Freie Fahrt für Steuer-Abstimmung?

Freie Fahrt für Steuer-Abstimmung?
Parteien wollen die Wähler mehr mitreden lassen. Das Was und das Wie sind umstritten.

Sie lagen in Gemeindeämtern auf, um erst von den Bürgern unterschrieben und dann vom Parlament vergessen zu werden: So könnte man – überspitzt – beschreiben, was Volksbegehren bislang konnten, oder genauer: Was sie nicht konnten.

Dass dieses Instrument der direkten Demokratie einer Reform bedarf, daran besteht für professionelle Beobachter seit Jahren kein Zweifel. Das Wie war bis zuletzt umstritten – insbesondere in der Regierung.

Umso bemerkenswerter war es, dass SPÖ-Klubchef Josef Cap via KURIER am Wochenende erklärte, die Kanzlerpartei könne sich einen „Automatismus“ (stark unterstützte Volksbegehren sollen zwingend einer Volksbefragung unterzogen werden, Anm.) vorstellen.

Wäre das die Aufwertung der direkten Demokratie? Womit ist zu rechnen – aber vor allem: Wo liegen die Risiken? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum sind alle Parteien für den Automatismus?

Die Bewegung beim so genannten „Demokratie-Paket“ ist vor allem der bevorstehenden Nationalratswahl geschuldet. Zuletzt haben alle Oppositionsparteien und auch die ÖVP erklärt, dass Volksbegehren aufgewertet werden sollen, indem sie ab einem bestimmten Wert an Unterstützern (Opposition: ab 4 % der Wahlberechtigten, ÖVP: ab 10 %) zu einer verpflichtenden Volksbefragung (siehe rechts unten) führen. Die SPÖ wäre als Blockierer übrig geblieben – im Wahlkampf kann man das so gar nicht gebrauchen. Man lenkte ein und hofft im Gegenzug auf die Unterstützung der ÖVP beim Lehrerdienstrecht.

Welche Reform steht bei Volksbegehren bevor?

Freie Fahrt für Steuer-Abstimmung?
Die ÖVP hat der SPÖ am Montag einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der bei gutem Willen im Hohen Haus noch im Juli beschlossen werden könnte. Im Wesentlichen sieht er Folgendes vor: Volksbegehren können online unterstützt werden – sowohl beim Sammeln der 8000 Unterschriften für die Einleitung, wie auch in der späteren Eintragungswoche; die Autorisierung erfolg per Handy-Signatur oder Bürgerkarte. Kern der geplanten Aufwertung ist, dass „qualifiziert unterstützte Volksbegehren“ (Begehren, die von zumindest 10 Prozent der Wahlberechtigten, das heißt 635.000 Menschen unterschrieben werden) vom Parlament ernster genommen werden: Es soll eigene Sitzungen und ein Rederecht für Proponenten geben. Aber vor allem soll es über das Anliegen eine verpflichtende Volksbefragung geben – sofern das Parlament die Inhalte nicht ohnehin umsetzt.

Darf bei dieser verpflichtenden Volksbefragung alles abgestimmt werden?

Nein. Abgesehen von der „qualifizierten Unterstützung“, also den 10 Prozent, gibt es im VP-Vorschlag noch andere Voraussetzungen, damit ein Volksbegehren zur Volksbefragung führen darf: Das Begehren muss bereits als konkreter Gesetzesvorschlag eingebracht werden, und es gibt Ausschluss-Kriterien: Gesamtänderungen der Verfassung, das EU-Recht, die Menschenrechte oder völkerrechtliche Verträge stehen nicht zur Disposition. Konkret heißt das: Volksbegehren über Kirchenprivilegien (Konkordat ist ein völkerrechtlicher Vertrag) oder etwa einen EU-Austritt werden gar nicht Thema.

Wer entscheidet, ob das Parlament die Inhalte eines Volksbegehrens umgesetzt hat oder ob eine Volksbefragung rechtlich unmöglich ist?

Das soll zunächst das Parlament entscheiden. Allerdings haben die Proponenten des Volksbegehrens die Möglichkeit, den Beschluss beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Was fürchten die Kritiker?

Insbesondere die Tatsache, dass Budget-Fragen nicht ausgenommen sind, wird als problematisch betrachtet. Der renommierte Politikwissenschafter Fritz Plasser beschreibt ein Szenario: „Stellen wir uns vor, ein Volksbegehren fordert, das Finanzministerium solle den Österreichern die kalte Progression der letzten fünf Jahre abgelten, also auszahlen.“ Dieser Wunsch könne auch bei einer späteren Volksbefragung eine Mehrheit bekommen. „Da geht es dann um Hunderte Millionen Euro. Das Parlament hat formal zwar das letzte Wort und ist nicht verpflichtet, Ergebnisse der Volksbefragungen umzusetzen. Der politische Druck wäre aber enorm.“

Könnten Volksbegehren künftig tatsächlich über Steuerfragen stattfinden?

Theoretisch ja. Josef Cap würde das wohl gefallen – immerhin könnte man dann Befragungen über höhere Vermögenssteuern abhalten. Und so sagte Cap bei der gestrigen Klubklausur: „Es kann schon sein, dass Gerechtigkeitsfragen wie eine Millionärssteuer dann eine nicht unbedeutende Rolle spielen.“

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