100.000 Flüchtlinge bis Ende März erwartet

Athen ist in Zeitnot, rasch Unterkünfte für Tausende Flüchtlinge zu schaffen, und sieht sich in der Flüchtlingsfrage alleingelassen.

Griechenland werde es nicht zulassen, zu einem "Warenhaus für Menschenseelen" zu werden, warnte Migrationsminister Yoannis Mouzalas noch Ende Februar. Zwei Wochen später ist das bereits geschehen: Zehntausende Flüchtlinge sind im Land hängen geblieben, nachdem Mazedonien seine Grenzen für Asylwerber zugemacht hat. Nur um die hundert dürfen jeden Tag passieren. Lokale Medien berichten von mehr als 14.000 Menschen, die nun vor dem Grenzzaun am Übergang Idomeni lagern. Im ganzen Land sind es bereits über 33.000, sagt die Regierung in Athen. Das griechische Rote Kreuz spricht von mehr als 50.000. Und täglich kommen mehr. Bis Ende März rechnet Athen mit 100.000 Flüchtlingen, die vorerst im Land bleiben. Für sie muss man erst geeignete Unterkünfte schaffen, Essen und medizinische Versorgung organisieren.

Auf sich gestellt

"Das ist nicht ein Problem für ein einzelnes Land; es ist ein europäisches Problem, und wir müssen eine kollektive Lösung finden", sagte Premier Alexis Tsipras vor dem EU-Türkei-Gipfeltreffen. Doch an eine gesamteuropäischen Lösung glaubt in Athen mittlerweile niemand mehr. In Griechenland hat man sich damit abgefunden: Die Grenzen bleiben vorerst zu.

Die Türkei tue nicht genug, um den Flüchtlingsstrom über die Ostägäis zu stoppen, war eine der Beschwerden von Tsipras beim Gipfeltreffen. "Vereinbarungen, die nicht umgesetzt worden sind, sind keine Vereinbarungen", sagte er. Viele in Griechenland sind überzeugt, dass die Türkei den Schlüssel zur Flüchtlingskrise hat. Der neulich drastisch reduzierte Flüchtlingsstrom zur Insel Kos sei ein Beispiel dafür, meint der Präsident des griechischen Tourismusverbands SETE, Andreas Andreadis. "Wir glauben, das ist so, weil auf der anderen Seite (der türkische Ferienort, Anm.) Bodrum liegt. Die Türkei hat Probleme mit den Flüchtlingen und den eigenen Hotels dort. Es gab Druck seitens der türkischen Hoteliers, und der Flüchtlingsstrom hat sich weiter nach Norden verlagert", sagte er zum KURIER. "Viel wichtiger als der Gipfel ist das heutige Treffen zwischen Tsipras und seinem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu in Izmir", sagt Migrationsexperte Apostolos Fotiadis. Beide Regierungschefs unterzeichnen eine aktualisierte Fassung der Vereinbarung zwischen Athen und Ankara für die Wiederaufnahme abgewiesener Migranten.

Der bisherige NATO-Einsatz gebe auch wenig Hoffnung auf effektive Hilfe gegen Schlepper entlang der langen offenen Seegrenze. So rief Mouzalas Flüchtlinge auf, zu verstehen, dass der Weg nach Zentral- und Nordeuropa nicht länger durch Griechenland führe. Die Botschaft: Kommt nicht mehr.

Notfallplan

Währenddessen baut man rasch Notunterkünfte. Anlagen für über 17.000 weitere Flüchtlinge sollen noch bis Ende dieser Woche entstehen. Vor wenigen Tagen hat Athen in Brüssel einen Notplan für die Krise vorgelegt und etwa 500 Millionen Euro dafür verlangt.

In Brüssel wiederholte Tsipras seine Forderung, dass die anderen EU-Länder ihren Versprechen nachkommen müssen, 160.000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien innerhalb von zwei Jahren umzusiedeln. Bis Anfang März sind nur 700 Menschen aufgenommen worden. "Europa hat bestimmte Prinzipien und Werte. Diese Prinzipien gelten für alle, und die Regeln gelten für alle", sagte er.

Dabei hat Athen selbst Nachholbedarf. Bis Ende 2015 sollte Griechenland Unterkünfte für 30.000 Flüchtlinge schaffen. "Am 15. März werden wir Kapazitäten für mindestens 37.400 Menschen haben", sagte Regierungssprecher Georgos Kyritsis dem TV-Sender Skai. Die UNO soll 20.000 weitere Plätze im Land schaffen.

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