ÖVP gegen Briten: Sie schützen Steuersünder

Maria Fekter & VK Michael Spindelegger_Interview HB & Paul Trummer 10.04.2013, in Wien 25 Hours Hotel
Das Bankgeheimnis soll weitgehend bleiben, fordern Vizekanzler Spindelegger und Finanzministerin Fekter. Die EU müsse vielmehr dem Steuerparadies Großbritannien den Kampf ansagen.

Modern, chic und bei jungen Erfolgsmenschen sehr angesagt: Das Dachgeschoß eines Wiener Designhotels könnte Pate stehen für das Wunschimage der ÖVP. Über den Dächern Wiens sprechen Vizekanzler Michael Spindelegger und Finanzministerin Maria Fekter mit dem KURIER aber dann doch zu Altbewährtem wie Bankgeheimnis und Steuersystem.

KURIER: Frau Bundesministerin, soll man Kriege führen, die man nicht gewinnen kann?
Maria Fekter:
Man soll gar keine Kriege führen.

Aber Sie verteidigen ein Bankgeheimnis, das nicht zu halten ist.
Fekter:Wir schützen das Bankgeheimnis und bekämpfen gleichzeitig Geldwäsche und Steuerflucht.

Am Mittwoch hat Luxemburg dem automatischen Datenaustausch zugestimmt und die EU-Kommission hat gefordert, dass Österreich als letztes EU-Land dem Beispiel folgen soll. Werden wir?
Michael Spindelegger: Wir schützen das spezielle Verhältnis zwischen dem Kunden und seiner Bank. Das Bankgeheimnis bleibt, damit verhindern wir jede Verunsicherung der Sparer. Aber natürlich wollen wir den Steuersündern auf die Schliche kommen. Wir müssen in Verhandlungen mit der EU klären, was diese unter vollautomatischem Datenaustausch versteht. Wenn hier jemand Schwarzgeld angelegt hat, sind wir zur Kooperation bereit. Wenn das aber bedeutet, alle Banken geben tagesgleich alle Informationen an in- und ausländische Behörden weiter, dann wird es das mit uns nicht geben.
Fekter: Das ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre, das wollen wir nicht. Ich habe deshalb ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie weit die Privatsphäre überhaupt tangiert werden darf. Die automatische Kontobewegung bekanntzugeben widerspricht der Privatsphäre. Österreich hat ein anderes System, wir besteuern die Zinserträge an der Quelle und liefern das Geld an das Ausland ab. Österreich ist kein Paradies für Steuerflüchtlinge, wir sind ein Hochsteuerland.

In der Tat, dazu kommen wir gleich. Aber soll man bei den EU-Verhandlungen auch Schritte anderer Länder gegen Steuerbetrug fordern?
Fekter:
Bereits bei der Zypern-Rettung haben wir darauf gedrängt, dass die verschlossenen Stiftungen abgeschafft werden, um den Geldwäschesumpf trockenzulegen. Das müssen wir auch von Großbritannien fordern. Wir wollen ein Stiftungs-Register für die Kanalinseln, aber auch für Länder, wo britisches Recht gilt, etwa Caymann-Islands, Virgin Islands oder Gibraltar. Das sind alles Bereiche, die derzeit Paradiese für Steuerflüchtlinge sind.

Es gibt Zahlen, dass etwa 50 Milliarden Euro an ausländischen Guthaben auf heimischen Banken liegen. Fürchten Sie, dass da Geld abfließen könnte?
Fekter: In Hinblick auf die Verunsicherung von Sparern sind solche Debatten kontraproduktiv. Wir haben mit Zypern ohnehin eine Verunsicherung gehabt. Jetzt sind wir dabei, wieder Vertrauen für die Sparer aufzubauen. Da ist eine Debatte, wie sie derzeit geführt wird, kontraproduktiv. Ich will den Sparern signalisieren, dass ihr Geld in Österreich sicher ist.

ÖVP gegen Briten: Sie schützen Steuersünder
Maria Fekter & VK Michael Spindelegger_Interview HB & Paul Trummer 10.04.2013, in Wien 25 Hours Hotel
Wir sind ja schon im Wahlkampf, und der wird immer emotionaler. Die ÖVP hat sich immer klar für die EU ausgesprochen. Kann man nach all den Krisen in der EU noch ein positives Europa-Bild verkaufen?
Spindelegger:Es gibt 1,6 Milliarden Chinesen, 1,2 Milliarden Inder und acht Millionen Österreicher, aber 500 Millionen Europäer. Gemeinsam sind wir stark. Darum brauchen wir Europa.

Und wie werben Sie mit Emotionen für Europa?
Spindelegger: Die EU ist ein riesiger Thinktank, ein Reformmotor. Als kleines Land in einer globalisierten Welt bietet sie uns Schutz und einen Markt von 500 Millionen Menschen. Das stärkt die Wirtschaft, den Standort und schafft Arbeitsplätze.

Ist die Euro-Krise schon ausgestanden?
Spindelegger: 2013 wird die Bewährungsprobe für Europa. Kehren wir in den alten Trott des Schuldenmachens zurück oder bleiben wir am Reformkurs. Wir haben heute Werkzeuge in der Hand, die uns rasch auf Krisen wie in Zypern reagieren lassen.

Aber drohen nach Zypern nicht schon die nächsten Krisen in Portugal oder Spanien?
Spindelegger: Viele Länder sind im Fokus. Portugal ist weiter ein Programmland, Irland ebenfalls, aber dort sehen wir Fortschritte. Wir müssen auch in Spanien Fortschritte machen, aber vor einem Jahr hat es ganz anders ausgesehen. Damals haben wir uns gefragt, ob wir die Euro-Zone überhaupt halten können. Diese Frage gibt es aus meiner Sicht nicht mehr.

Frau Finanzminister, Zypern hatte ein massives Problem mit seinen Banken. Ist Zypern das Vorbild für künftige Bankenrettungen in Europa?
Fekter: In Zypern hatten wir ein Bankenproblem und der Staat war pleite. Das ist etwa in Spanien nicht so, dort kann der Staat noch mithelfen. Zypern ist kein Vorbild für künftige Unterstützung, da die Bankenrettung in Zypern vom Staat nicht mehr unterstützt werden konnte.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Frank Stronach hat am Dienstag sein Parteiprogramm präsentiert. Was halten Sie von seinem Wirtschaftsprogramm?
Spindelegger: Ich bin überrascht vom geringen Tiefgang des Programms. Ich hätte mir eigentlich mehr Tiefgang erwartet, etwa bei den ÖBB. Sein Privatisierungsprogramm ist er schuldig geblieben.

Steuerrechtlich fordert er quasi eine Abschaffung von Steuern für Unternehmen ...
Fekter: Steuersenkungen finde ich immer sympathisch. In Hinblick auf unsere derzeitige Budgetsituation und unseren Konsolidierungspfad müssen wir aber seriös bleiben. Momentan ist es schwierig, große Steuersenkungen zu versprechen. Bei der Körperschaftssteuer stehen wir im Wettbewerb. Wir haben mit 25 Prozent den absoluten EU-Durchschnittssteuersatz. Die Besteuerung der Unternehmen in Österreich ist insgesamt wettbewerbsfähig, auch dank der Gruppenbesteuerung.

Wäre für die ÖVP eine Koalition aus ÖVP, FPÖ und Stronach eine Möglichkeit nach der Wahl?
Spindelegger: Erst wird gewählt, dann wird gezählt, dann wird verhandelt, und dann wird die Koalition gebildet.

Aber Sie schließen es nicht aus?
Spindelegger: Wir brauchen stabile Verhältnisse. Mit zwei Parteien kann man regieren, mit drei Parteien wird es sehr schwierig.

Was die Menschen noch mehr interessiert als mögliche Koalitionen ist die Frage, was ihnen im Börsel bleibt. Kommt vor der Wahl noch eine Entlastung bei der Einkommenssteuer?
Spindelegger: Wir wollen vor der Wahl unsere Vorstellungen auf den Tisch legen, wie die ÖVP in der nächsten Periode die Menschen steuerlich entlasten will. Das Steuersystem muss einfacher und leistungsgerechter werden. Auch für die Familien muss was drinnen sein. Aber Wahlzuckerln müssen von allen Parteien ausgeschlossen werden.

Besonders leistungsfeindlich ist die kalte Progression …
Fekter:Unser Steuersystem hat mehrere große Mängel. Wir haben den höchsten Eingangssteuersatz in ganz Europa, der ist leistungsfeindlich. Erst zahlen viele gar keine Steuer, sobald sie ein wenig mehr arbeiten, ist der hohe Eingangssteuersatz leistungsfeindlich. Die Progression kommt dazu. Der Spitzensteuersatz greift bei uns bereits sehr früh. In Summe ist unser Steuersystem sehr leistungsfeindlich.

Was soll sich nach der Wahl ändern?
Fekter:
Für mich ist es ein Problem, wenn das Steuersystem so gestaltet ist, dass wir die Eliten vergrämen und gleichzeitig weniger gut qualifizierte Menschen aus dem Ausland zuwandern. Österreich ist Weltmeister bei der Umverteilung. Jede neue Idee Richtung Umverteilung ist ein Ziegelstein im Rucksack derer, die die Steuern leisten. Mir ist es wichtig, dass wir bei der Entlastung der Leistungsträger ansetzen, die in der Früh aufstehen, 40 Stunden in der Woche arbeiten und unter Umständen nicht mehr im Börsel haben als jene, wo per Transfer umverteilt wird. Die ÖVP macht für die nächste Periode ein Angebot: Wir wollen keine Wahlzuckerln verteilen, sondern die Mängel im System beseitigen. Der Rechnungshof hat uns soeben gerügt, weil es 560 Ausnahmen im Steuersystem gibt. Das kostet zehn Milliarden. Jede Zunft ist uns was wert, nur die Kinder sind uns nichts wert. Hier werden wir ansetzen.

Herr Vizekanzler, wird Maria Fekter als Finanzministerin diese Steuerreform nach der Nationalratswahl durchsetzen? Spindelegger: Das hoffe ich – mit mir als Bundeskanzler. Ich bin äußerst zufrieden mit meiner Finanzministerin Maria Fekter. Wir sind ein gutes Team. Sie steht für marktwirtschaftliche Strukturen und vertritt uns international hervorragend. Ich setze darauf, mit ihr die Regierung fortzusetzen.

Es war eine Rede, an der sich Österreich orientieren könnte: In seiner Ansprache zur „Lage der Nation“ erklärte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch, wieso die Regierung mit 1. Jänner 2015 das Bankgeheimnis für Ausländer aufgeben will. „Es gibt einen internationalen Trend, der unaufhaltsam ist. Wir geben dabei aber nicht dem preußischen Druck nach. Es sind 25 Staaten in der EU, die Druck machen. Und vor allem die USA, die eine radikale Position bezogen haben und keine Finanzbeziehungen wollen mit Ländern, die nicht am automatischen Informationsaustausch teilnehmen.“

Das Bankgeheimnis für Inländer soll in Luxemburg bestehen bleiben. Der Finanzplatz, der für 36 Prozent des BIP verantwortlich ist, sei durch die Aufgabe des Bankgeheimnisses nicht bedroht, glaubt Juncker: „Das Know-how und die Breite der Produktpalette sind die wahren Stärken. Um die Zukunft des Finanzplatzes Luxemburg zu sichern, müssen wir uns aber auch aktiv am Kampf gegen die Geldwäsche und den Steuerbetrug beteiligen.“

Luxemburgs Erklärung findet in Brüssel Zustimmung. Österreich solle Luxemburg folgen, sagte die Sprecherin von Steuerkommissar Algirdas Šemeta. Der Druck auf Österreich, das Bankgeheimnis gegenüber Ausländern aufzugeben, sei aufrecht. Die Kommission erwartet, dass Österreich die Zinsbesteuerungsrichtlinie (was das Ende des Bankgeheimnisses bedeutet) annimmt und zudem der Kommission das Mandat für Verhandlungen mit fünf europäischen Drittstaaten (u. a. Schweiz) sowie den USA erteilt.

Finanzministerin Maria Fekter könnte die Entscheidung zur Aufgabe des Bankgeheimnisses beim informellen Ratstreffen am Wochenende in Dublin oder beim Ecofin am 14. Mai deponieren. Sollte es künftig ein EU-Abkommen über den automatischen Datenaustausch von Kontoinhabern in der Schweiz geben, wird das bilaterale Abkommen Österreich-Schweiz obsolet.

In vertraulichen Gesprächen in Brüssel wird gefragt, warum die Bundesregierung nicht so professionell und rasch agiere wie Luxemburg. „Entschlossenes Handeln sichert den Standort Luxemburg und bringt Wettbewerbsvorteile“, sagt ein hoher Diplomat dem KURIER.

Bankgeheimnis: Besagt, dass Banken niemandem (etwa den Finanzämtern) Einblick in Konten gewähren dürfen, außer es läuft ein Strafverfahren oder eine richterliche Anordnung. Die Regelung gilt für Steuerinländer, für im EU-Ausland steuerpflichtige Kunden ist der Zugriff seit 2009 möglich.

Anonymität: Wurde auf Druck der OECD 2002 aufgehoben. Inzwischen gibt es keine Konten mehr, deren Verfügungsberechtigte nicht bekannt wären.

Automatischer Informationsaustausch: Alle EU-Staaten außer Österreich und (noch) Luxemburg informieren die Heimat-Finanzämter über Einkünfte ihrer Bürger.

Amtshilfegesetz: Ab 2014 wird Österreich die Heimat-Finanzämter von EU-Bürgern, die nicht in Österreich steuerpflichtig sind, über Einkünfte automatisch informieren.

Quellensteuer: Bei EU-Bürgern werden 35 Prozent der Zinserträge einbehalten und nach Abzug von Gebühren an ihr Heimatland überwiesen, allerdings ohne Bekanntgabe der steuerpflichtigen Person.

Kapitalertragssteuer (KESt): Derzeit werden 25 Prozent der Zinserträge einbehalten.

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