Terror-Touristen aus Österreich

Die heimischen Kriegs-Heimkehrer offenbaren die Defizite des Staatsschutzes.

Sein Bart wuchert über die Backen; an den Hüften baumeln Munitionstaschen; und vor der Brust hält er eine Kalaschnikow: Auf den ersten Blick war das Foto, das Magomed Z. von sich aus Syrien verschickte, eindeutig: Hier posiert ein Kämpfer der Terror-Miliz ISIS.

Seit Donnerstag wird dem gebürtigen Tschetschenen in Krems der Prozess gemacht (der KURIER berichtete). Und es ist nicht nur der erste heimische Prozess mit direktem IS-Bezug.

Es ist zudem ein Fall, der exemplarisch all jene Schwierigkeiten abbildet, die Österreichs Staatsschützer mit möglichen "Dschihadisten" und Rückkehrern haben.

Terror-Touristen aus Österreich
Denn so klar es zu sein scheint, dass Magomed Z. gegen Paragraf 278 B im Strafgesetz verstößt (Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation). In der Praxis ist die Sache längst nicht so einfach, im Gegenteil. Jene rund 170 Österreicher, die laut Schätzungen des Innenressorts an Kampfhandlungen in Syrien teilgenommen haben, stellen Polizei und Justiz vor teils kaum lösbare Probleme.

"Ein Foto auf Facebook kann ein wertvoller Hinweis sein, ist aber noch lange kein Beweis-Ergebnis. Dazu brauchen wir in einem Rechtsstaat deutlich mehr. Und das ist auch gut so", sagt Gerhard Jarosch, Präsident der Vereinigung der heimischen Staatsanwälte.

Für eine Anklage muss die Justiz nachweisen, was jemand wann genau mit wem gemacht hat. "In einem Kriegsgebiet ist das immer schwierig. Hier können wir weder selbst ermitteln noch gibt es örtliche Behörden, die uns im Zuge eines Rechtshilfeverfahrens dabei unterstützen würden", sagt Jarosch und bringt ein Beispiel: "Wenn jemand auf einem YouTube-Video neben einer Leiche in Syrien posiert und bei der Rückkehr behauptet, er sei zufällig bei dieser Hinrichtung vorbeigekommen, dann klingt das für einen einfachen Bürger verständlicherweise verstörend und vielleicht unglaubwürdig." Letztlich müsse der mögliche Täter aber nicht seine Unschuld, sondern die Staatsanwaltschaft die Tat nachweisen. Und das ist, soviel bestätigen auch Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), vielfach schlicht unmöglich.

"Wir überprüfen jeden Heimkehrer, sprich: Er oder sie wird einvernommen", sagt eine BVT-Mitarbeiterin. Die erzählten Geschichten würden sich auffallend oft ähneln. Eine der gängigsten "Storys" geht so: Der Verdächtige war nicht in Syrien, um zu kämpfen, sondern um Verwandte zu besuchen oder zu helfen. "Bleibt der Betroffene bei dieser Version", sagt die Beamtin, "ist das Gegenteil ohne Zeugen kaum nachweisbar."

Fehlende Kompetenzen

Gerade bei Rückkehrern, "Schläfern" oder Terror-Helfern im Inland (z.B. die, die in Moscheen ISIS-Kämpfer rekrutieren) monieren Staatsschützer seit Längerem, dass ihnen rechtliche Kompetenzen für ein effizientes Arbeiten fehlen.

"Das Gesetz sieht vor, dass wir ohne konkrete Hinweise auf eine Straftat nur offen ermitteln dürfen", erzählt ein anderer BVT-Beamter. "Das bedeutet: Wenn der Herr X suspekt ist, und sein Nachbar uns das mitteilt, dürfen wir den Facebook-Account von Herrn X nicht verdeckt überwachen und die Hintergründe recherchieren, sondern wir müssen uns als BVT deklarieren. Das ist in der Praxis natürlich sinnlos."

Als besonderes Problem sehen die Staatsschützer die "9 Monats-Regel". Ein BVT-Mitarbeiter bringt wieder ein Beispiel: "Angenommen, der Herr Meier steht im Verdacht für die ISIS zu rekrutieren. Mit Genehmigung des Rechtsschutzbeauftragten darf ich ihn maximal neun Monate lang überwachen."

Werde bis dahin keine Straftat begangen, müsse die Observation nicht nur abgebrochen werden. "Wir müssen anschließend auch alle Daten vernichten. Als Terrorist weiß ich: Ich muss nur länger als neun Monate stillhalten, dann haben die Behörden keine Überwachungsdaten mehr."

Experten (siehe unten) fordern seit Längerem eine Reform des Staatsschutzes.

Die BVT-Beamten selbst wollen aber auch die Gesellschaft nicht aus der Verantwortung lassen: "Erfahrungsgemäß sind vor allem jene Menschen für Terror-Propaganda empfänglich, die angeschlagen und sozial am Abstellgleis sind", sagt ein Staatsschützer. "Wenn wir die sozialen Missstände beheben, entziehen wir dem Terror potenzielle Kämpfer."

Ein Pessimist? Nein, Siegfried Beer ist alles andere als das. Dennoch warnt der Grazer Geheimdienst-Experte davor, sich in Österreich auf der Insel der Seligen zu wähnen: "Angesichts der knappen Ausstattung mit Budget, Personal und rechtlichen Kompetenzen ist es fast überraschend, wie gut die heimischen Nachrichtendienste funktionieren. Trotzdem rechne ich 2015 mit einem Anschlag."

Seit Jahren mahnt Beer zu einer Reform des Staatsschutzes sowie der Geheim-, sprich Nachrichtendienste.

Dazu gehören für ihn unter anderem Struktur und personelle Zusammensetzung. "Der MI 5 (brit. Inlandsnachrichtendienst) hat mehr von einer Universität als von einer Polizeidienststelle. "

Im Unterschied zu Österreich, wo die Tendenz bestehe "unter sich zu bleiben", sei es in Ländern wie Großbritannien Usus, dass Wissenschafter und Experten ein paar Jahre für den Staatsschutz arbeiten, um dann wieder in den zivilen Beruf zurückzukehren. Beer: "Dieser Austausch zwischen Polizei und Experten ist enorm wichtig – zumal sich die Bedrohungen ständig ändern."

Beer bringt den Kalten Krieg als Beispiel: "Damals war es für die CIA essenziell, Expertise in Sachen Russland zu haben. Heute braucht man ganz andere Fachleute – etwa solche, die sich im arabischen Kulturkreis auskennen und die Sprachen sprechen."

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