Wählerevidenz als erster Schritt zur Wahl 2.0

Vorbild Estland? Ein Fünftel der Esten wählte das Parlament im Vorjahr via Internet.
Register würde Online-Volksbegehren ermöglichen, FPÖ und Grüne haben Bedenken beim Datenschutz.

Mit dem Vorstoß der Regierungsparteien für eine zentrale Wählerevidenz werden erste Schritte in Richtung einer Wahlrechtsreform gesetzt. Mit dem Register, das künftig nicht mehr von den Gemeinden, sondern zentral im Innenministerium geführt werden soll, können Wahlberechtigte genauer erfasst werden.

Damit soll ausgeschlossen werden, dass Unter-16-Jährige wählen können (bei der Hofburg-Stichwahl in Ober- und Niederösterreich passiert), oder dass jemand seine Stimme doppelt abgeben könnte, weil man im Wahllokal auf einem Zettel den Vermerk "Wahlkarte" übersehen hat (Wien).

Diese Fehler haben bei der Aufhebung der Hofburg-Stichwahl zwar keine Rolle gespielt, die Reform sei aber "relativ rasch" umsetzbar, heißt es von den Antragstellern SPÖ und ÖVP. Sie hoffen auf einen Nationalratsbeschluss im Herbst.

FPÖ und Grüne haben noch datenschutzrechtliche Bedenken – daran ist die Einführung des Registers schon 2013 gescheitert. "Wenn Daten zentral erfasst werden, muss der Schutz eine besondere Qualität haben", sagt Grünen-Verfassungssprecher Albert Steinhauser.

Estland ist Pionier

Die zentrale Wählerevidenz ist auch ein Schritt in Richtung E-Voting. Im Entwurf wird vorgeschlagen, Volksbegehren auf elektronischem Wege zugänglich zu machen. Der Bürger müsste nicht mehr zum Bezirks- bzw. Gemeindeamt gehen, sondern könnte seine Unterstützung per Mausklick von zuhause aus erklären.

Dazu braucht man eine so genannte Bürgerkarte bzw. Handysignatur, erklärt Peter Kustor von der Abteilung E-Government im Bundeskanzleramt: "Sie ist beides in einem: Ein Personalausweis und eine Unterschrift – nur eben digital." Derzeit nutzen 750.000 Österreicher den "Ausweis im Internet". Baut man das System aus, könnten sogar bundesweite Wahlen damit durchgeführt werden. Es brauche nur den politischen Entschluss und die passende Wahl-Software, sagt Kustor.

Beides gibt es bereits in Estland, ein Pionier in Sachen Wählen 2.0 – nebenbei Geburtsland von Hofburg-Kandidat Alexander Van der Bellen. Bei der Parlamentswahl im Februar 2015 hat bereits jeder fünfte Wähler seine Stimme per E-Voting abgegeben. Das Konzept gibt es seit 2005, es ist weltweit einzigartig.

In Deutschland wurden "Wahlcomputer" 2009 für verfassungswidrig erklärt, in Österreich wurde das E-Voting bei der ÖH-Wahl 2011 gekippt. Eingeschlafen ist das Projekt aber nicht, sagt Robert Stein von der Bundeswahlbehörde: "Die Fachabteilung forscht laufend und nimmt im Europarat an Arbeitsgruppen teil."

Kommentare