Strasser zu seiner Lebensgefährtin: "Die Schweine hol’ ich mir"

APA10926362-2 - 11012013 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Der Angeklagte Ernst Strasser zu Beginn des Prozesstages am Freitag, 11. Jänner 2013, am Straflandesgericht Wien. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft dem 56-jährigen Grieskirchner Bestechlichkeit vor. APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER
Lebensgefährtin verteidigt Strasser: "Mein Partner weiß, was er tut. Er war erster Polizist des Landes", erklärte die Zeugin.

Ihr löwinnenhafter Kampf um den Lebensgefährten, ihre Stimmlage, ihr ganzer Auftritt vor Gericht weisen Parallelen zu Ruth Elsner, der Ehefrau des Ex-Bawag-Chefs, auf. Ob ausgerechnet diese Porträtskizze von Ernst Strasser dem wegen Bestechlichkeit angeklagten ehemaligen Innenminister und EU-Parlamentarier nützt?

„Ich kenne Ernst seit sieben Jahren“, sagt Elisabeth K. am achten Prozesstag im Zeugenstand: „Er hat noch nie für eine Firma einen Finger gerührt, ohne vorher einen Vertrag und eine Anzahlung zu haben.“ Nachsatz: „Außer für das Niederösterreichische Hilfswerk.“

Worauf die 45-Jährige hinaus will: Strasser sei auf den 100.000-Euro-Bestechungsversuch der als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten nur zum Schein eingegangen, um diese seinerseits als Geheimagenten aufzudecken. Er habe keinen Vertrag (über die gewünschte Intervention auf die EU-Gesetzgebung) unterschrieben und keinen Cent dafür kassiert. Was strafrechtlich allerdings auch nicht erforderlich ist, es reicht schon, die Handlung in Aussicht zu stellen und dafür Honorar zu fordern.

Puzzlesteine

Strasser habe ihr im Sommer 2010 am Küchentisch erzählt, dass der angebliche Auftraggeber – die Lobbying-Agentur Bergman&Lynch – eine Scheinfirma sei und es sich dabei um „einen Dienst, was denn sonst?“ handeln müsse. Da hätten sich in ihrem Kopf „beunruhigende Puzzlesteine“ gefügt: Schon als Innenminister sei Strasser Zielobjekt für Geheimdienste gewesen, man habe in ihr gemeinsames Büro eingebrochen, und dann gab es noch diese mysteriöse Geschichte mit New York.

Strasser und seine Lebensgefährten tauschten über eine Plattform mit einem Ehepaar Wohnung. Dieses gab vor, einen 14-jährigen Sohn zu haben, aber in der Wohnung in New York wies nichts auf einen 14-Jährigen hin. Bei den eigenen Nachbarn in Wien fragte die Zeugin allerdings nicht nach, ob das Ehepaar aus New York einen Sohn dabei gehabt habe.

Warum Strasser nicht den Verfassungsschutz eingeschaltet habe, wird die Zeugin gefragt. Er habe kein Vertrauen zu der Behörde gehabt und ihr gesagt: „Die Schweine hol’ ich mir selbst.“

Ob sie keine Angst um ihn gehabt und nicht vor einem Alleingang gewarnt habe? „Mein Partner weiß schon, was er tut. Er war erster Polizist des Landes.“

Wie Strasser reagiert habe, als klar war, dass er von Journalisten aufs Glatteis geführt wurde? „Er war gelähmt. Und überrascht, dass es Journalisten waren.“ Richter Georg Olschak freilich findet das „naheliegender als einen Geheimdienst“.

Nicht koscher

Der mit Strasser befreundete Unternehmensberater Thomas Havranek konnte als Zeuge nicht viel zur Agentenstory beitragen. Strasser habe zwar Befürchtungen geäußert, in seinem Wiener Büro abgehört zu werden (tatsächlich jedoch waren die Journalisten bei Treffen mit Strasser in Brüssel und London verkabelt). Und er habe ihn gebeten, Bergman&Lynch zu überprüfen. Ergebnis: „Gar nicht koscher.“ Von einem auf Strasser angesetzten Geheimdienst aber war keine Rede.

Einer ehemaligen Assistentin Strassers droht eine Anklage wegen falscher Zeugenaussage. Am fünften Prozesstag hatte sie behauptet, nach Auffliegen der Lobbygate-Affäre keinen Kontakt mehr mit Strasser gehabt zu haben. Am Freitag musste Daniela K. erneut erscheinen – und man hielt ihr neun Telefonate mit Strasser vor. Dabei sei es nur um belanglose Büro-Dinge gegangen, erklärte sie nun. Sie habe Strasser etwa erklärt, wie sein Handyvertrag funktioniere.

Just zu dieser Zeit aber hatte die 31-Jährige ihre Aussage vor der Polizei geändert – und plötzlich Strassers Verteidigungslinie vom Geheimdienst ins Spiel gebracht. Die Anklägerin vermutet, Strasser habe sie beeinflusst, die Zeugin bestreitet das.

Am Montag wird das Urteil erwartet.

Die Journalisten sagen aus, sie sagen nicht aus, sie sagen doch aus. Richter Olschak erklärte am Freitag „das Zaudern“ der Enthüllungsreporter der Sunday Times, Jonathan Calvert und Claire Newell, mit dem Fax eines anonymen Briefschreibers.

Dieser hatte die für Montag geplante Einvernahme der Zeugen mit der falschen Behauptung zu verhindern versucht, die Ermittlungen in Österreich gegen Calvert und Newell wegen Missbrauchs von Abhörgeräten (das geheime Mitschneiden der Gespräche mit Strasser) wären nicht eingestellt und es drohe ihnen eine weitere Anzeige.

Tatsächlich aber hat die Anklagebehörde das Verfahren längst eingestellt. Zwar hat Strasser einen (privaten) Fortführungsantrag gestellt, doch liegt dieser dem Drei-Richter-Senat, der darüber entscheiden muss, nicht einmal noch vor. Von einer zweiten Anzeige weiß Strassers Verteidiger Thomas Kralik (derzeit nach einer Knieverletzung auf Krücken unterwegs) nichts.

Woher die falschen Informationen stammen, ist unklar. Strasser betonte, er habe mit dem anonymen Brief nichts zu tun: „Offen gestanden, mir ist egal, ob die Journalisten aussagen.“

Diese wollen das nun wirklich tun, nachdem die Sache mit dem Ermittlungsverfahren geklärt ist. Mittels Videokonferenz mit dem Westminster Magistrate Court in London sollen sie am Montag – dem neunten Prozesstag – ab 11 Uhr vom Wiener Gericht befragt werden. Dann könnten, wie geplant, die Plädoyers und das Urteil folgen.

Ernst Strasser behauptet bekanntlich, er habe sich nur deshalb auf Gespräche mit zwei als Lobbyisten getarnten britischen Aufdeckungsjournalisten eingelassen, weil er diese für Geheimdienst-Leute gehalten habe und sie bzw. ihre Auftraggeber aufdecken wollte.

Die Anklage legt ihm zur Last, den vermeintlichen Lobbyisten gegen ein jährliches Honorar von 100.000 Euro seine Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung angeboten zu haben.

Auf eine ehemalige Assistentin Ernst Strassers dürfte ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Die 31-Jährige hatte im vergangenen Dezember bei ihrem ersten Zeugenauftritt im Strasser-Prozess erklärt, nach Auffliegen der Bestechungsaffäre im März 2011 keinen Kontakt zu Strasser mehr gehabt zu haben. Eine nachweislich nicht korrekte Darstellung: Wie das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) herausfand, gab es allein zwischen 31. März und 10. April 2011 neun Telefonate und zwölf SMS zwischen der jungen Frau und ihrem Ex-Chef.

Staatsanwältin Alexandra Maruna vermutet daher, der Ex-Innenminister könnte bei diesen Gesprächen auf seine frühere Assistentin eingewirkt haben: Bei ihrer ersten polizeilichen Befragung hatte diese nichts von angeblichen Geheimdienst-Warnungen Strassers erwähnt, während sie diese nach den Telefonaten bei ihrer zweiten Einvernahme plötzlich von sich aus ins Spiel brachte.

Damit konfrontiert, beteuerte die 31-Jährige heute, Freitag, bei ihrem zweiten Zeugenauftritt, mit ihrem früheren Chef nach dessen Rücktritt nur Harmlosigkeiten besprochen zu haben: "Er hat mir gesagt, wo seine Ordner stehen. Er hat nur kleine Büroarbeiten haben wollen." Außerdem sei es zu Geburtstag-Gratulationen gekommen und geklärt worden, dass sie ihren dienstlichen Computer käuflich erwerben durfte. Sie habe Strasser auch erklärt, "wie sein Handyvertrag funktioniert". Es sei um "letzte Dinge" gegangen, "weil er nicht wusste, ob er das Büro allein weiterführen musste, weil er keine Assistentin mehr hatte". Zu persönlichen Treffen sei es nicht mehr gekommen.

Telefonprotokolle

Das BAK hörte bei den Telefongesprächen allerdings mit. In einem erklärte Strasser seiner Vertrauten, die Polizei habe eine andere Assistentin in die Mangel genommen: "Die Kerstin tan's bös behandeln, die Schweine. Deshalb wollte ich mit dir reden." Die 31-Jährige daraufhin: "Am Donnerstag in der Früh könnte ich kommen."

Auf Vorhalt dieser Passagen bemerkte die Zeugin, sie wisse nicht mehr, ob sie hingegangen sei. Sie könne sich jedenfalls an kein Treffen erinnern. Sie habe "mit Doktor Strasser" nie über polizeiliche Vernehmungen gesprochen und sei von ihm auch nie dahin gehend befragt worden.

Fest steht allerdings auch, dass Strasser bereits eine Stunde nach einer Einvernahme wieder bei der jungen Frau anrief. Diese erklärte das damit, ihr Chef habe sich um sie wie um alle seine Assistentinnen gekümmert und ihr einen Job vermitteln wollen, da sie mit seinem Rücktritt ja arbeitslos wurde: "Wir waren alle leicht in Panik. Er war bemüht, dass er die eine oder andere von uns unterbringt." (APA)

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