Stronach von Lindner „enttäuscht“

APA14073932-2 - 09082013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 302 II - Die frühere ORF Generaldirektorin Monika Lindner, aufgenommen am 26. Juli 2006 in Salzburg (ARCHIVBILD). APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
Entgegen ihrer Ankündigung nimmt Monika Lindner nun doch ihr Mandat an.

Kaum ist ein wenig Ruhe in das krisengeschüttelte Team Stronach eingekehrt, zieht das nächste Tief auf. Ex-ORF-Chefin Monika Lindner wird als „wilde“ Abgeordnete in den Nationalrat einziehen. Zur Erinnerung: Im August setzte sie Frank Stronach als Nummer drei auf die Team-Stronach-Liste. Nach nur 48 Stunden zog Lindner ihre Kandidatur jedoch zurück.

Der Auslöser für ihren Absprung war eine Aussage von Klubobmann Robert Lugar. Er bezeichnete Lindner als „Speerspitze“ gegen Raiffeisen und ORF. Das war Lindner zu viel. Sie wolle „keine Verräterin“ sein, sagte sie.

Lindner konnte sich von der Kandidatenliste jedoch nicht mehr streichen lassen, denn diese war bereits bei den Behörden eingereicht. Ursprünglich hatte Lindner angekündigt, das Mandat nicht anzunehmen.

Doch nun besann sie sich eines anderen und nimmt es doch an.

Traurig für Miss World

Die Folge: Das Team Stronach wird nun mit nur zehn statt mit elf Abgeordneten ins Parlament einziehen. Hätte Lindner auf ihr Mandat verzichtet, wäre Ex-Miss-World Ulla Weigerstorfer in den Nationalrat gekommen.

Der KURIER erreichte Frank Stronach in Kanada, wo sich der Parteigründer gerade aufhält. Stronach wusste von Lindners Entscheidung noch nichts und erfuhr durch den KURIER-Anruf von der neuen Entwicklung. Stronach: „Es ist wie es ist. Ich bin nicht verärgert, sondern höchstens enttäuscht. Aber auch da wird es drauf ankommen, wie sie sich benimmt. Vielleicht hat sie mit Kathrin Nachbaur ausgemacht, dass sie unsere Anträge im Parlament unterstützt.“

Stronachs Statthalterin, TS-Klubobfrau Kathrin Nachbaur, hatte in der Vorwoche mit Lindner nach einer Klärung gesucht und wollte die Ex-ORF-Chefin vom Rückzug überzeugen. Nachbaur: „Bei diesem Gespräch habe ich Lindner gesagt, was fair wäre. Nämlich, dass das Team Stronach das Mandat, für das es gekämpft hat, auch bekommt. Lindner hat unseren Ehrenkodex unterschrieben, das heißt, sie findet unser Programm gut. Ich gehe also davon aus, dass sie im Nationalrat mit uns stimmen wird. Über ihre Vorgangsweise soll sich jeder selbst ein Bild machen.“

Lindner selbst sagt in der Tiroler Tageszeitung, sie werde nicht, wie vielfach angenommen, zur ÖVP wechseln: „So geht’s nicht, dass man ein Mandat nimmt und dann sagt Adieu und woanders hingeht. Das hielte ich nicht für sehr ehrenhaft.“ Es sei eine „schwierige Entscheidung“ gewesen, „weil ich nicht auf unehrliche Weise ein Mandat an mich reißen wollte. Aber meine Rechtfertigung beziehe ich daraus, dass als freie Abgeordnete ja auch Anträge des Teams Stronach unterstützen kann, wenn ich sie für richtig halte“.

Als Abgeordnete verdient Lindner rund 8.000 Euro brutto, dazu kommen noch ihre ORF-Pension und ihre ASVG-Pension, macht in Summe 18.000 Euro. Auf Grund des Bezügegesetzes wird die Summe jedoch gedeckelt, was sich immer noch auf stolze 13.291 Euro Monats-Einkommen summiert.

Dietrich: "Kein Anstand"

Stronach von Lindner „enttäuscht“
Kathrin Nachbaur und Waltraud Dietrich (r.)
Richtig sauer auf die frühereORF-Generaldirektorin reagierte allerdings Waltraud Dietrich, die designierte Vize-Klubobfrau des Team Stronach: "Das ist demokratiepolitisch schwer bedenklich und eine Verhöhnung des Parlamentarismus", meint sie. Sie warf Lindner vor, dass die Annahme des Mandates vordergründig in Zusammenhang mit finanziellen Interessen stehe. "Wenn Lindner sich jetzt plötzlich doch als freie Mandatarin ihren Sitz im Nationalrat fürstlich entlohnen lässt, dann ist das keine Form von Anstand und Charakter", findet Dietrich.

"Wenn mediale Berichte stimmen, dass sich Frau Lindner im ORF erkundigt hat, ob sie neben ihrer ORF-Pension von kolportierten 10.000 Euro auch ein Nationalratsgehalt von über 8.000 Euro beziehen kann, dann ist offensichtlich, worum es ihr wirklich geht." Das sei "menschlich zutiefst enttäuschend und moralisch verwerflich", meinte Dietrich.

Das Gerücht gab es schon lange, aber so etwas traute man eigentlich niemandem mit Resten von Anstand zu: doppelter Verrat. Monika Lindner stellte jahrelang zur Schau, welcher Gesinnungsgemeinschaft sie sich zugehörig, ja in enger Freundschaft verbunden fühlte. Eine steile Karriere folgte, bei der sie mit Kollegen nie zimperlich umging. Bei ihrer (dann letztlich gescheiterten) Wiederbestellung als ORF-Generalin wäre sie zu sonderbaren Kompromissen bereit gewesen. Diese hätte sie auch bei Stronach schließen müssen. Egal, er garantierte ihr einen Sitz im Parlament. Aber 48 Stunden nach ihrer Zusage sprang Lindner wieder ab, peinlich genug. Die Motive, sie zu holen, erschienen ihr dann doch nicht edel genug.

Dass sie nun, ganz ohne Wahlkampf, das Mandat als „freie“ Abgeordnete annimmt, ist der letzte Akt in einem ziemlich miserablen Stück. Lindner will „nicht auf unehrenhafte Weise ein Mandat an sich reißen“. Warum tut sie es dann? Wie abgehoben, wie egozentrisch muss man sein, um so zu agieren? Das hat sich selbst Frank Stronach nicht verdient.

Die frühere ORF-Generaldirektorin Monika Lindner, die auf der Liste des Team Stronach stand, wird als "wilde" Abgeordnete in den Nationalrat einziehen. Wirklich viel kann sie damit nicht anfangen, denn viele Rechte von Abgeordneten sind an Klubs oder zumindest an die sogenannte Klubstärke, also die Mindestzahl von fünf Abgeordneten, gebunden. Immerhin dürfen fraktionslose Mandatare in Plenumsdebatten das Wort ergreifen und bekommen auch Geld für einen Mitarbeiter.

"Wilde" Abgeordnete sind eher eine Ausnahme, erklärte Werner Zögernitz, Leiter des Instituts für Parlamentarismus, im Gespräch mit der APA. Gründe für Fraktionslosigkeit gibt es mehrere: Man tritt aus seinem Klub aus, wird ausgeschlossen oder tritt am Anfang der Gesetzgebungsperiode keinem Klub bei. Letzteres hat Lindner vor, und das ist sehr ungewöhnlich: "Diesen Fall kenne ich nicht" in der jüngeren Geschichte, sagte Zögernitz. Auf die Dauer sei das Dasein als "wilder" Mandatar "eher frustrierend".

Passive Rolle

Zunächst sind solche Abgeordnete nicht in der Präsidialkonferenz vertreten, die etwa Tagesordnungen festlegt und auch als Schlichtungsstelle fungiert. Auch die Mitgliedschaft in Ausschüssen bleibt den "Wilden" verwehrt: Sie dürfen lediglich als Zuhörer teilnehmen, und auch das nur, sofern es sich nicht um vertrauliche Ausschussberatungen handelt - mitreden oder abstimmen dürfen sie also nicht.

Fördermittel aus dem Klubfinanzierungsgesetz gibt es für Einzelkämpfer auch nicht. Das Team Stronach fällt wegen Lindner deshalb übrigens um etwas mehr als 46.000 Euro pro Jahr um. Lindner bekommt dafür etwa 3.000 Euro pro Monat, um einen parlamentarischen Mitarbeiter anzustellen. Rechnen kann sie der Usance folgend außerdem mit einem Arbeitszimmer, das ihr zur Verfügung gestellt wird. Einen Sitzplatz im Rampenlicht wird Lindner wohl nicht bekommen - bisher residierten fraktionslose Abgeordnete laut Zögernitz in der letzten Reihe des Plenarsaals.

Nicht unbedingt einen Klub, aber zumindest Klubstärke braucht es für weitere wichtige Rechte der Parlamentarier. So müssen Gesetzesanträge, schriftliche Anfragen (zum Beispiel an einen Minister) oder Dringliche Anfragen von fünf Abgeordneten unterstützt werden.

Wenig Redezeit

Theoretisch können fraktionslose Abgeordnete in jeder Debatte bis zu zwei Mal das Wort ergreifen und bis zu 20 Minuten sprechen. Das wird es aber wahrscheinlich nicht spielen: Wenn nämlich wie üblich für die Klubs Redezeitbeschränkungen festgelegt werden, kann auch die Redezeit der "wilden" Mandatare beschränkt werden.

Man muss als Fraktionsloser aber nicht für immer einsam bleiben. Die Volkspartei versichert zwar, dass sie keinen Kontakt zur als ÖVP-nahe geltenden Lindner hat - das muss aber nicht heißen, dass sie nicht doch irgendwann in den schwarzen Klub wechselt. Denn ein Abgeordneter kann sich im Laufe der gesamten Periode einem Klub anschließen, sofern dieser einverstanden ist.

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