Österreich hat heute die Wahl: Berufsheer oder Wehrpflicht?

APA11064170 - 20012013 - WIEN - ÖSTERREICH: BUNDESHEER-VOLKSBEFRAGUNG - Eine Frau bei der Stimmabgabe am Sonntag, 20. Jänner 2013, in Wien. In einer bundesweiten Volksbefragung, können die Wahlberechtigten über die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht oder die Einführung eines Berufsheeres abstimmen. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
6,3 Millionen Bürger sind heute zur Volksbefragung aufgerufen. Alle wichtigen Infos im KURIER-Überblick.

Heute könnte sich die Zukunft des österreichischen Bundesheers entscheiden: 6,3 Millionen Österreicher sind am Sonntag aufgerufen, bei der ersten bundesweiten Volksbefragung über Beibehaltung oder Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht abzustimmen. Der Ausgang ist mehr als ungewiss - die letzten Umfragen deuten allerdings auf ein knappes Ja zur Wehrpflicht hin. Die ersten Ergebnisse sollten gegen 17.30 Uhr vorliegen.

Einige Wahllokale haben bereits seit 6.00 Uhr geöffnet, die meisten erst seit 7.00 oder 8.00 Uhr. Auch die Schließzeiten sind unterschiedlich. Die maximale Öffnungszeit bis 17 Uhr nützen nur Wien, Innsbruck und drei niederösterreichische Gemeinden. In allen anderen Städten und Gemeinden ist früher Wahlschluss. In Vorarlberg, wie üblich, schon um 13.00 Uhr. Eine Liste aller Wahllokale finden Sie hier.

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BUNDESHEER-VOLKSBEFRAGUNG: STIMMABGABE FAYMANN
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Der KURIER wird minutenaktuell und umfassend von der Volksbefragung berichten. Alle aktuellen Infos und Hintergrundberichte zur Volksbefragung finden Sie unter kurier.at/thema/wehrpflicht

Wahlbeteiligung entscheidend

Österreich hat heute die Wahl: Berufsheer oder Wehrpflicht?

Beobachter gehen davon aus, dass vor allem die Wahlbeteiligung zu einem entscheidenden Faktor werden könnte. Letztlich werde es drauf ankommen, welche Partei die meisten Anhänger mobilisieren konnte, glauben die Meinungsforscher. Sie rechnen mit einer Beteiligung von maximal 40 Prozent - zum Vergleich: bei der letzten Nationalratswahl 2008 betrug die Wahlbeteiligung knapp über 70 Prozent. Die Parteien rührten in den vergangenen Tagen daher noch einmal kräftig die Werbetrommel und riefen die Bürger zu einer Teilnahme auf.

Volksbefragung rechtlich nicht bindend

Eine bundesweite Volksbefragung ist übrigens eine Premiere in Österreich. Sie ist rechtlich nicht bindend, die Regierungsparteien haben sich allerdings verpflichtet, dem Votum der Wähler zu folgen. Die Abstimmung ist der Höhepunkt eines mittlerweile über zwei Jahre andauernden Streits zwischen den beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. Ausgelöst wurde die Debatte vom Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), der kurz vor der Wien-Wahl 2010 eine Abstimmung über die Abschaffung der Wehrpflicht forderte. Seitdem hat die SPÖ ihre Meinung geändert und tritt - tatkräftig von der Kronen-Zeitung unterstützt - für die Einführung eines Berufsheeres ein. Die ÖVP ging bei diesem Meinungsschwenk nicht mit und hält an Wehrpflicht und Zivildienst fest. Damit ist die Volksbefragung zu einer Art Vorwahlkampf für die im Herbst anstehende Nationalratswahl geworden - mit Untergriffen auf beiden Seiten (siehe Bildergalerie).

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Hannes Rauch
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Johanna Mikl-Leitner
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Karl Blecha verhandelt demnächst die Pensionsanpassung. Er will für Bezieher kleiner Pensionen viel erreichen.
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Hundstorfer
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REUTERSAustrian civil cervants (GOeD) leader Fritz Neugebauer attends a news conference in Vienna November 29, 2011. REUTERS/Lisi Niesner (AUSTRIA - Tags: POLITICS BUSINESS EMPLOYMENT)
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Former Austrian Chancellor Franz Vranitzky poses f
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NATIONALRAT: BUCHER

Schluss mit „Wahlkampf“: Am Sonntag entscheidet Österreich über die Zukunft der Militärs. Was spricht für die Wehrpflicht, was für ein Berufsheer? Für Spät-Entschlossene und all jene, die zuletzt ein wenig den Überblick verloren haben, hat der KURIER die Parteizentralen von ÖVP und SPÖ ein letztes Mal um die stärksten Argumente für das jeweils präferierte Modell gebeten:

10 Argumente für die Wehrpflicht

1. Ausreichende Hilfe im Notfall

Nur die Wehrpflicht, so heißt es in der ÖVP, ist der Garant für ein Bundesheer mit der notwendigen Mannstärke beim Katastrophenschutz. Ein Berufsheer kann niemals die bereitgestellte Mannstärke für Assistenzeinsätze bei Naturkatastrophen aufbringen.

2. Die Wehrpflicht ist der Garant der Neutralität

Nicht Berufsarmeen sind der Trend in anderen EU-Ländern, sondern die NATO. Schweden, das oft als Vorzeige-Beispiel genannt wird, hat kürzlich die Wehrpflicht abgeschafft und diskutiert den NATO-Beitritt. Ein Berufsheer wäre der Anfang vom Ende der Neutralität.

3. Fällt die Wehrpflicht, fällt der Zivildienst

Der Zivildienst ist mit der Wehrpflicht in der Verfassung verankert. Würde die Wehrpflicht abgeschafft, wäre in einem Schlag auch der Zivildienst Geschichte. Ein bezahltes Sozialjahr schafft ein Zweiklassensystem an bezahlten und freiwilligen Helfern.

4. Das Berufsheer führt zum Sparpaket

Jeder Experte ohne Naheverhältnis zu Darabos bestätigt, dass das Berufsheer doppelt so hohe Kosten verursacht. Finnland hat errechnet, dass ein Umstieg das Vierfache kostet – und hält an der Wehrpflicht fest.

5. Die Wehrpflicht sichert das Ehrenamt

Bis zu 70 Prozent der Zivildiener bleiben nach dem Zivildienst ehrenamtlich tätig. Der Zivildienst ist oft der ausschlaggebende Grund für junge Männer, auch nach dieser Zeit ehrenamtlich tätig zu sein.

6. Die Wehrpflicht sichert die Aufgaben des Heeres

Der Darabos-Plan, die Wehrpflicht ab 2014 auszusetzen, hätte zur Folge, dass 3 von 4 Soldaten wegfallen – Soldaten, die wir jahrzehntelang ausgebildet haben. Es wäre ökonomischer Unsinn, diese Soldaten zu entlassen.

7. Die Wehrpflicht garantiert die souveräne Landesverteidigung

Für die vielfältigen Bedrohungsszenarien (Cyber-Attacken, terroristische Angriffe, regionale Krisenherde) brauchen wir ein vielseitig einsetzbares Bundesheer. Wir wollen auch in Zukunft die Souveränität unseres Landes verteidigen.

8. Die Wehrpflicht sichert ein Heer aus dem Volk für das Volk

Die Wehrpflicht ist fest im Volk verankert und eine Stütze unserer solidarischen Gesellschaft. Die Wehrpflicht war immer Hort der demokratischen Entwicklung.

9. Ein Berufsheer bedeutet weniger Leistung

Weniger Soldaten zu höheren Kosten ist ein schlechtes Angebot. Für die Wehrpflicht sprechen 60 Jahre Erfahrung und Schutz.

10. Bewährtes Reformieren

Es macht mehr Sinn, Bewährtes zu reformieren, statt mit Unbekanntem zu experimentieren.

10 Argumente für das Berufsheer

1. Der internationale Trend geht zum Berufsheer

Die internationale Entwicklung zeigt klar in Richtung Abschaffung der Wehrpflicht hin zur Professionalisierung. 21 von 27 EU-Mitgliedstaaten haben Profi-Armeen. Seit dem Ende des Kalten Krieges gibt es keine konventionellen militärischen Bedrohungen. Die Neutralität wird dadurch nicht berührt. Auch neutrale und Allianz-freie Staaten haben Profi-Heere, sagt die SPÖ.

2. Nur ein Berufsheer löst die neuen Herausforderungen

Im 21. Jahrhundert muss das Heer Cyberkriminalität abwehren, Terrorismus bekämpfen, Auslandseinsätze leisten oder Staatsbürger evakuieren. Auch bei Umweltkatastrophen sind Massenheere mit Grundwehrdienern die falsche Antwort.

3. Ein Berufsheer ist weitaus effizienter

Ein Berufsheer macht Schluss mit dem ineffizienten Zwangsdienst. Jährlich werden 24.000 Männer für sechs Monate einberufen. 14.400 Grundwehrdiener – das sind 60 Prozent – finden keine soldatische Verwendung. Sie dienen als Küchengehilfen, Schreiber, etc. Durch den Grundwehrdienst ergibt sich nach der zweimonatigen Grundausbildung eine Nutzungszeit von nur 4 Monaten.

4. Das Heer muss schlank werden

Das Bundesheer der Zukunft ist eine schlanke Armee. 55.000 Soldaten sind für die Mobilmachung nötig – und das kann auch ein Profi-Heer mit starker Milizkomponente erfüllen.

5. Das Berufsheer funktioniert, das Modell ist darstellbar

Mit dem von der SPÖ angepeilten Profi-Heer werden alle Einsätze im In- und Ausland abgedeckt. Das Profi-Heer besteht aus 8500 Berufssoldaten, 7000 Zeitsoldaten, 9300 Profi-Milizsoldaten, 6500 Zivilbediensteten – und 23.000 beorderten Milizsoldaten.

6. Ein Berufsheer ist bestens in der Bevölkerung verankert

Die 9300 Mann starke Profi-Miliz garantiert die Verankerung der Armee in der Gesellschaft. Die Kräfte werden überwiegend in regionale Strukturen eingebettet sein und durch die Militärkommanden der Bundesländer geführt.

7. Ein Berufsheer stärkt die Katastrophenhilfe sogar

Mit dem Darabos-Modell, sagt die SPÖ, hätte Österreich „auf Knopfdruck“ 24.800 Soldaten für Einsätze verfügbar. Derzeit sind es nur 20.000.

8. Ein Berufsheer bietet im Ernstfall mehr Qualität

Naturkatastrophen haben oft außergewöhnliche Ausmaße und bedürfen spezieller Fähigkeiten wie Evakuierungen mit Hubschraubern, etc. Das Profi-Heer ersetzt Rekruten durch motivierte Profi-Soldaten. Sie sind besser ausgebildet und „eingespielter“ als Grundwehrdiener und zehren aufgrund der längeren Dienst-Dauer von ihren Erfahrungen.

9. Ein Berufsheer ist ein innovativer Arbeitgeber

Durch Anreize und Prämien, kurzum durch innovative Ansätze bei Verpflichtungsdauer, beruflicher Weiterbildung etc. ist das Rekrutierungsziel erreichbar und das Heer wird ein attraktiver Arbeitgeber. Schon jetzt melden sich 6000 bis 8000 Freiwillige für das Bundesheer – ohne Prämien.

10. Die Demokratie und nicht die Wehrpflicht schützt vor einem möglichen Missbrauch der Armee

Nicht die Heeresstruktur, sondern die Staatsform ist der entscheidende Faktor, wie sich eine Armee innerstaatlich verhält. Es gibt Diktaturen, die ihre Wehrpflichtigen-Armeen gegen die Bevölkerung einsetzen. Aktuelles Beispiel: Syrien. (Christian Böhmer)

Gewiss, ganz theoretisch hat in einer Demokratie das Volk immer recht. Praktisch gilt das aber wohl nur, wenn ein bestens informiertes Volk in relevanter Repräsentation seine Entscheidung trifft. Diese Voraussetzungen wird die heutige Volksabstimmung über die Zukunft des Bundesheeres nicht erfüllen.

Für den Tag danach wird die Entscheidung viele Antworten geben, aber nicht die richtige und einzig wichtige auf die eigentliche Frage. Weder wurden die Österreicher – trotz großer Bemühungen der anständigen Medien gegen Parteien-Propaganda und Boulevard-Kampagnen – auch nur annähernd ausreichend in der Sache informiert, um kompetent entscheiden zu können. Noch kann es befriedigen, wenn 15, vielleicht auch 20 Prozent der Wahlberechtigten eine Grundfrage des Staates endgültig entscheiden.

Dafür wird man ab morgen analysieren können, welche der beiden Koalitionsparteien in diesem Probewahlkampf besser mobilisieren konnte. Für die ÖVP geht es nicht nur um einen Schub für die Landtagswahl von Befragungs-Erfinder Pröll. Wie für Koalitionspartner SPÖ lässt sich auch Schwung für das Finale der Regierungsarbeit und die Nationalratswahl im Herbst holen.

Geklärt wird mit der Befragung auch eine wichtige demokratiepolitische Frage. Wie weit nämlich die notorischen Kampagnisierer der Kronenzeitung und das von öffentlichen Anzeigen angefütterte Österreich die Bevölkerung tatsächlich manipulieren können.

Probleme für das Heer bleiben

Sicherlich nicht lösen wird die Volksbefragung die akuten Probleme des Bundesheeres. Gewinnen die Wehrpflicht-Befürworter, worauf die Umfragen hindeuten, steht das Militär vor ebenso unvermeidlichen wie schwierigen Reformen. Die kosten viel Geld und setzen einen Reformwillen voraus, den Wehrpolitiker beider Koalitionsparteien seit Jahren vermissen ließen.

Unvorstellbar nebenbei, dass Darabos nach einem neuerlichen Meinungs-Salto diese Reform als Minister umsetzen könnte.

Fällt die Entscheidung für das Berufsheer, dann steht das Militär vor einigen Jahren eines komplexen und finanziell ebenfalls sehr aufwendigen Umbaus mit ungewissen Erfolgsaussichten.

Diese Volksbefragung ist in ihren Motiven verlogen, in der Fragestellung unbefriedigend und im Ergebnis fragwürdig.

Und doch sollte man dieses Instrument der direkten Demokratie nicht gleich beiseitelegen. Auf Basis seriöser Information, mit klarer Fragestellung und mit einer neuen Regelung für eine bindende Mindestbeteiligung könnte die Volksbefragung tatsächlich ein Blockadebrecher für die Lösung großer, von einbetonierten Parteien nicht lösbarer Reformen werden.

Man muss sich in den Parteien dann nur an den Slogan halten, den die Wiener SPÖ in der 70er-Jahren ernsthaft plakatierte: „Keine dummen Fragen stellen.“

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