Wenige neue Betten, immer mehr Flüchtlinge

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei Flüchtlingen im Zeltlager in Linz.
Ultimatum läuft ab: Wenn weiter Quartiere fehlen, landen Asylwerber in Kasernen. Der Widerstand wächst.

Heute, Freitag, läuft das Ultimatum ab, das die Innenministerin den Ländern gestellt hat: Wenn es nicht genügend Quartiere gibt, wird Johanna Mikl-Leitner Flüchtlinge in Kasernen unterbringen. Die ÖVP-Ressortchefin kann die Betroffenen darüber persönlich informieren. In St. Pölten (NÖ) trifft sie auf alle Landes-Flüchtlingsreferenten. Zu besprechen gibt es viel, denn die Lage spitzt sich zu: In Traiskirchen sind so viele Flüchtlinge wie zuletzt vor fast 60 Jahren. Kärnten will verhindern, dass Asylwerber in einer Kaserne untergebracht werden. Oberösterreichs Landeschef Josef Pühringer fordert, dass die Zelte binnen eines Monats "weg" sind.

Um 13 Uhr wird Mikl-Leitner vor die Presse treten. Die PK können Sie hier im Livestream verfolgen:

FPÖ droht ÖVP in NÖ

Vorerst steht Traiskirchen im Fokus. 3000 Menschen waren gestern im Lager. 700 davon hatten kein Bett, nächtigten "in Garagen und Warteräumen auf dem Boden oder im Freien", sagte Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner. Das Innenministerium bestätigte die Zahlen, teilte aber auch mit, dass die Länder nun 300 Personen übernehmen würden. Und Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) offerierte, 400 Flüchtlinge aus Traiskirchen in der "Arena Nova" zu beherbergen. Gestern Abend wurden in der Veranstaltungshalle Betten aufgestellt, heute sollen die ersten Asylwerber übersiedeln. Die FPÖ droht deshalb, die Stadtregierung zu sprengen. Mikl-Leitner ist hingegen erfreut: "Das ist ein starkes Signal. Es gibt eine Gruppe mutiger Bürgermeister über alle Parteigrenzen hinweg. Jeder Bürgermeister, der sich dieser Gruppe anschließt, setzt ein Zeichen der Mitmenschlichkeit und des Mutes."

Kanzler-Vize-Initiative

Noch finden sich aber zu wenige. Schwertner meint, es wäre nötig, dass der Bund mehr in die Betreuung der Asylwerber investiere. 19 Euro pro Tag seien für Gastgeber zu wenig. Deutschland erhöhe die Mittel gerade. Das wird wohl auch Thema bei den – von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner initiierten – Treffen der Regierung mit NGOs und Länderchefs sein, die kommenden Montag bzw. Mittwoch stattfinden werden. Fix ist, dass die Causa noch lange auf der Agenda der Politik stehen wird. Laut UNHCR sind derzeit 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht – so viele wie noch nie.

Dass die Innenministerin angeordnet hat, sogenannte Dublin-Verfahren "prioritär" zu behandeln, wird das Problem jedenfalls nicht lösen. Es sollen ja jene Fälle herausgefiltert werden, für deren Asylverfahren ein anderes EU-Land zuständig ist (jenes, das als Erstes betreten wurde). Damit will man bewirken, dass möglichst viele Flüchtlinge abgeschoben werden können. Der Haken dabei: Ein "Dublin-Verfahren" dauert mindestens acht Monate , weil Fristen eingehalten werden müssen.

Von Jänner bis Mai wurden heuer 3498 Personen außer Landes gebracht, 20.620 Personen haben in diesem Zeitraum einen Asylantrag gestellt – um 183 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Schlechte Nachrichten erreichen am Donnerstag die von Abwanderung und negativer Wirtschaftsentwicklung betroffene Bevölkerung in Bleiburg im Stundentakt: Das Skigebiet Petzen sperrt zu, weil hier niemand investieren will; 50 Soldaten werden aus der Goiginger Kaserne aus-, 100 Asylwerber hingegen in den nächsten Tagen einziehen; Und plötzlich ist sogar vom Ausbau der Liegenschaft zu einem „Verteilerzentrum Süd“ für 500 Flüchtlinge die Rede. Das stößt aufseiten der Bevölkerung und der Politik auf massiven Widerstand.

„Flüchtlinge in einer Kaserne – noch dazu im Grenzgebiet. Das kann nicht gut gehen“, sagt Erika Kulterer aus Bleiburg. Das Schwimmbad, Schulen und Sportplätze seien in Kasernennähe, „daher ist das die falsche Flüchtlingsunterkunft“, fügt Ferdinand Wohlgemuth hinzu.
Genau dieses Vorhaben soll jedoch heute Freitag von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) abgesegnet werden, da Kärnten die Asylquote aktuell nur zu 90,22 Prozent erfüllt.

Die Landespolitiker richten vor der Flüchtlingskonferenz einen letzten Appell an die Ministerin. „Bleiburg könnte durch die Grenznähe zum Magneten für Schlepper werden“, befürchtet Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Landesrat Christian Benger teilt seiner Parteikollegin mit, dass „Drüberfahren nur Verunsicherung und Ängste schürt.“

Der Amtsführende Bürgermeister Bleiburgs, Daniel Wriessnig (ÖVP), macht darauf aufmerksam, „dass wir unser Soll mit den 56 Bewohnern im bestehenden Flüchtlingsheim bereits mehr als erfüllen.“ Eine Abordnung aus Bleiburg will Mikl-Leitner am Freitag eine Resolution übergeben, denn mehr Asylwerber seien für eine Gemeinde mit 4000 Einwohnern „unzumutbar“.

Die Zahl der Einheimischen wird indes schrumpfen, wenn die 50 in der Kaserne stationierten Soldaten absiedeln – und zwar nicht wie geplant Mitte 2016, sondern sofort. „Bisher haben wir alles nur aus den Medien erfahren. Jetzt gibt es einen Befehl, dass die Lehrkompanie siedeln soll. Das Motto lautet: Soldaten raus und Flüchtlinge rein; da fühlt man sich wie ein alter Autoreifen. Wir werden natürlich nicht meutern, sondern gehorchen – aber niemand sagt uns wohin wir wann sollen“, betont Thomas Lintschinger, Personalvertreter in der Goiginger Kaserne.

„Das wird bekannt gegeben, wenn fix ist, dass dort Flüchtlinge einziehen“, teilt das Verteidigungsministerium auf KURIER-Anfrage mit. Zu einem in Bleiburg geplanten „Verteilerzentrum Süd“ wollte man keine Auskunft geben. Lintschinger bestätigt jedoch, dass die Kaserne vom Ministerium dahingehend begutachtet und für tauglich empfunden wurde: „Die Unterbringung von 500 Menschen wäre möglich.“
thomas martinz

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