Wie teuer kommt ein Berufsheer?

Wie teuer kommt ein Berufsheer?
Bis zur einer Milliarde Euro mehr kostet der Umstieg auf eine Berufsarmee, sagen Heeresinsider.

Was wäre, wenn sich am 20. Jänner die Österreicher entscheiden, die Wehrpflicht abzuschaffen und auf ein Berufsheer umzusteigen?

Wäre dafür tatsächlich mehr Geld nötig – wie dies vornehmlich Fans der Wehrpflicht behaupten?

Fänden sich dafür tatsächlich genug Freiwillige – wie dies die Verfechter eines Berufsheeres argumentieren? Und wie lange würde der Umstieg dauern?

Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen:

Ist es praktisch möglich, das Bundesheer auf eine Berufsarmee umzurüsten?

Grundsätzlich ja, aber nur mit beträchtlichem Aufwand was Budget und Rahmenbedingungen wie Recht (Verfassung) und Infrastruktur (Kasernen, etc.) angeht. Dringend, sagen Experten, müsste das Dienstrecht geändert werden. Das klingt nebensächlich, ist aber unumgänglich. Denn unter den aktuellen Bedingungen ist es unmöglich Profi-Soldaten flexibel im In- und Ausland einzusetzen. Warum? Derzeit genießen Berufssoldaten im Heer einen guten Berufsschutz: Sie dürfen gegen ihren Willen nicht in andere Garnisonen versetzt werden und können ohne Zustimmung nicht mit neuen Aufgaben betraut werden – selbst wenn die Bezahlung bleibt. Denn im Heer gilt nach wie vor das antiquierte Beamtendienstrecht. Führende Militärs wollen das seit Jahren ändern. Dafür müsste man sich allerdings mit der einflussreichen Beamten-Gewerkschaft anlegen. Und allein das ist ein gewichtiger Grund, warum die Umstellung eine Herausforderung wäre.

Muss nach dem Abschaffen der Wehrpflicht das Militärbudget nicht zwingend angehoben werden?

Nein. „In keinem der EU-Staaten ist es nach der Umstellung auf eine Berufsarmee zu Budgeterhöhungen gekommen“, sagt Brigadier Johann Frank, Leiter des Büros für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium. Die Abschaffung oder das Aussetzen der Wehrpflicht haben nicht automatisch eine Budget-Erhöhung zur Folge, bestätigen auch EU-Militärs in Brüssel und legen Statistiken vor. Deutschland hat die Wehrpflicht per 1. Juli 2011 ausgesetzt, bis 2015 werden 4,3 Milliarden Euro Militärausgaben eingespart. Schweden, das 2010 die Wehrpflicht ausgesetzt hat, hat sein Budget nicht erhöht: Das Budget ist 2011 sogar leicht gesunken – von 4,9 Milliarden auf 4,8 Milliarden Euro. Schweden finanziert damit eine Marine mit teuren U-Booten und Luftstreitkräfte mit mehr als 100 Abfangjägern. Und seit Österreichs Nachbar Slowakei 2006 die Wehrpflicht ausgesetzt hat ist das Heeresbudget dort um 27 Prozent gesunken.

Wäre ein Umstieg also ohne zusätzliche Kosten für die Steuerzahler machbar?

Eher nein. Wichtig ist die Übergangsphase und hier gehen Militärs je nach Schätzung von einer „Anschub-Finanzierung“ zwischen 200 und 500 Millionen Euro im Jahr aus. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen müsste das Heer Gerät und Infrastruktur auf den letzten Stand bringen – andernfalls wäre die Armee kein attraktiver Arbeitgeber. Hinzu kommt die Personalfrage: Die älteren Semester im Heer können nicht einfach gekündigt werden. Sie müssen weiter bezahlt werden, während die Armee zusätzlich jüngere Soldaten für die Profi-Truppe anwirbt. Schon jetzt stehen auf der Payroll des Heeres rund 2000 beamtete Soldaten, deren Jobs es nach diversen Reformen formal nicht mehr gibt, die man aber nicht „los“ wird. Hochrangige Offiziere wie der Militärkommandant von Oberösterreich, Generalmajor Karl Raffetseder, gehen von noch höheren Übergangskosten aus. „Ich schätze, dass man in der Übergangsphase etwa das Eineinhalbfache des derzeitigen Budgets (zwei Milliarden Euro) benötigt“, sagt der Generalmajor zum KURIER. Da Raffetseder skeptisch ist, dass die Politik die budgetären und rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umstieg schafft, steht er dem Berufsheer skeptisch gegenüber.

Finden sich in der Übergangsphase genug Freiwillige für das Berufsheer?

Das ist umstritten. In Deutschland wurde die Wehrpflicht Mitte 2011 durch eine Art freiwilligen „Schnupper-Wehrdienst“ (sieben bis 23 Monate) ersetzt. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat als unterstes Ziel 5000 Freiwillige pro Jahr definiert, und diese Latte schafft man locker: Per Dezember 2012 absolvierten fast 12.000 Deutsche freiwilligen Wehrdienst. Die Krux dabei: Die Abbrecherquote ist hoch. 30 Prozent der Freiwilligen brechen den Wehrdienst nach sechs Monaten frühzeitig ab. Und obwohl Deutschland die Untergrenze locker schafft ist man vom Optimalfall, nämlich 15.000 Freiwilligen, klar entfernt.

Wie lange würde der Umstieg auf eine Berufsarmee dauern?

Der Übergang würde zumindest acht bis zehn Jahre dauern – Gehaltsfortzahlungen für unkündbare Berufssoldaten nicht eingerechnet. „Für heute 40 bis 45-jährige Mitarbeiter gilt das Pensionsantrittsalter 65. Die müsste man weiter beschäftigen – also noch 20 Jahre“, sagt ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsressorts.

Budget: Derzeit beträgt das Budget des Verteidigungsministeriums zwei Milliarden Euro im Jahr. Laut Experten ist damit ein Berufsheer machbar – allerdings wären für die Umstellungsphase200 bis 500 Millionen Euro im Jahr nötig (Adaptierung von Ausrüstung und Infrastruktur, Fortzahlung unkündbarer Berufssoldaten, etc.)

Vergleichsstaaten: In Deutschland, Schweden und der Slowakei konnte das Wehrbudget nach der Aussetzung der Wehrpflicht gehalten bzw. sogar gesenkt werden.

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