Fischer rügt SPÖ-Mann Ackerl: "Entgleisung"

Der Bundesparteivorstand der SPÖ tritt wegen des Sparpaketes zusammen
Ein Vergleich der Wehrpflicht mit dem NS-Zwangsdienst empört die ÖVP – und beschert OÖ-Parteichef Schelte des Präsidenten.

Der Gefechtslärm von Rot und Schwarz wird täglich lauter. Beide Parteien bieten alles auf, was sie in ihren Arsenalen haben – um die Volksbefragung am 20. Jänner zu ihren jeweiligen Gunsten zu entscheiden. Die SPÖ will ja ein Profi-Heer und ein freiwilliges, bezahltes Sozialjahr, die ÖVP möchte bei Wehrpflicht und Zivildienst bleiben.

Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl hat der ÖVP bei einer Parteiveranstaltung in Wels Munition geliefert. Mit der Ansage: Die Zwangsverpflichtung sei eine Idee des Nationalsozialismus, der den Arbeitsdienst geschaffen habe. Für ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf ist das „eine ungeheuerliche Entgleisung, ein beschämender Tiefpunkt der Auseinandersetzung. Die in unserer Bundesverfassung verankerte allgemeine Wehrpflicht mit Fron- und Zwangsdiensten des Nazi-Regimes gleichzusetzen, ist unerträglich.“ Die SPÖ-Spitze solle sich „für diesen Funktionär entschuldigen bzw. sich von diesen unsäglichen Äußerungen distanzieren“. Zudem begehrt Kopf „deutliche Worte“ des Oberbefehlshabers des Bundesheeres, von Bundespräsident Heinz Fischer.

Fischer rügt SPÖ-Mann Ackerl: "Entgleisung"
APA9267734-3 - 02092012 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 018 II - BP Heinz Fischer am Freitag, 31. August 2012, während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. Bundespräsident Heinz Fischer geht davon aus, dass die Volksbefragung über die Zukunft des Bundesheeres eine "klare Entscheidung" bringt APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER

Die spricht das Staatsoberhaupt im KURIER: „Die Behauptung von Landeshauptmann-Stellvertreter Ackerl, wonach die Verpflichtung zum Wehrdienst,eine Idee des Nationalsozialismus‘ sei, ist eine bedauerliche Entgleisung“, die außerdem „völlig unhistorisch“ sei. Die moderne Form der Wehrpflicht sei in Europa mehr als 200 Jahre alt – „und in Österreich ist die Wehrpflicht nach Abschluss des Staatsvertrages von einem demokratisch gewählten Parlament durch ein Verfassungsgesetz beschlossen worden“. Fischer appelliert erneut, „in den Debatten rund um die Volksbefragung ein Minimum an Fairness von allen Seiten einzuhalten“.

Auch SPÖ-Geschäftsführer Günther Kräuter verhehlt nicht, dass ihm die Aussage von Oberösterreichs SPÖ-Statthalters missfällt: „Natürlich ist die Empörung der ÖVP politisch motiviert. Ich hätte das aber nicht so formuliert, wie das Ackerl getan hat. Solche Vergleiche sind immer problematisch.“

Schweigen

Wie sieht Ackerl die Sache? Wird er sich entschuldigen? Er schwieg gestern. Sein Geschäftsführer Christian Horner sagte dem KURIER: „Es gibt keinen Anlass zur Entschuldigung. Wir weisen Kopfs Kritik zurück. Ackerl hat nie die Wehrpflicht mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht. Er kritisiert lediglich den Vorschlag der ÖVP-Innenministerin, einen allgemeinen, unbezahlten Zivildienst für Männer und Frauen einzuführen.“ Tatsächlich hat Mikl-Leitner gesagt: „Ich kann mir vorstellen, den Zivildienst für Frauen auf freiwilliger Basis zu öffnen.“

Sie bot gestern Abend ausländische Prominenz auf, um für die Wehrpflicht zu werben, darunter Finnlands Ex-Verteidigungsministerin Elisabeth Rehn. „Alle Parteien in Finnland stehen hinter der Wehrpflicht“, berichtet sie. Auch 72 Prozent der Bevölkerung würden das aktuelle System bevorzugen. Ein Profi-Heer sei schlicht zu teuer. Das glaubt auch Mikl-Leitner: Sie rechnet bei einem Berufsheer mit einer Verdoppelung der Kosten auf vier Milliarden – und warnt: „Ein Ja zum Berufsheer ist der erste Schritt zur Abschaffung der Neutralität und einem Nato-Beitritt.“

Das Thema Katastrophenschutz führte am Donnerstag Umweltminister Niki Berlakovich an: Sein Ministerium habe seit 2007 fast 700 Millionen Euro in den Schutz vor Naturgefahren investiert. „100 Prozent Schutz kann es aber nicht geben, daher brauchen wir die Katastrophenschützer des Heeres.“ 70 bis 90 Prozent der eingesetzten Kräfte seien Grundwehrdiener. Berlakovich: „Dieses bewährte System muss beibehalten werden.“

Wenn die Wehrpflicht bleibt, werden bald auch alle Frauen einrücken müssen! Wenn die Wehrpflicht fällt, stirbt auch der Zivildienst – und dann wird es lebensgefährlich, weil die Rettung später kommt! Knapp eine Woche vor der ersten bundesweiten Volksbefragung schießen die roten und schwarzen Gräuelpropagandisten aus allen Rohren – und zielen so tief wie nie. Da tut schon das Zuschauen so weh, dass man nur noch schreien will – vor Wut über die himmelschreiende Dummheit der „Argumente“. Da entblödet sich zuletzt Oberösterreichs Alt-Juso Josef Ackerl etwa nicht, die Wehrpflicht jetzt auch noch mit dem Arbeitsdienst im Nationalsozialismus zu vergleichen.

Rot und Schwarz hyperventilieren vor Nervosität, weil sie wechselseitig fürchten, die Volksbefragung zu „verlieren“. Denn derzeit müssen sie damit rechnen, dass nicht einmal ein Drittel der Wahlberechtigten zu den Urnen geht. Spielentscheidend wird also, wer mehr Anhänger dazu bringt, überhaupt teilzunehmen.

Die Wehrpflichtbefragung wird so zu einem Mobilmachungstest über die Wehrkraft der Parteien: Wer schafft es eher, mehr Parteisoldaten an die Wahlfront zu schaffen, um danach als Gesamtsieg-Anwärter ins Superwahljahr zu ziehen. Mit dem Heer selbst droht danach weitergewurschtelt zu werden wie bisher – egal, was künftig am Kasernen-Türschild steht.

Wenn sich Rot und Schwarz fünf vor zwölf nicht noch am Riemen reißen, wird die Volksbefragung am 20. Jänner nur ein nachhaltiges Ergebnis haben: Am Schlachtfeld zurück bleiben beide Koalitionsparteien, weil sie diese Abstimmung vorsätzlich fahrlässig angezettelt haben – als jene, die jetzt auch noch unter dem Titel Volksbefragung dem Bürger die lange Nase zeigen. - Josef Votzi

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