Van der Bellen ist Hofburg-Favorit, Khol Schlusslicht

Van der Bellen ist Hofburg-Favorit, Khol Schlusslicht
Erste OGM-Umfrage. Der KURIER hat Experten gefragt, wie sie die Chancen der Kandidaten sehen.

Jetzt ist es fix. Eine Frau und vier Männer wollen Heinz Fischer im höchsten Amt im Staate folgen – so viele wie zuletzt 1998.

Die Startaufstellung ist bemerkenswert. Denn laut der ersten Umfrage, die das OGM-Institut mit allen Kandidaten für den KURIER erstellt hat (506 Befragte, Schwankungsbreite: 4,3 %), geht Alexander Van der Bellen als Favorit ins Rennen. SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer ist knapp hinter dem früheren Grünen-Boss, und weit abgeschlagen: ÖVP-Mann Andreas Khol mit vorerst 14 Prozent Zustimmung. Ihm macht der Kampf im rechten Lager zu schaffen.

Klar ist – so weit sind sich OGM-Chef Wolfgang Bachmayer, The Skills Group-Geschäftsführer Stefan Sengl und der Politologe Anton Pelinka einig – dass "alles möglich" ist.

Van der Bellen ist Hofburg-Favorit, Khol Schlusslicht
Sengl, der 2010 Fischers Wahlkampf koordiniert hat, geht davon aus, dass alle Hofburg-Anwärter im ersten Wahlgang "in einer Bandbreite von 15 bis 25 Prozent liegen". Bachmayer schätzt das ähnlich ein. Woran das liegt, ist für Pelinka klar: " Die Zersplitterung des Großparteiensystems spiegelt sich bei der Bundespräsidentschaftswahl mit fünf Kandidaten wider. Hundstorfer und Khol müssen in die Stichwahl kommen, sonst droht den Parteien jeweils eine partei-interne Katastrophe, es wird Fluchtstimmung aufkommen, in der SPÖ die Kanzler-Frage gestellt werden."

Wie werten die vom KURIER befragten Experten die Chancen der fünf Kandidaten am 24. April? Sengl urteilt über SPÖ-Mann Rudolf Hundstorfer (64): "Er muss es schaffen, nicht mit der Regierung und der generellen Unzufriedenheit mit dieser assoziiert zu werden." Gleichzeitig könne Hundstorfer das Potenzial der Partei und der Gewerkschaft ausschöpfen – und damit, analog zur "Lohnsteuer runter"-Kampagne, Stimmen generieren. Bachmayer glaubt nicht, dass der Ex-Sozialminister "außerhalb des eigenen Lagers fischen kann".

Anders ist die Situation bei ÖVP-Mann Andreas Khol (74). Die Fachleute bescheinigen ihm zwar, dass er Stimmen von VP-Parteigängern lukrieren kann, Pelinka attestiert ihm aber einen Startnachteil: "Er ist – wegen der Absage von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll – zweite Wahl."

Zudem hat Khol im bürgerlichen Bereich Konkurrenz: Irmgard Griss, der Freiheitliche Norbert Hofer und der Grüne Alexander Van der Bellen (72) können ihm Wähler abspenstig machen. Dieser sei "vom Typus her interessant, weil er ein Liberaler ist, was für die Grünen nicht selbstverständlich ist", befindet Pelinka. Überdies habe er sich als Einziger gegen die FPÖ festgelegt, spreche damit auch SPÖ-Sympathisanten an. Für Bachmayer hat Van der Bellen ein Manko – dass er sich als "unabhängiger Kandidat" präsentiert: "Sein Bemühen, die grüne Farbe abzuwaschen, wirkt fast kontraproduktiv."

Tatsächlich unabhängig ist die einstige Höchstrichterin und Hypo-Gutachterin Irmgard Griss (69). Dass sie nicht aus einem der etablierten Lager kommt, werde ihr nützen, sind sich die Fachleute einig. "Griss ist die seriöse Artikulation der Politikverdrossenheit", sagt Pelinka. "Sie könnte unter Umständen auch die von Wahlen und der Regierung Frustrierten ansprechen und damit insbesondere FPÖ-Wähler ansprechen", ergänzt Sengl. Ihr Frühstart in den Wahlkampf sei ein Nachteil. Pelinka: "Jetzt, wo vier stabile Parteien antreten, hat sie es schwer. Ich denke nicht, dass sie ein zweistelliges Ergebnis erreichen wird. Der Umstand, dass sie die einzige Frau ist, wird ihr vielleicht ein Prozent der Stimmen bringen." Verringert ihr geringes Wahlkampf-Budget nicht die Chancen? "Das ist ein Problem, Griss kann das aber zu ihren Gunsten ausspielen. Die Bürger wollen ja, dass sparsam um Stimmen gekämpft wird", analysiert Bachmayer.

Dominantes Flüchtlingsthema

Vergleichsweise viel Geld fürs Werben hätte die FPÖ. Sie will aber nur zwei der erlaubten sieben Millionen ausgeben. Sie hat als letzte Partei Norbert Hofer (44) nominiert. Er startet mit dem Manko, dass er dem Gros der Bürger nicht geläufig ist. Sengl: "Bei ihm sind Plakate am sinnvollsten." Bis kurz vor Hofers Präsentation hatte Parteichef Heinz-Christian Strache die zur FPÖ übergelaufene Ex-ÖVP-Frau Ursula Stenzel favorisiert – intern aber nicht durchgebracht. Und so muss der Dritte Nationalratspräsident um Zuspruch buhlen. Er ist der jüngste der fünf Kandidaten – und wird anders wahlkämpfen: Er hat eine inkomplette Querschnittlähmung, geht am Stock. Hofer könne zwar – anders als es Stenzel gelungen wäre – bei der blauen Kernklientel punkten, sagen die Experten. Aber nicht nur dort – wegen des Flüchtlingsthemas. Mittlerweile seien 80 Prozent der Bürger dahingehend "skeptisch bis ablehnend", sagt Bachmayer: "Daher wird Hofer auch SPÖ- und ÖVP-Wähler bis zu einem gewissen Grad ansprechen können."

Dabei hofft vor allem die ÖVP, mit dieser Causa punkten zu können. Sengl warnt davor, nur darauf zu setzen: "Die Kandidaten können Gefahr laufen, damit zum tagespolitischen Hickhack und zur Unzufriedenheit mit der Innenpolitik beizutragen."

Auch wenn es in keinem Hofburg-Wahlkampf zuvor etwas so Emotionalisierendes wie die Asyl-Debatte gegeben hat – es spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Schließlich ist es die bundesweit einzige Möglichkeit, jemanden direkt in das Amt zu wählen. Die Kriterien sind für Bachmayer: "Über den Parteien zu stehen, kompromissfähig und ausgleichend zu sein – und, wie es immer heißt, ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen zu haben."

Wie kann es sein, dass der frühere Bundessprecher einer Oppositionspartei beim Rennen um die Hofburg die beste Ausgangssituation hat? Im Falle von Alexander Van der Bellen – er führt bei der OGM-KURIER-Umfrage derzeit mit 26 Prozent Zustimmung – ist die Sache schnell erklärt. „Er hat nach wie vor eine hohe Bekanntheit, gute Image-Werte und verfügt über den Bonus des ruhig argumentierenden Professors“, sagt OGM-Expertin Karin Cvrtila. Van der Bellen ist nicht nur für Grün-affine Wähler die erste Option. „Aufgrund seiner Haltung ist er für viele bürgerliche Wähler ein möglicher Bundespräsident und auch eher links-orientierte SPÖ-Wähler könnten sich für ihn entscheiden, weil er sich gegen die FPÖ positioniert“, sagt Cvrtila.

Den Abstand zu Hundstorfer – er hält bei 23 Prozent – will die OGM-Analystin nicht überbewerten. Auffallend ist freilich, dass Van der Bellen insbesondere bei jüngeren Wählerschichten und Hundstorfer vor allem bei den Pensionisten punkten kann.

Kampf im konservativen LagerWährend links der Mitte de facto nur Hundstorfer und Van der Bellen um Stimmen buhlen, ist im konservativen Lager ein Dreikampf im Gange. So hat die einzige wirklich partei-unabhängige Kandidatin, die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss, laut Cvrtila „eindeutig noch Luft nach oben“: „Es wird spannend, ob sie das Argument, als erste Frau in das Amt gewählt zu werden, noch explizit ins Treffen führt. Derzeit gibt es keine auffallend höhere Zustimmung bei Frauen als bei allen anderen Kandidaten.“ Die größte Überraschung ist bei dieser ersten Umfrage, die allen antretenden Kandidaten enthält, aber das ausnehmend bescheidene Zwischen-Ergebnis für Andreas Khol.

Wie ist der Wert von nur 14 Prozent zu erklären? „Andreas Khol ist auch bei den ÖVP-affinen Wählern auffallend schwach. Das liegt wohl daran, dass ihm sowohl Griss wie auch Van der Bellen bürgerliche Stimmen abluchsen. Und auch die Entscheidung, mit dem Asyl-Problematik ein Thema zu forcieren, das weitgehend in die Richtung der FPÖ geht, scheint ihm vorerst nicht wirklich geholfen zu haben – zumal die FPÖ nun selbst mit einem Kandidaten antritt.“
Entscheidend wird freilich, wie die Kandidaten ihren Wahlkampf anlegen. „Wirklich begonnen hat die Auseinandersetzung erst am Donnerstag mit der Nominierung von Norbert Hofer“, sagt Cvrtila. „35 Prozent der Österreicher sind unentschlossen, wen sie wählen.“ Und nicht zuletzt ob des vielfältigen Angebots an Kandidaten könne sich bis zur Stichwahl noch viel verschieben.

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