Störgeräusche im Liebeswerben

Landeschef Wallner (VP) trifft heute auf Wahlsieger Rauch (Grüne).
Schwarz-Grün hat vor allem aus der Wirtschaft Gegenwind - Ritsch bleibt SP-Chef.

Ausgelassen haben die Vorarlberger Grünen am Sonntagabend ihren historischen Wahlsieg gefeiert. Spitzenkandidat Johannes Rauch versicherte dabei seinen Anhängern in Hinblick auf mögliche Regierungsverhandlungen: "Wir werden die Hosen nicht runter lassen." Man werde aber dafür kämpfen, dass Vorarlberg nicht schwarz-blau regiert wird.

Diese Zuspitzung auf eine Richtungsentscheidung dürfte den Grünen im Wahlkampf entscheidenden Rückenwind gegeben haben, vermutet man innerhalb der ÖVP. Die war vom derart starken Abschneiden der Öko-Partei ebenso überrascht, wie Rauch und sein Team. Zu denken wird den Schwarzen, die am Sonntag auf 41,8 Prozent (– 9 Prozent) abgestürzt sind, aber auch eine weitere Entwicklung geben: Während die ÖVP in 90 von 96 Gemeinden Verluste einstecken musste, haben die Grünen in 94 Ortschaften dazugewonnen. Sie kamen auf 17,2 Prozent. Ein Wert, den sie noch nie zuvor erreichen konnten.

Sondierungsgespräche

Die Grünen gehen gestärkt in die Sondierungsgespräche, die Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) heute mit allen Parteien führen will. Dieser ließ sich nicht in die Karten blicken, in welche Richtung er tendiert: zu einer Wiederauflage von Schwarz-Blau oder zu Schwarz-Grün.

"Strategisch und langfristig gedacht, ist Schwarz-Grün eine Option", sagte Vorarlbergs Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger im Vorfeld der Sitzungen der obersten VP-Gremien am Montagabend. "Wenn wir die Grünen jetzt nicht einbinden, werden sie in fünf Jahren noch stärker sein", erklärte das Präsidiums-Mitglied. Sachpolitisch wäre es aber mit der FPÖ leichter. Als Knackpunkte zwischen Schwarz und Grün sieht Moosbrugger die Bereiche Wirtschaft und Landwirtschaft.

Aus dieser Ecke kommt der größte Gegenwind für eine Koalition mit der Öko-Partei. So forderte etwa Hubert Bertsch, Präsident der Industriellenvereinigung Vorarlberg, von einer neuen Regierung: "Sie muss sehr wirtschaftsorientiert handeln, die Infrastrukturprojekte umsetzen und die Bürokratie massiv abbauen." Die Grünen sperren sich jedoch u.a. gegen das größte Verkehrsprojekt Vorarlbergs: einen Stadttunnel in Feldkirch.

Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung erhebt auch FPÖ-Chef Dieter Egger. Er ist überzeugt: "Anhand von Sachthemen gibt es so gut wie keine Reibepunkte mit der ÖVP." Die Blauen sind trotz leichtem Minus mit 23,4 Prozent weiter klar die zweitstärkste Kraft im Ländle. Egger steht jedoch nach wie vor sein "Exiljuden"-Sager aus dem Jahr 2009 im Weg. Über den müsse noch geredet werden, meinte Wallner am Sonntag erneut.

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Auch nach der Sitzung des Landesparteivorstands der SPÖ Vorarlberg ist noch nicht klar, ob das erneute Wahldebakel der Sozialdemokraten bei der Landtagswahl am Sonntag nicht doch noch personelle Veränderungen nach sich ziehen wird. Zwar wird SPÖ-Chef Michael Ritsch vorerst im Amt bleiben, er habe aber "nicht das Gefühl, derjenige zu sein, der die SPÖ in fünf Jahren in die Wahl führt", so Ritsch.

Darüber und auch über die inhaltliche und organisatorische Ausrichtung der Partei, soll nun ein parteiinterner Prozess entscheiden, der so rasch wie möglich beginnen soll. In der Sitzung des erweiterten Landesparteivorstands Montagabend habe man auf keine der gestellten Fragen eine klare Antwort gefunden, sagte Ritsch im Anschluss an die viereinhalbstündige Sitzung in Hohenems. "Ich bin nicht sicher, ob ich es sein soll, der nach diesem Prozess die SPÖ in die Zukunft führt", räumte der SP-Chef ein. Er sei zwar "extrem gerne Politiker", stelle sich aber die Frage, ob das immer an vorderster Front sein müsse. Dies habe er auch in der Sitzung offen geäußert und damit die Vertrauensfrage gestellt. Eine "überwältigende Mehrheit" (49 von 51 der Anwesenden) habe sich jedoch eindeutig für ihn als Landesvorsitzenden ausgesprochen.

Noch nichts entschieden

Deshalb soll nun in einem Prozess auch entschieden werden, wie es personell mit der SPÖ weitergehen soll. Wenn sich dabei eine geeignete Person für den Parteivorsitz findet, sei er froh, sagte Ritsch, denn es gebe auch ein Leben ohne Politik. Ob er bei den Gemeindevertretungswahlen im Frühjahr 2015 antreten wird, steht für den SP-Politiker noch nicht fest. "Wahrscheinlich wird mir aber nichts anderes überbleiben", so Ritsch, denn es gebe derzeit niemanden, der das an seiner Stelle tun könne.

Auch Ritschs Stellvertreterin Gabi Sprickler-Falschlunger will noch einmal in Ruhe über einen Rücktritt nachdenken. Eine Entscheidung soll bis in einer Woche fallen, teilte Sprickler-Falschlunger via SMS mit, nachdem sie die Sitzung sichtlich enerviert bereits frühzeitig verlassen hatte. Dass die Diskussion nicht ganz ohne Emotionen abging, bestätigte auch Landesgeschäftsführer Reinhold Einwallner. Die Nerven lägen nach dem Wahlkampf und dem schlechten Ergebnis doch bei vielen blank, sagte Frauensprecherin Olga Pircher. Sprickler-Falschlunger sei "sehr enttäuscht und traurig" über die Wahlmisere gewesen, erklärte der SPÖ-Chef und das sei er auch. Trotzdem könne man nicht sofort alles hinwerfen, "denn was passiert dann mit der Partei", so Ritsch.

Sprachlose Partei

Ob des Wahlausgangs sei man in der Partei "total sprachlos". Sowohl das Team für die Landtagswahl als auch das Programm seien richtig gewesen. Ohne den Zwergen-Wahlkampf wäre man "wahrscheinlich aus dem Landesparlament gefallen und die NEOS hätten uns - wie prognostiziert - überholt", zeigte sich Ritsch überzeugt.

Dass eine rote Regierungsbeteiligung kaum infrage kommen wird, ist den Sozialdemokraten bewusst. Einerseits hätte Schwarz-Rot nur ein Mandat Überhang, andererseits würde es sich um eine Zusammenarbeit der Verlierer handeln. Eine entsprechende Koalition sei daher "sehr, sehr unwahrscheinlich", hatte Landesgeschäftsführer Reinhold Einwallner bereits Montagvormittag gesagt.

Mit 8,8 Prozent (vorl. Endergebnis) fiel die SPÖ in Vorarlberg erstmals seit 1945 bei einer Bundes- oder Landeswahl unter die Zehn-Prozent-Marke. Damit bestätigte sich das Land als das allerschwierigste für die SPÖ. Der Nachbar Tirol ist mit 13,7 Prozent das zweitschwächste Land.

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