"Kinder werden hier nicht untergebracht, sondern verwahrt"

Perspektivenlos: Betreuer kennen junge Flüchtlinge, die ein Jahr lang nur als Flip Flops trugen
Asyl: Volksanwaltschaft und NGOs kritisieren die Situation der jüngsten Flüchtlinge in Traiskirchen.

Hans Reithofer wollte nur helfen. Er hatte vom Elend der Kriegsflüchtlinge gelesen; von all den Ertrinkenden im Mittelmeer; und vor allem hatte der KURIER-Leser von Jugendlichen erfahren, die sich völlig alleine aus Ländern wie Afghanistan bis nach Österreich durchkämpfen, um hier die Chance auf ein würdevolles Leben zu bekommen.

Reithofer wählte die Nummer des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen und bot an, sich um Jugendliche zu kümmern. "Über Umwege landete ich tatsächlich bei jemandem, der für ihre Betreuung zuständig ist", sagt Reithofer zum KURIER. "Aber die Auskunft war ernüchternd."

Sinngemäß wurde ihm beschieden: Unbetreute Jugendliche gebe es gar nicht, weil man ja Kurse und andere Freizeitbeschäftigungen anbiete. Alles sei in Ordnung.

Reithofer, der nicht so heißt, aber nicht mit Namen in der Zeitung stehen will, erschien das hinterfragenswert. Und tatsächlich ergeben Recherchen des KURIER, dass die Situation der im Bürokraten-Deutsch "UMF" ("Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge") genannten alles andere als zufriedenstellend ist, im Gegenteil: Sowohl die Diakonie (betreut Hilfesuchende in Traiskirchen) wie auch die Volksanwaltschaft bewerten die Situation der Jugendlichen als problematisch, erst am Montag wurde vor dem Innenministerium wieder demonstriert.

"Wir sind kilometerweit von dem entfernt, was man altersadäquate Betreuung nennt", sagt Christoph Riedl von der Diakonie. "Ein Bett und eine Dose Aufstrich bedeuten nicht, dass es diesen oft traumatisierten jungen Menschen gut geht."

Noch schärfer formulierte es die Volksanwaltschaft. Bereits im Februar hatte sie die Zustände kritisiert; vor Kurzem wiederholte Günther Kräuter die Vorhalte. "Die Kinder werden nicht untergebracht, sondern verwahrt", befundete eines seiner Kommissionsmitglieder. Und Monika Pinterits von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft beschreibt die Situation so: "Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge werden nicht als Kinder, sondern als Ausländer behandelt."

Im Innenministerium kennt man die Vorwürfe, fühlt sich aber nicht allein verantwortlich. "Dass rund 500 unbegleitete Minderjährige in Traiskirchen sind, liegt daran, dass es einen Rückstau gibt, weil die Bundesländer diese einfach nicht unterbringen", sagt ein Ressort-Sprecher. Der Bund sei nur für die erste Phase bis zur Zulassung zu einem Asylverfahren zuständig; dann obliege die Betreuung den Ländern.

"Ich kenne Jugendliche, die ein Jahr lang zwischen Traiskirchen und einem Bundesland hin und hergeschoben wurden, keine Schule besuchen durften und immer in Flip-Flops herumliefen", sagt Klaus Hofstätter von "Connecting people". Connecting people begleitet Österreicher, die Patenschaften für minderjährige Flüchtlinge übernehmen. Interesse und Hilfsbereitschaft, sagt Hofstätter, seien groß. Gleichwohl habe man beschränkte Möglichkeiten. "Mit 60.000 Euro im Jahr kann man nicht alle betreuen, wie man will." Aber zumindest weiß Herr Reithofer jetzt, dass es Wege gibt, zu helfen.

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