"Da kommst du an deine Grenzen"

"Da kommst du an deine Grenzen"
Niki Wendl war Grundwehrdiener. Obwohl er es gut fand, hofft er auf Änderungen.

17 Jahre lang hatte Niki Wendl das, was man ein feines Leben nennt. „Ich hatte nie Stress. Nicht zu Hause, nicht in der Schule. Ich komme aus einem behüteten Umfeld.“ Markenkleidung, die Breitling am Handgelenk, Wendl fehlte es materiell an nichts. Und er weiß das zu schätzen.17 Jahre lang plätscherte das Leben des Wieners also friedlich dahin. Dann kam das Bundesheer.

Im Oktober 2009 musste Wendl in der Fernmelde-Truppenschule in der Favoritener Starhemberg-Kaserne einrücken – ein Kulturbruch. „Von einem auf den anderen Tag bist du fremdbestimmt. Du hast von fünf Uhr früh bis Mitternacht Dienst, tust nur, was man dir sagt. Und um ein Uhr nachts wirst du plötzlich geweckt, weil die Ausbildner beschlossen haben, dass du nicht schlafen sollst, sondern mit der Ausbildung weitermachst. Das war anfangs hart.“

Schlaflos

20 Mann in einem Zimmer, alle auf Stockbetten. Die Hälfte schnarcht, andere schauen am Handy Pornos oder Hollywood-Filme – ohne Kopfhörer, versteht sich. Wie soll man da schlafen? Für den Maturanten eine fremde Welt ohne Aussicht auf Pausen. „Die Erlaubnis, zu Hause zu schlafen, bekam ich erst nach sechs Wochen.“

Wendl kannte de facto niemanden, er teilte die Unterkunft mit Schulabbrechern und Maurern – was ihm bald gefiel. „In der Schule war ich ein Mitläufer.“ Nicht so in der Kaserne. Der Tourismus-Student kann heute nicht mehr genau sagen wie, aber: Er verschaffte sich Respekt, wurde gemocht – und deshalb zum Soldatensprecher gewählt. Vielleicht lag es daran, dass sie gemeinsam litten – Studenten und Maturanten ebenso wie Arbeiter. „Wir wurden in der Grundausbildung ordentlich geschliffen. 20 Kilometer mit vollem Kampfanzug marschieren, da kommst du an deine Grenzen.“

Schikanen? Die gab es nicht. Und an den Tagen draußen im Feld habe er manches gelernt: Wie man sich im Gelände als Späher bewegt; wo man ungesehen Aussicht hält; wie man eine Schützenstellung aushebt.

Stoppuhr

"Da kommst du an deine Grenzen"
Und dann war da auch noch die Sache mit dem Zusammenhalt. „Ich erinnere mich gut, als wir in der Grundausbildung auf Tempo den Kampfanzug packen mussten.“ Mit der Stoppuhr in der Hand ließen die Ausbilder die jungen Soldaten den halben oder auch den ganzen Spind-Inhalt in ihre Rucksäcke stopfen – und die Burschen vier Stockwerke tiefer antreten. „Anfangs hat jeder wie ein Verrückter gepackt, ist nach unten gestürmt – und hat gewartet. Die Ausbildner haben gesagt: Uns interessiert nicht, wer der Schnellste ist. Uns interessiert, wie lange die Kompanie braucht.“

Also hätten sie zusammengeholfen, die Langsamen wurden beim Packen unterstützt. „Nach ein paar Tagen war die Kompanie in der halben Zeit fertig.“

Als die Grundausbildung erledigt und die Tage im Feld geschafft waren, wurde Wendl Spieß-Schreiber. Der Spieß ist in einer Kompanie so etwas wie der Geschäftsführer, er erledigt für den Kommandanten den Alltag. Anwesenheits- und Dienstlisten, Einnahmen und Ausgaben – all das hat der Spieß im Auge. „Mir war nie langweilig“, sagt Wendl. „Im Unterschied zu vielen anderen in der Kompanie.“

Denn die Fahrer oder die „ZBVler“ („Zur besonderen Verwendung“) hatten monatelang vor allem eines zu tun: „Herumsitzen, warten und ab und zu das Klo putzen. Die kannten alle Playstation-Spiele, die es gibt.“

Für Wendl ist das gleichzeitig Antwort auf die Frage, ob die Wehrpflicht sinnvoll ist. „Ich persönlich fand es gut und interessant beim Heer. Aber insgesamt muss sich wohl einiges ändern.“

Schießerei

Was? „Ich hab’ in meiner ganzen Grundausbildung nur zwei Mal scharf geschossen.“ Eine ernsthafte Schieß-Ausbildung sehe anders aus. Wendl erinnert sich an noch Etwas. „Ich war in einer Fernmelde-Einheit. Aber glauben Sie, man hätte mir in all den Monaten gezeigt, wie man ein Funkgerät bedient?“

Hier geht's zur KURIER-Seite zum Thema Wehrpflicht und zum ersten Teil der Serie.

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