Verwaltungsgericht kippt Burkini-Verbot

Wieder erlaubt: Kurze wie lange Badebekleidung an französischen Stränden
Menschenrechtler hatten Einspruch erhoben. Bestrafte Frauen bekommen ihr Geld zurück.

Nach wenigen Wochen Burkini-Verbot an französischen Stränden könnte die neue Kleidungsvorschrift auch schon wieder Geschichte sein. Der Pariser Staatsrat, das Oberste Verwaltungsgericht des Landes, hat am Freitag entschieden, dass das Verbot des Ganzkörper-Badeanzuges in der Gemeinde Villeneuve-Loubet ausgesetzt werden muss. Jene Frauen, die dort eine Strafe für das Tragen eines Burkini zahlen mussten, können ihr Geld zurückverlangen.

Freiheitsrechte könnten – so das Urteil – nur bei "erwiesenen Risiken" für die öffentliche Ordnung eingeschränkt werden.

Die Gemeinde Villeneuve-Loubet in der Nähe von Nizza war eine der ersten von rund 30, die in den vergangenen Wochen per Bürgermeister-Dekret ein entsprechendes Verbot eingeführt hatten. Gegner des Burkini-Verbots sprechen nun von einer "Grundsatzentscheidung" des Staatsrates in Hinblick auf die übrigen Gemeinden. Sie erwarten, dass deren Regeln aufgehoben oder die Aufhebungen vor Gericht erstritten werden.

Der Einspruch kam vor wenigen Tagen von der französischen Menschenrechtsliga und dem Kollektiv gegen Islamophobie in Frankreich, die die Kleidungsvorschrift in Villeneuve-Loubet beanstandet haben. Das in der ersten Instanz zuständige Verwaltungsgericht von Nizza hielt aber am vergangenen Montag an dem Verbot fest. Es sei "notwendig, angemessen und verhältnismäßig".

Spannungen

In Frankreich gilt seit 2011 ein Verbot der Vollverschleierung (Burka, Niqab, Anm.) in der Öffentlichkeit. Zudem sind seit 2004 bereits "auffällige religiöse Symbole" in Schulen untersagt. Doch das Verbot des Burkinis, einer langärmeligen Badebekleidung für (muslimische) Frauen, die auch Haare und Nacken bedeckt, hat weltweit für Aufsehen gesorgt.

Seit den Terroranschlägen von 2015 und 2016 herrscht in Frankreich eine "extreme Spannung", wie es etwa der Bürgermeister der Stadt Antibes, Jean Leonetti, bezeichnet. (Seine Stadt verzichtete bisher auf ein Verbot von Burkinis.) Jene Gemeinden, die ein entsprechendes Verbot eingeführt haben, beziehen sich auf den Burkini als Symbol für eine "radikale Auslegung des Islam". Muslimische Badebekleidung könne – so die Argumentation der Bürgermeister – als Provokation empfunden werden und zu Störungen der öffentlichen Ordnung führen.

Weltweit – aber insbesondere in Frankreich – wurde seither über die Sinnhaftigkeit dieses Verbots diskutiert. Zuletzt hatte sich Bildungsministerin Najat Vallaut-Belkacem zu Wort gemeldet: "Das (Verbot, Anm.) ebnet den Weg für rassistische Parolen." Dafür erhielt sie gleich eine Rüge ihres Premierministers Manuel Valls, der das Verbot nicht infrage gestellt sehen wollte.

Präsident François Hollande bemühte sich um Neutralität in der Debatte. Er versuchte eher, die Stimmung zu beruhigen: Er verbiete sich jede "Provokation und Stigmatisierung".

Nicolas Sarkozy andererseits, der im nächsten Jahr für die Konservativen als Präsident kandidieren will, versuchte zuletzt, eine allgemeine Debatte über die Identität der Franzosen anzustoßen. Er befürwortet Burkini-Verbote.

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