Ein Wahl-Sieger und vier Verlierer im Ländle

Kräftig zugelegt haben die Ländle-Grünen von Johannes Rauch (Mitte). Sie wollen künftig mitregieren
Die ÖVP ist auf ein historisches Tief abgerutscht. SPÖ und FPÖ büßten Stimmen ein, die Neos blieben unter den Erwartungen. Die Grünen haben dank großem Plus beste Chance, nun im sechsten Bundesland mitzuregieren.

Kurz vor 16 Uhr zieht der Sieger des gestrigen Wahlsonntags im Landhaus in Bregenz ein. Johannes Rauch wird von tosendem Jubel empfangen. Parteifreunde fallen ihm um den Hals, Tränen fließen. "Viele von uns sind schon so lange dabei und haben versucht, die Absolute der ÖVP zu brechen. Jetzt ist es gelungen. Wir gehen gestärkt in die Koalitionsverhandlungen", erklärt der Spitzenkandidat der Ländle-Grünen und gesteht: "Mein Traum waren 14 Prozent." Zu oft hätten Umfragen schon gute Ergebnisse erwarten lassen. Jetzt habe man dieses auch ins Ziel gebracht.

Richtungsentscheidung

Mit 17,2 Prozent (+6,6 ) erreichen die Grünen das beste Landtagwahl-Ergebnis aller Zeiten in Vorarlberg. Sie gewinnen zwei Mandate hinzu und halten nun bei sechs Sitzen im Landesparlament. Rauch sieht das als "klaren Auftrag" für eine Regierungsbeteiligung. Wie FPÖ-Spitzenkandidat Dieter Egger hatte er den Urnengang zur Richtungsentscheidung zwischen Schwarz-Blau und Schwarz-Grün erklärt. Die FPÖ bleibt klar zweitstärkste Kraft, muss jedoch ein leichtes Minus hinnehmen.

In der Bregenzer VP-Zentrale war die Stimmung gestern bereits um 14 Uhr im Keller, als die ersten Hochrechnungen das historisch schlechteste Ergebnis der Schwarzen vorwegnehmen. Besonders als die massiven Gewinne der Grünen aufscheinen, geht ein Raunen durch den Raum.

Mit 41,8 Prozent der Stimmen geht die Absolute der ÖVP klar verloren. Es ist ein Ergebnis, das sich der erstmals angetretene Landeshauptmann Markus Wallner nicht erwartet hat, wie er sagt. "Jedes verlorene Prozent ist schmerzlich. Aber die Enttäuschung hält sich in Grenzen. Mir persönlich war das Durchschreiten der 40-Prozentmarke wichtig." Umfragen hatten der Partei ein Abrutschen unter diese Schwelle vorausgesagt.

"Turbulenzen"

Ein Wahl-Sieger und vier Verlierer im Ländle
APA20395318_21092014 - BREGENZ - ÖSTERREICH: LANDTAGSWAHL IN VORARLBERG: NEOS-Obmann Matthias Strolz am Sonntag, 21. September 2014, in der Wahlzentrale des Bregenzer Landhauses. FOTO: APA/DIETMAR STIPLOVSEK
Die Voraussetzungen seien schwierig gewesen. Neben den "bundespolitischen Turbulenzen" nennt Wallner das erstmalige Antreten derNeos. Die blieben am Sonntag jedoch klar unter den Erwartungen. Mit 6,9 Prozent und zwei Mandaten gelingt zwar auf Anhieb der Einzug in den Landtag. Doch das Wahlziel von 8 Prozent und drei Mandaten wurde verfehlt. Und damit auch der angepeilte Klubstatus. Eine Regierungsbeteiligung ist ebenfalls außer Reichweite.

Die Grünen bleiben somit der einzige echte Wahlsieger. Denn auch die SPÖ muss ein Minus zur Kenntnis nehmen, das die Sozialdemokratie erstmals österreichweit bei einer Landtagswahl in die Einstelligkeit abstürzen lässt. Zumindest die Mandatsstärke und der vierte Platz konnten gehalten weden.

Ein Wahl-Sieger und vier Verlierer im Ländle
Der Landeshauptmann will nun rasch Gespräche mit den anderen Parteien führen. Am Dienstag sollen FPÖ und Grüne eingeladen werden. Die Öko-Partei dürfte dabei bessere Koalitions-Karten haben. Die SPÖ hat nur theoretische Chancen.Markus Wallner wollte sich am Wahlabend noch keine Präferenzen entlocken lassen. "Am Ende muss eine Partnerschaft rausschauen, die keine Blockaden aufbaut", nennt der Vorarlberger VP-Chef eine Grundbedingung und spricht damit wohl die Grünen an. Die stellen sich gegen zwei große Verkehrsprojekte. "Koalition heißt, Kompromisse eingehen", ist sich aber auch Johannes Rauch bewusst. Welche das sein könnten, verriet er nicht.

Offene Hintertüre

Schwarz-Blau wäre freilich eine Koalition der Verlierer. Zudem betonte Wallner am Sonntag erneut, dass noch über den "Exil-Juden"-Sager von Dieter Egger (FPÖ) aus dem Wahlkampf 2009 gesprochen werden müsse. "Aber jetzt stehen zuerst Sachfragen im Vordergrund", lässt sich der VP-Chef alle Türen offen. Heute tagen seine Parteigremien.


https://docs.google.com/spreadsheets/d/14mbgpqCDjum7hrUhoTWpYEVpvbTcFKw-f7mcy5np4tY/pubchart?oid=1508295301&format=interactive
256
165
no
{"class":"mobile-iframe","frameborder":"0","seamless":""}

Die Erwartung war groß: Im Heimatbundesland von Neos-Frontmann Matthias Strolz muss es ein Heimspiel für diese geben. In Umfragen waren den Pinken zehn Prozent plus prognostiziert worden. Sie hatten zuletzt acht angepeilt. 6,9 sind es geworden. Damit sind die Neos zwar im Landesparlament, bei vorangegangenen Wahlen haben sie im Ländle aber mehr erreicht.

Ist der Höhenflug des quirligen Parteichefs und seiner Truppe beendet? "Es hat 2013 große Wählersehnsucht nach Neuem, anderem gegeben. Das haben die Neos perfekt genützt", sagt der Politologe Peter Filzmaier. Nun reiche nicht mehr, zu sagen, "Wir stehen für andere Politik". Pinke Inhalte und das Personal, das sie vertrete, würden "kritischer beäugt".

Schon im EU-Wahlkampf seien die Neos als Wasserprivatisierer dagestanden. Im Ländle hätten sie begehrt, Wohnbau nicht mehr zu fördern: "Wahlstrategisch wäre nur noch schlimmer, für Lohnkürzungen zu sein." Was bedeutet das für die vier Landtagswahlen im kommenden Jahr? Die Klientel der Pinken wolle, dass die Partei mitregiert, sagt Filzmaier. "Das ist eine Gefahr. Die Chancen sind bei allen nächsten Landtagswahlen mäßig bis schlecht." In Vorarlberg sei das rechnerisch nicht möglich, im Burgenland würde es das wohl auch nicht sein. "In Wien hat SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl eine Koalition mit den Neos bereits ausgeschlossen." In der Steiermark täten sich aller Voraussicht nach Rot und Schwarz wieder zusammen. "Und in Oberösterreich hat sich die schwarz-grüne Zusammenarbeit bewährt", analysiert Filzmaier. Strolzens Problem werde sein, trotz dieser Situation seine Wähler "bis zur Nationalratswahl 2018 bei der Stange zu halten".

Nach der würde sich Strolz ja gerne mit zwei Parteien verbünden, denen die Neos bisher die meisten Stimmen abgeluchst haben – und die nun hoffen, welche zurückzuholen: ÖVP und Grüne. "Das ist meine präferierte Variante für den Bund", sagt Strolz zum KURIER. Jenen, die unken, mit dem Vorarlberg-Resultat nahe das Ende seiner Partei, kontert Strolz mit einem Sager der "Rosaroter Panther"-Zeichentrickfigur: "Heute ist nicht alle Tage, ich komm’ wieder, keine Frage." Abgesehen davon: Zwei der drei Ziele seien im Ländle erreicht worden: "Die absolute Mehrheit der ÖVP ist weg; und wir ziehen in den Landtag ein. Dass wir Klubstärke nicht erreicht haben (dafür wären drei Mandate nötig, die Neos haben zwei), ist ein Wermutstropfen."

Vorbei sei halt der "Hype" um die Neos, sagen Strolz und seine Vize Beate Meinl-Reisinger. An Inhalten mangle es aber nicht; besser vermittelt müssten sie werden. Polit-Gegner verkürzten diese bewusst – Stichwort Wasser und Wohnbau. "Da müssen wir dagegenhalten, ohne unseren Stil, andere nicht schlecht zu machen, aufzugeben." Mit einer Stilfrage erklärt Strolz auch das vergleichsweise matte Ergebnis in seinem Heimatort Dalaas: 12,6 Prozent. Bei der Nationalratswahl waren es 39,9, bei der EU-Wahl im Frühjahr 24,6 Prozent gewesen. "Mein Cousin Christian ist ÖVP-Bürgermeister. Da habe ich mich im Wahlkampf bewusst zurückgehalten."

Neos: Erster Höhenflug jäh gebremst

Fast auf den Tag genau, bei der Nationalratswahl 2013, haben die Neos den Einzug in das Parlament aus dem Stand geschafft. Österreichweit gaben fünf Prozent der Wahlberechtigten der pinken Bewegung die Stimme. Im Ländle kam dem gebürtigen Dalaaser Matthias Strolz der Heimvorteil zugute. Beachtliche13,1 Prozent der Vorarlberger wählten die Neos. Nicht minder erfolgreich schnitt die junge Bewegung – trotz umstrittener Vorschläge wie der Privatisierung des Wassers – bei der Wahl zum Europaparlament im Mai dieses Jahres ab. 14,9 Prozent der Vorarlberger wählten pink. Vier Monate später ist in Strolz Heimat die Zustimmung sogar leicht unter das österreichweite Niveau (8,1 Prozent bei EU-Wahl) gesunken.

Ein Wahl-Sieger und vier Verlierer im Ländle

Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer von der ÖVP war nicht glücklich. Es sei "keine schöne Stunde" für die Volkspartei. Doch trotz der Verluste handle es sich um einen "achtbaren Erfolg für den jungen Landeshauptmann Markus Wallner." Laut Oberösterreichs stellvertretenden Landeshauptmann Reinhold Entholzer von der SPÖ sei das Wahlergebnis in Vorarlberg ein "ernstes Warnsignal" für die Bundesregierung.

In Oberösterreich sind 2015 Landtagswahlen, das Vorarlberger Ergebnis wurde deshalb mit Interesse verfolgt. Oberösterreichs FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner war wegen der leichten Verluste "etwas zwiegespalten". Die FPÖ habe sich zwar auf sehr hohem Niveau stabilisieren können, aber: "Ein Minus schmerzt natürlich." Nicht nur in Oberösterreich sorgte die Wahl im westlichsten aller Bundesländer für Reaktionen. Wiens grüner Klubobmann David Ellensohn fand das Ergebnis "unglaublich". Die Wiener SPÖ übte sich in Optimismus: "Positiv ist, dass der Mandatsstand entgegen den Umfragen gehalten werden konnte", sagte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler. Außerdem seien die Stimmverluste der FPÖ "erfreulich". Genauso wie das Ergebnis der Pinken: "Den Neos wurden offenbar die Flügel gestutzt."

Der Wiener FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus zeigte sich erfreut darüber, dass man in Sachen Mandate den "historischen Sieg" von 2009 halten habe können. In Salzburg zeigte sich Landeshauptmann und ÖVP-Chef Wilfried Haslauer zufrieden und gratulierte Wallner. "Die Vorarlberger Volkspartei ist auch weiterhin die klare Nummer eins im Bundesland." Walter Steidl, SPÖ-Chef in Salzburg, war weniger positiv gestimmt. "Die verlorenen Stimmen gingen wohl zu den NEOS oder den Grünen." Und: "es schmerzt, dass das Ergebnis schlechter ist als vor fünf Jahren." Man müsse nun darüber nachdenken, wie sich die SPÖ in Zukunft als politisches Angebot für die Wähler öffnet.

"Es ist nicht schön, wenn die Sozialdemokratie einstellig wird", sagt Spitzenkandidat Michael Ritsch angesichts magerer 8,8 Prozent. Dabei hatte alles bilderbuchhaft schön, zumindest in puncto Öffentlichkeitswirksamkeit im Wahlkampf begonnen.

Ritsch nahm mit einem Kübel Jolly-Eis an der Ice Bucket Challenge teil – und Kanzler Werner Faymann öffentlich in die Mangel. Ohne Steuerentlastung, ließ Ritsch ausrichten, wäre Faymann bald Geschichte. Kurz darauf schrieb seine Partei selbst Geschichte. Die Sozialdemokraten setzten – ihrer Stimmenstärke im Ländle entsprechend – auf 400 Gartenzwerge als Wahlwerbeträger.

Als die sogenannten Coolmen über Nacht geraubt wurden, schafften sie und deren Spitzenkandidat Ritsch es vom Boden- über den Neusiedler See bis nach Übersee. Zumindest in die Medien.

Dass der Washington Post und der BBC der Zwergenraub eine Meldung wert war, sogar kurzfristig von einem politischen Skandal die Rede war (Ritsch hielt mit seiner Meinung, die ÖVP habe mit dem Verschwinden der Zwerge zu tun, nicht hinterm Berg), half nichts.

Unzufrieden

Die SPÖ hat 1,2 Prozentpunkte verloren, rangiert mit dem einstelligen Ergebnis (8,8 %) auf dem vierten Platz. Ob der Wahlausgang sein Aus in der Partei bedeutet, wollte Ritsch gestern nicht sagen. Er werde erst darüber schlafen, "dann treffe ich eine Entscheidung". Die "Zwergen"-Kampagne sieht er als Erfolg: "Wer weiß, ob wir sonst die drei Mandate gehalten hätten." Ob die Bundespartei an dem ehemaligen Gendarm festhält, bleibt abzuwarten. SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos: "Wir sind nicht zufrieden.

Kommentare