Van der Bellen sieht kein Hindernis für Neos-Regierungsbeteiligung

Bundespräsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen beim NEOS-Hearing
Alexander Van der Bellen ist derzeit der Frontrunner für die Hofburg. Was macht den grünen Kandidaten auch für SP-, VP- und Neos-Sympathisanten attraktiv?

Es war kein Feindesland, in dem sich Alexander Van der Bellen am Dienstagabend bei einem Hearing bewegte, aber auch nicht seine grüne Heimat: Neos-Chef Matthias Strolz hatte den grünen Bundespräsidentschaftskandidaten in die pinke Parteiakademie geladen. Zweck der Übung: Die Hofburg-Tauglichkeit des Grünen aus pinker Perspektive zu testen.

Das war auch gleich die erste Frage, die Gretchenfrage der Neos sozusagen: Wie unabhängig kann jemand sein, der eine Millionenspende von den Grünen dankend annimmt? "Mhmm", antwortete Van der Bellen im gewohnt ruhigen Stil. "Mir war schon wichtig zu sagen: Ich kandidiere. Und dann sagen die Grünen, dass sie mich unterstützen. Die Bundespräsidentschaftswahl ist ja eine Persönlichkeitswahl. Sonst hätte das so eine Färbung bekommen, die der Wahl nicht angemessen ist."

Der Saal der Neos, in dem das Hearing stattfand, war bis zum letzten Platz gefüllt, und die Stimmung gegenüber Van der Bellen war merklich positiv. "Ich sympathisiere mit Ihnen", begannen einige Fragesteller, um den Grünen dann doch genau auf den Zahn zu fühlen. Ob er für die Vereinigten Staaten von Europa sei? "Im Grunde ja, weil aktuell das größte Problem die Handlungsunfähigkeit der Union ist", begann der Wirtschaftsprofessor seine Ausführungen für eine Totalreform der EU, die man "schon hätte 2008 beginnen sollen". Dabei müsse gewährleistet sein, "dass es einen Minderheitenschutz für die kleineren Staaten braucht. In den USA hat auch der kleinste Bundesstaat gleich viele Senatssitze wie ein großer Staat, nämlich zwei." Er würde aber lieber für den Begriff "Europäische Eidgenossenschaft" plädieren. "Aber das wird man nur schwer in alle EU-Sprachen übersetzen können", scherzte er.

Überhaupt wirkte der 71-Jährige sehr gut gelaunt an diesem Abend.

Die Themen streiften das Bundesheer ("Ich habe gegen die Wehrpflicht gestimmt"), die Ansätze der aktuellen Bildungsreform ("Viele Ansätze kann ich derzeit nicht erkennen") und das Patt der Regierung. Dieses verglich er mit Bereichen der wirtschaftswissenschaftlichen Spieltheorie ("Keiner kann nachgeben, weil der anderen gewinnen würde"). Genau da sehe er eine mögliche Rolle eines grünen Bundespräsidenten – als vermittelnder Dritter.

VdB "passt zu Neos"

Würde er versuchen, eine SP-VP-Neos-Regierung zugunsten einer grünen Regierungsbeteiligung zu verhindern? "Nein, nicht wenn diese eine Mehrheit im Parlament hat." Und Strache angeloben? "Ich will niemand zum Kanzler machen, der nur auf eine Zerstörung der Union aus ist. Da muss der Bundespräsident vorher alles versucht haben, das zu verhindern."

Gibt Van der Bellen zu, dass das Pensionssystem nur mit einer großen Reform zu retten ist? "Derzeit steigt die Lebenserwartung jedes Jahr um drei Monate. Das kann sich nicht ausgehen", sagt der Professor. Und scherzt zum Abschluss: "Am einfachsten wäre es, wenn ab der Geburt jedes Jahr der Geburtstag um drei Monate nach hinten verschoben wird." – Applaus, Lacher. Das Hearing hat er gut überstanden.

Der Grün-Professor und die Neos-Wählerschaft – passt das also zusammen? "Absolut", sagt Politologe Fritz Plasser. "Bei den Neos-Sympathisanten ist klar erkennbar, dass sie sich zu einem Gutteil Alexander Van der Bellen nähern – aber auch Irmgard Griss." Meinungsforscher Peter Hajek sieht das ähnlich: "Die Neos-Wähler sind, grob geschätzt, je zur Hälfte für Van der Bellen und Griss. Weil er ein Grüner, aber nicht in der Wolle gefärbt ist", analysiert Hajek.

Plasser gibt aber zu Bedenken: SPÖ- und ÖVP-Wähler, die derzeit noch beim Grünen Van der Bellen seien, könnten bald wieder weg sein, "wenn erst einmal der Mobilisierungswahlkampf der Großparteien begonnen hat".

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