Verfassungsjurist Mayer: Politik will mitmischen

Verfassungsjurist Heinz Mayer kritisiert nicht nur den Entwurf des geplanten Normgesetzes sondern auch die Haltung der Politik.
Das geplante Normengesetz sei "krass verfassungswidrig" und vergleichbar mit der Haltung der Politik zur Universität.

Das von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) geplante neue Normengesetz sei "krass verfassungswidrig", sagt der Verfassungsjurist Heinz Mayer. "Das hat jemand geschrieben, so als gäb's keine Verfassung", sagte Mayer am Mittwochabend in einem Pressegespräch in Wien. Das Wirtschaftsministerium weist die Kritik zurück.

Hier gelangen Sie zum Entwurf des geplanten Normengesetzes

Austrian Standards, das frühere Normungsinstitut, hat den Entwurf für das neue Normengesetz von Anfang an als "nicht umsetzbar" abgelehnt und diese Position nun durch ein Gutachten des prominenten Verfassungsexperten untermauert. Der Entwurf zeige "ein erschreckendes Gesamtbild", sagte die Direktorin von Austrian Standards, Elisabeth Stampfl-Blaha. "Daher ist unser Plädoyer: Zurück an den Start."

Verein wird obsolet

Der Entwurf enthalte in Paragraph 4 die "groteske Bestimmung", wonach das Leitungsorgan des Vereins (Austrian Standards) in seiner Satzung vorsehen müsse, dass ein Vertreter des Bundes und einer der Länder Mitglied zu sein habe und dass die wichtigen Beschlüsse einstimmig zu fassen seien. "Das bedeutet aber, dass der Vertreter des Ministeriums oder der Länder jeden Beschluss blockieren kann", erläuterte Mayer im Detail. "Damit ist der Verein weg, den gibt's nimmer." Der Verein als verfassungsrechtliches Konstrukt würde damit zerstört.

"[...] so wie wenn ein Volksschüler sich hinsetzt und einen Roman schreibt."

Außerdem müsse ein Verein in Rahmen seiner Privatautonomie auch befugt sein, für seine Leistungen ein Entgelt zu verlangen. Es sei "krass verfassungswidrig", das zu verbieten. "Es kann nicht der Gesetzgeber einem Privatrechtssubjekt verbieten, ein Entgelt für eine erbrachte Leistung zu verlangen. Das ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit, die verfassungsrechtlich geschützt ist." Der Entwurf sei "so wie wenn ein Volksschüler sich hinsetzt und einen Roman schreibt", bewertete Mayer die Qualität des Gesetzesentwurfs.

Politik will mitmischen

Für Stampfl-Blaha "atmet dieser ganze Entwurf sein Obrigkeitsdenken, das erschütternd ist. Man will uns mit einem verstaubten Retro-Gesetz fesseln." Für Mayer ist es "vergleichbar mit der Haltung der Politik zur Universität. Die Politik will keine Institutionen, wo sie nicht mitmischen kann."

Das Wirtschaftsministerium hat die Kritik von Mayer und Stampfl-Blaha in einer Aussendung umgehend zurückgewiesen. Das Gesetz solle die Transparenz und Steuerung des nationalen Normenwesens verbessern, um die von Wirtschaftstreibenden beklagte Normenflut einzudämmen. Daher sei das Aufsichtsrecht gestärkt worden, in die Vereinsfreiheit habe man nicht eingegriffen.

Einspruchsrecht gegen Normungsanträge

Der Entwurf sei unter anderem mit dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt rechtlich abgestimmt worden, betonte das Ministerium am Dienstag in einer Aussendung. Das neue Gesetz solle eine kostenlose Teilnahme an der Normung ermöglichen. Weiters werde eine Normung in Zukunft nur mehr auf Antrag mit konkreten Begründungen erfolgen.

Bei der Schaffung von Normen müssten auch die Kosteneffekte beachtet werden. Zusätzlich solle es ein neues Einspruchsrecht gegen Normungsanträge geben, das vor einer gesetzlich vorgeschriebenen Schlichtungsstelle behandelt werde.

Die nationale Stellungnahmefrist für das Gesetz geht am 3. August zu Ende, am 24. September die europäische. Das neue Normengesetz soll am 1. Jänner 2016 in Kraft treten.

Kommentare