VfGH prüft Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich

(Symbolbild)
Anwalt des Rechtskomitees Lambda zuversichtlich: "Ehe für alle" könnte bereits mit Jahresbeginn 2018 kommen. Eingetragene Partnerschaft würde gestrichen.

Österreich, eines der Bollwerke der reinen Hetero-Ehe in Westeuropa, könnte trotz des Widerstands von ÖVP und FPÖ nun doch fallen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) teilte am Dienstag mit, dass er die Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare prüft. Anwalt Helmut Graupner vom Rechtskomitee Lambda zeigte sich gegenüber der APA zuversichtlich, dass die "Ehe für alle" schon Anfang 2018 kommen könnte.

Der VfGH hat eine amtswegige Prüfung jener gesetzlichen Bestimmungen eingeleitet, die für heterosexuelle Paare die Ehe und für homosexuelle Paare die eingetragene Partnerschaft vorsehen. Grundlage ist, dass (auch aufgrund von VfGH-Urteilen) gleichgeschlechtliche Paare verschiedengeschlechtlichen mittlerweile weitgehend gleichgestellt sind, bis hin zur gemeinsamen Elternschaft. Dennoch bestehen weiterhin unterschiedliche Rechtsinstitute.

Auch "vor dem Hintergrund einer bis in die jüngste Vergangenheit reichenden rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung von Personen gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung" hat der VfGH in seinem Prüfungsbeschluss vom 12. Oktober 2017 Bedenken, dass diese Differenzierung eine unzulässige Diskriminierung im Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung darstellt.

Eingetragene Partnerschaft würde gestrichen

Konkret prüft der VfGH die Wortfolge "verschiedenen Geschlechts" in Paragraf 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sowie das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG) zur Gänze. Anlass des Verfahrens ist die Beschwerde von in eingetragener Partnerschaft lebenden Frauen, die die Zulassung zur Begründung einer Ehe beantragt haben. Dieser Antrag wurde vom Magistrat der Stadt Wien und in der Folge vom Verwaltungsgericht Wien mit dem Hinweis auf § 44 ABGB abgelehnt.

In seinem Prüfungsbeschluss stellt der VfGH dar, wie sich die Rechtslage seit der Schaffung des EPG entwickelt und zur weitgehenden Angleichung von Ehe und eingetragener Partnerschaft geführt hat. Dennoch bestehen unterschiedliche Rechtsinstitute "für sonst in ihrem Wesen und ihrer Bedeutung für den individuellen Menschen grundsätzlich gleiche Beziehungen".

Doch selbst bei einer völlig gleichen Ausgestaltung dieser beiden Institute dürfte die Beibehaltung verschiedener Bezeichnungen "zum Ausdruck bringen, dass Personen mit gleichgeschlechtlicher sexueller Orientierung unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes eben nicht gleich den Personen mit verschiedengeschlechtlicher Orientierung sind".

Gesetzesprüfungsverfahren wird eingeleitet

Der VfGH wird nun ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten, um zu klären, ob die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken zutreffend sind. In diesem Verfahren werden schriftliche Stellungnahmen u.a. von der Bundesregierung eingeholt. Eine Entscheidung sei in einer der nächsten Sessionen des VfGH zu erwarten. Auf einen genaueren Zeitplan wollte man sich auf Nachfrage nicht festlegen.

"Sehr zuversichtlich"

VfGH prüft Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare in Österreich
ABD0129_20150121 - WIEN - ÖSTERREICH: Zuschauer Anwalt Helmut Graupner während der Nationalrats-Debatte "Fortpflanzungsmedizingesetz" am Mittwoch, 21. Jänner 2015, im Parlament in Wien. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER
Anwalt Helmut Graupner (Bild), der die Frauen vertritt, rechnet mit einem Beschluss noch im Dezember, und zwar im Sinne seiner Mandantinnen. "Wir sind überglücklich", sagte er zur APA. Er sei "sehr zuversichtlich", denn nach menschlichem Ermessen gebe es kein gegen eine Öffnung sprechendes inhaltliches Argument mehr. Wenn alles gut geht, "könnten erste Paare Anfang 2018 heiraten", freute er sich.

Der VfGH sei seiner Seite in allen Argumenten gefolgt und gebe seine eigene Rechtsprechung in der Sache auf, betonte Graupner. Bisher habe der Gerichtshof die Ansicht vertreten, dass zwei verschiedene Rechtsinstitute zulässig seien, mit der einzigen Begründung, dass nur die Ehe auf die Möglichkeit der Elternschaft ausgerichtet sei.

"Permanentes Zwangsouting"

Mittlerweile seien aber völlig gleiche Familiengründungsrechte durchgesetzt. Diskriminiert seien aber weiter die Kinder, weil sie in einer Eingetragenen Partnerschaft zwangsweise unehelich seien. Zudem seien die Partner einem "permanenten Zwangsouting" ausgesetzt. Hier sei der VfGH nun der Argumentation des Rechtskomitees vollständig gefolgt. Graupner hob auch hervor, dass der VfGH nicht nur die Beschwerde des Paars, sondern auch des Kindes zugelassen habe.

"Traurig, wenn die Politik die letzten 20 Jahre nichts weiterbringt"

Dass die "Ehe für alle" damit ohne Parlamentsbeschuss, sondern mittels Aufhebung des EPG und des Passus "verschiedenen Geschlechts" aus dem ABGB erfolgen könnte, "ist uns fast lieber", so Anwalt Graupner, denn dies könnte dann nur noch mittels Verfassungsmehrheit ausgehebelt werden. Dennoch sei es "traurig, wenn die letzten 20 Jahre die Politik nichts weiterbringt" und auch die letzte Frage vor Gericht entschieden werden müsse.

ÖVP habe "immer blockiert, jeden Millimeter"

Die ÖVP habe in diesem Gleichstellungsbereich "immer blockiert, jeden Millimeter", die Höchstgerichtsentscheidungen letztlich aber immer akzeptiert. Ähnlich sei dies in den letzten 21 Jahren bei der FPÖ gewesen. SPÖ, Grüne und NEOS hatten sich hingegen im Windschatten der deutschen Entscheidung für eine Öffnung auch in Österreich stark gemacht.

Die Prüfung der Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare durch den Verfassungsgerichtshof ist in der Community und von Befürwortern der "Ehe für alle" bejubelt worden. Von den politischen Parteien freuten sich SPÖ und NEOS.

"Dass der Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren erstmals klar die generelle Diskriminierung zwischen der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft erkennt, ist ein immens wichtiger Schritt auf dem Weg zu gleichen Rechten für alle ÖsterreicherInnen", erklärte Bundesrat Mario Lindner, Vorsitzender der sozialdemokratischen LSBTI-Organisation SoHo, in einer Aussendung.

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak stellte fest: "Nach der Bevölkerung ist möglicherweise auch die Judikatur der Politik einen Schritt voraus" und komme "den ewiggestrigen Parteien ÖVP und FPÖ zuvor". Aber: "Es wäre bedeutend besser, wenn das Parlament endlich selbst die Ehe öffnet und sich nicht weiter drückt", so Scherak.

Bei den Grünen kommentierte Alev Korun die VfGH-Prüfung auf Twitter mit einem "Yes".

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