Terror-Prävention: Skype und WhatsApp im Visier

Schärfere Anti-Terror-Gesetze: ÖVP-Minister Brandstetter, Mikl-Leitner
Justizminister will Internet-Kommunikation abfangen. Was Hausarrest & Fußfessel bringen.

Hausarrest, Fußfessel, Vorratsdatenspeicherung – angesichts der Terrorgefahr in Europa drängt vor allem die ÖVP auf mehr Befugnisse für die Polizei. Die SPÖ sieht das eher skeptisch.

Der KURIER hat sich angeschaut, was die einzelnen Vorschläge bringen würden – und wie wahrscheinlich es ist, dass sie umgesetzt werden.

Justizminister Wolfgang Brandstetter will die Internet-Kommunikation von Terror-Verdächtigen stärker überwachen. Was ist geplant?

Derzeit kann die Polizei nach richterlicher Genehmigung bei einem Verdacht auf schwere Straftaten Telefonate und unverschlüsselte eMails, Chats, etc. überwachen. Im Ministerium wird jetzt eine Verschärfung geprüft bzw. eine Gesetzeslücke geschlossen: "Wir sind mit dem Koalitionspartner gerade in Abstimmung zu unseren Vorschlägen zu einer Erweiterung der Möglichkeiten einer zielgerichteten und besseren Telefon- und SMS-Überwachung über Internet-Telefonie, die Sinn macht", sagt Brandstetter. Gegenüber dem KURIER präzisiert sein Büro: Künftig sollten Nachrichtendienste wie z.B. Skype, WhatsApp oder andere verschlüsselte Kommunikation im Netz überwacht werden. In einigen Tagen wird das Ministerium Details vorlegen.

ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner meint, man würde "ein vernünftiges Maß an Vorratsdatenspeicherung" benötigen. Was bringt das Datensammeln?

Gespeichert werden Verbindungsdaten von Telefonie und Internet von allen Bürgen über einen Zeitraum von ein paar Monaten. Ob diese Datenmassen helfen, Anschläge zu verhindern, ist umstritten. In Frankreich wird seit zehn Jahren gespeichert – die Paris-Attentäter hat das nicht gestoppt. Hilfreicher scheinen die Daten bei der Aufklärung im Nachhinein, wenn es darum geht, Netzwerke, Kontakte und Bewegungsprofile zu ermitteln. Österreich hatte eine Vorratsdatenspeicherung – bis sie der Verfassungsgerichtshof 2014 aufhob. Die SPÖ war stets skeptisch, ein neuerlicher Beschluss scheint wenig wahrscheinlich.

ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat sich für Hausarrest für potenzielle Terroristen ausgesprochen. Wie realistisch ist das?

Mikl-Leitner verweist auf Frankreich; dort sei es möglich, "Hausarrest für Dschihadisten" zu verhängen. Es stimmt, dass der Hausarrest in Frankreich erst jetzt wieder ausgeweitet wurde – allerdings als Teil des Notstandsrechts (nach den Anschlägen von Paris wurde für drei Monate der Notstand ausgerufen).

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hält Mikls Vorschlag für "nicht sehr ausgegoren": Er hält es für sinnvoll, dass sich verdächtige Personen regelmäßig bei der Polizei melden müssen – wie Fußball-Hooligans. Wenn jemand tatsächlich Dschihadist sei, gehöre er ins Gefängnis.

Tatsächlich dürfte präventiver Hausarrest kaum in Einklang mit der Verfassung zu bringen sein. Bei konkretem Tatverdacht kann schon jetzt verhaftet werden.

Mikl-Leitner will auch über Fußfesseln für potenzielle Attentäter reden. Was soll das bringen?

Die Idee stammt von Frankreichs Ex-Premier Nicolas Sarkozy. Dieser hat nach den Anschlägen in Paris gefordert, alle Syrien-Rückkehrer sollten eine Fußfessel bekommen. Mikl-Leitner hat im Sonntag-KURIER erklärt, sie wolle zumindest darüber diskutieren. Die SPÖ hält nicht viel davon. Auch Juristen sehen den Vorschlag äußerst skeptisch. Dass die Fußfessel für Dschihadisten kommt, ist daher unwahrscheinlich.

Im Parlament liegt das neue Staatsschutzgesetz. Was bringt es – und warum ist es noch nicht beschlossen?

Seit dem Sommer liegt die Novelle des Staatsschutzgesetzes im Hohen Haus. Es soll der Polizei mehr Möglichkeiten zur Überwachung von Verdächtigen bieten. Daten sollen zudem mindestens zwei und maximal sechs Jahre gespeichert werden (derzeit neun Monate). Um mögliche Attentäter entlarven zu können, will die Polizei so genannte V-Leute einsetzen. Das heißt, sie will gegen Bezahlung an wichtige Informationen gelangen, sie hofft auf "Zunds" aus der Dschihadisten-Szene. Die SPÖ ist prinzipiell für das Gesetz, möchte aber noch parlamentarische Kontroll-Hürden einbauen. Die Neu-Regelung soll im Sommer 2016 in Kraft treten.

Die Regierung hat bereits im Vorjahr ein Anti-Terror-Paket geschnürt. Was war darin enthalten?

Minderjährige, die im Verdacht stehen in den Dschihad zu reisen, dürfen von den Behörden an der Ausreise gehindert werden, wenn kein Einverständnis der Eltern vorliegt. Einem österreichischen Staatsbürger, der freiwillig im Ausland an Kampfhandlungen teilgenommen hat, verliert die Staatsbürgerschaft – aber nur, wenn er dadurch nicht staatenlos wird.

Seit Jahresbeginn ist zudem verboten, IS- oder Al-Kaida-Symbole öffentlich zu tragen oder zu verbreiten.

Das Strafrecht wurde heuer im Hinblick auf die Terrorgefahr auch verschärft. Was wird strenger geahndet?

Der Tatbestand der Verhetzung wurde verschärft. So wird u. a. nicht mehr nur das "Auffordern zu Gewalt", sondern bereits das "Aufstacheln zum Hass" vor zirka 30 Personen mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft (früher mindestens 150 Personen).

Wie viele Verfahren gibt es gegen Dschihadisten? Und wie viele Personen wurden bereits verurteilt?

Auf KURIER-Anfrage heißt es im Justizministerium, dass es im heurigen Jahr bereits knapp 200 Ermittlungen gegen mutmaßliche Dschihadisten gegeben hat. In einem Viertel der Fälle – bei 50 Personen – sei es zu einer Anklage gekommen; dabei gab es 27 Verurteilungen. 31 Personen wurden heuer wegen Terror-Verdachts inhaftiert, der Großteil davon – 24 – saß bzw. sitzt in Untersuchungshaft.

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