpartner sind keine Nebenregierung. Sie sind eine wichtige gesellschaftspolitische Komponente, übrigens auch in den Verträgen der EU. Die Sozialpartner müssen Entscheidungen in die Gesellschaft hinein tragen. Bei der Abfertigung-Neu haben sie das sehr gut gemacht.

Und die Landeshauptleute laden Sie auch gleich dazu ein?

Mitterlehner: Ich sehe in dieser Frage eine zynische Komponente. Die Landeshauptleute werden uns sicher unterstützen, bei jeder Form der Unterstützung der Wirtschaft und der Arbeitsplätze. Gerade jetzt in der Ukraine-Krise.

Apropos Ukraine: Die EU-Sanktionen werden unsere Exporte gefährden. Wie erklären Sie den Menschen, dass es bei uns Arbeitslose geben wird, um die Ukraine zu verteidigen.

Faymann: Wenn es Krieg in Europa gibt, geht es um die Freiheit, um Grundwerte, um das Völkerrecht. Bis jetzt haben wir durch die Sanktionen keinen großen wirtschaftlichen Schaden. Die Nationalbank spricht von 0,08 Prozent. Aber wenn sich die Spirale der Gewalt weiter dreht, und bei dem Krieg vielleicht noch mehr Länder betroffen sind, dann hat das für die Menschen, aber auch für die Wirtschaft, verheerende Auswirkungen. Darum müssen wir jetzt politischen Druck auf Putin ausüben, damit er ein Dialogpartner wird. Wir wollen sicher keine militärische Logik.

Im Moment sieht es ohnehin wieder nach Dialog aus.

Faymann: Putin macht eine Salamitaktik. Er zeigt sich interessiert für Friedensverhandlungen und gleichzeitig trifft man seine Soldaten im Ausland. Und Putin sagt, die sind halt dort auf Urlaub. Das können wir nicht durchgehen lassen. Vor welchem Land und vor welcher Grenze endet diese Taktik? Vielleicht kann Putin die FPÖ für sich gewinnen, aber Europa kann er sicher nicht auseinanderdividieren.

Mitterlehner: Das ist für die Wirtschaft eine sehr belastende Situation. Da bin ich mit dem Kanzler einig.

Faymann: Weil Sie das mit dem Arbeitslosen gesagt haben, den es vielleicht durch Sanktionen gibt: Wenn sich der Konflikt ausweitet, betrifft das hunderttausend Arbeitslose in Europa. Weil wir wirtschaftlich miteinander verflochten sind und weil Unsicherheiten entstehen. Krieg ist verheerend. Die Ukraine geht uns etwas an. Nicht nur, weil sie von Wien so nahe ist wie Bregenz, sondern auch, weil es um unsere Freiheit und unsere Entwicklung geht.

Mitterlehner: Die Grundwerte lauten Freiheit und staatliche Integrität. Wir werden beim Sozialpartnergipfel am Mittwoch aber schauen, wie wir den Unternehmen helfen können, etwa durch Kurzarbeit.

Können die wirtschaftlichen Folgen der Ukraine-Krise die Steuerreform gefährden?

Faymann: Nochmals: Es geht darum, einen noch größeren Krieg in Europa zu verhindern. Wenn der käme, wäre eine Steuerreform unser kleinstes Problem.

Mitterlehner: Klar ist, wir sind nicht mehr in der Situation, wo wir an ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent denken können. Mir kommt das so vor, als ob ich in einem Haus sitze und über ein neues Wohnzimmer nachdenke, während von überall schon Wasser eintritt. Wir wollen keine Angst machen, aber die Lage in der Ukraine erfordert Krisenmanagement.

Wir haben vor drei Jahren ein ähnliches Interview nach einer Regierungsumbildung gemacht, damals hieß der neue Vizekanzler Spindelegger. Überschrift: "Wir wollen das Gemeinsame in den Vordergrund stellen" (siehe KURIER-Faksimile).

Faymann: Ja, das stimmt immer.

Aber lange hat’s nicht gehalten.

Faymann:Seit es diese SPÖ/ÖVP-Koalition gibt, geht es einmal besser und einmal schlechter. Wir dürfen unsere Unterschiede nie auf eine persönliche Ebene bringen, sondern wir müssen sachlich bleiben. Länder, die mehr auf Gegensätze als auf Gemeinsamkeiten setzen, sind nicht besser gefahren als wir. Es ist kein Zufall, dass auch Angela Merkel auf die Große Koalition gesetzt hat.

Aber Herr SPÖ-Vorsitzender: In Ihrer Partei gibt es schon Kritik, dass Sie zu sehr konsensorientiert sind und zu wenig linke Positionen vertreten.

Faymann: Diese Kritiker frage ich dann, wollt ihr wieder, dass die FPÖ mit anderen in der Regierung ist? Und das wollen gerade diese Kritiker nicht.

Mitterlehner: Wir müssen das Regierungsprogramm umsetzen. Wenn uns das gelingt, sind wir erfolgreich.

Herr Vizekanzler, was stört Sie am Bundeskanzler?

Mitterlehner: Bis jetzt nichts.

Und umgekehrt, Herr Bundeskanzler?

Faymann: Mir gefällt seine sozialpartnerschaftliche Herangehensweise.

Mitterlehner: Die Inhalte sind entscheidend. Ich möchte nicht vor ein Publikum treten, egal, ob schwarz, rot oder blau, wenn ich nicht erklären könnte, was wir bewegt haben.

Faymann: Wir haben unterschiedliche Parteiprogramme, aber mein Appell an die Medien ist, dass sie auch das Gemeinsame in den Vordergrund stellen.

Mitterlehner: Es geht auch um die Symbolik. Schauen Sie sich den neuen Papst an. Große Veränderungen hat er noch nicht gemacht. Aber sein Auftreten zeigt, dass er einen anderen Zugang zu den Menschen, etwa zu Geschiedenen hat. Ich glaube, Symbolik wird auf Dauer nicht ausreichen, aber sie gehört auch dazu. Wenn uns auch Reformen gelingen, haben wir eine gute Chance. Und noch etwas: Im internationalen Vergleich stehen wir noch immer gut da. Das weiß jeder, der aus dem Urlaub zurückkommt.

Faymann: Wenn wir die durchschnittliche Arbeitslosigkeit von Europa hätten, dann hätten wir doppelt so viele junge Arbeitslose wie heute. Wir werden alles dafür tun, das zu verhindern.

Faymann und Mitterlehner

Sie sitzen seit 2008 gemeinsam in der Regierung: Faymann als Kanzler, Mitterlehner als Wirtschaftsminister. 2013 übernahm Mitterlehner auch die Wissenschaftsagenden, nach Michael Spindeleggers Rücktritt am 26. August dessen Jobs als Vizekanzler und VP-Obmann.

Erste Bewährungsprobe

Bei einer Regierungsklausur Ende September will die neue Koalitionsführung erste gemeinsame Reformprojekte in Sachen Bildung, Steuern und Verwaltung paktieren.

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