Wenn der Arbeitsinspektor mehr als zwei Mal klingelt

Vizekanzler Mitterlehner besuchte die Beauty Bar von Katja Wagner in Wien.
In die überfällige Entbürokratisierung des Arbeitnehmerschutzes kommt Bewegung, der Unmut bei den Betrieben über Schikanen wurde einfach zu groß.

Eine Firma stellt ihren Mitarbeitern den täglichen Obstkorb zur Verfügung. Der Arbeitsinspektor bemängelt, dass es niemanden gibt, der den Korb auf faule oder verdorbene Früchte kontrolliert. Weil er keinen eigenen "Obstkorb-Kontrollor" will, stellt der Chef die Bereitstellung von Obst wieder ein.

Solche Fälle machen seit der Posse rund um Waxing-Studio von Ex-Miss Katja Wagner die Runde. Ein fehlendes Fenster, die fehlende Toilette, zu niedrige Räume, zu wenig Licht und Luft – Österreich scheint ein Land der Baumängel und hoch gefährdeten Arbeitnehmer zu sein.

Selbst Kanzler Christian Kern machte sich bei der Präsentation seines Plans A über die Auswüchse des Arbeitnehmerschutzes lustig und forderte "Schluss mit Kafka".

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bringt gerne das Schlachthof-Beispiel. Die Lebensmittelkontrollore wollten die einen Fliesen, der Arbeitsinspektor die anderen. "Glatt oder gerippt, das ist hier die Frage", spöttelt er.

Gipfel im Wirtschaftsministerium

Auch die Hoteliervereinigung kämpft für einen praxistauglicheren Arbeitnehmerschutz. Präsidentin Michaela Reiterer kennt drei Extrem-Fälle: Einem Betrieb sei aus Sicherheitsgründen verboten worden, dass Mitarbeiter Benzin in den Rasenmäher füllen. In einem Betrieb müssten Mitarbeiter beim Nachfüllen von Geschirrspülmittel Atemschutzmasken tragen. Und von einem dritten Unternehmen wäre gar der Nachweis gefordert worden, dass das Reinigungspersonal eigens darin geschult wird, Putzmittel nicht zu trinken. Reiterer: "Niemand kann mir erklären, dass so eine Überregulierung jemandem hilft. Im Gegenteil: Das schadet allen, die Mitarbeiter anmelden und Steuern und Sozialbeiträge abführen. Denn damit unterwirft man sich 1209 Paragrafen für den Arbeitnehmerschutz."

Katja Wagner sieht das ganz genauso. Die Chefin der "Beauty Bars" war Anlass für einen Reform-Gipfel im Wirtschaftsministerium (siehe Zusatz-Story). Nach der Debatte mit Mitterlehner, Sozialminister Stöger & Co sagt sie: "Der Kanzler darf sich lustig machen über die Arbeitsinspektoren. Aber wenn ich als kleine Waxing-Tante etwas sage, dann gnade mir Gott. Dass jetzt plötzlich auch Stöger für Reformen ist, kommt aber bestimmt nicht von ungefähr."

Schutzaspekte

In SPÖ, ÖGB, AK sieht man vor allem den Schutzaspekt und die – dem Arbeitsinspektor sei Dank – sinkenden Zahlen bei Arbeitsunfällen.

Zur Waxing-Posse sagt AK-Präsident Rudolf Kaske: "Die Republik hat und braucht tüchtige Unternehmer. Traurig ist, dass es scheinbar weniger erfolgreiche Unternehmer gibt, die für ihr Scheitern andere verantwortlich machen." Nur jede 58. Übertretung münde beim Arbeitnehmerschutz in einer Anzeige. In allen anderen Fällen – jährlich über hunderttausend – seien Lösungen gefunden worden.

Es sei nicht darum gegangen, eine „Berufungsverhandlung mit Polit-Beteiligung“ zum Fall von Ex-Miss Katja Wagner und ihrem Kampf mit dem Arbeitsinspektorat abzuhalten, sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nach einem Reformgespräch zum Arbeitnehmerschutz.

Aber die Komplexität der Rechtsmaterien und oft überholten bis widersprüchlichen Vorschriften in Bauordnung, Betriebsstätten-Verordnung, Arbeitszeitgesetz, Arbeitsruhegesetz, Gewerbeordnung, Lebensmittelrecht etc. seien Arbeitgebern nicht mehr zumutbar. Mitterlehner will daher in den nächsten Wochen und Monaten den heimischen Arbeitnehmerschutz möglichst „praxistauglich reformieren“.

Der eigentlich zuständige Sozialminister Alois Stöger von der SPÖ ist ebenfalls reformbereit, legt den Schwerpunkt aber wesentlich stärker auf die eigentliche Schutzfunktion für die Arbeitnehmer. Sicherheit geht vor, sagt Stöger sinngemäß, und referiert sinkende Zahlen bei Arbeitsunfällen.

Bereits jetzt sind sich Rot und Schwarz über die Reduktion von Informations-, Melde- und Auskunftspflichten für Unternehmen einig.

Verordnungen entrümpeln

In einem nächsten Schritt soll konkret die Betriebsstätten-Verordnung entrümpelt werden, in der viele bauliche Vorschriften geregelt sind. Aufgrund dieser Verordnung hat Wagner eine Strafe von mehreren Tausend Euro zu erwarten, weil in einer ihrer Waxing-Kabinen kein Fenster ist, insgesamt eine Toilette fehlt, der Fluchtweg verstellt war und ähnliches mehr.

Als seine „Idealvorstellung“ in fernerer Zukunft nannte Mitterlehner einen „One-Stop-Shop“ für alle Kontrollbehörden. Gemeint ist damit, dass die verschiedensten Prüfer – von der Finanz bis zum Arbeitsinspektor – ein Unternehmen im Idealfall nur einmal oder wenigst aufeinander abgestimmt kontrollieren. Mitterlehner ist auch dafür, dass Arbeitsinspektoren einen Betrieb künftig nur noch angemeldet inspizieren dürfen. Aber auch hier besteht noch Gesprächsbedarf in der Koalition.

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