Schrittweise Steuer-Entlastung ab 2016

Roter Kanzler, schwarzer Finanzminister: Faymann und Schelling suchen den Entlastungskompromiss - ob sie ihn finden?
Eine vier bis fünf Milliarden Euro schwere Entlastung soll etappenweise umgesetzt werden - mehr geht sich budgetär einfach nicht aus.

Feilschen bis zuletzt: Die Bundesregierung will bei ihrer Klausur in Schladming am Samstag das Volumen der Steuerreform fixieren und publikumswirksam verkünden. Hinter den Kulissen wird noch heftig am budgetären Tau gezogen, denn die Vorstellungen von SPÖ und ÖVP gehen noch relativ weit auseinander.

Der neue ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling tritt angesichts der angespannten Budgetsituation auf die Bremse. Er ist für ein geringeres Volumen in der Höhe von drei bis vier Milliarden Euro. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann hat sich hingegen auf das ÖGB/AK-Modell festgelegt. Darin wird eine Entlastung der Steuerzahler um sechs Milliarden gefordert. Faymann nannte fünf bis sechs Milliarden Euro als Zielgröße.

Herauskommen dürfte nach jetzigem Stand ein typischer Polit-Kompromiss: Vier bis fünf Milliarden Euro an Entlastung, diese schrittweise ab dem Jahr 2016 umgesetzt und mit einem späteren finanziellen Sahnehäubchen versehen, wenn sich die Konjunktur im kommenden Jahr erholen sollte.

Gegenfinanzierung

Ob dieser Scheck gedeckt ist, muss sich erst zeigen, denn die Seite der Gegenfinanzierung ist noch strittig. Fix ist lediglich, dass die Bundesregierung rasch 30 Projekte aus dem Bereich der Verwaltungsreform umsetzen will.

Bei allen anderen möglichen Finanzierungsquellen der Steuerreform – Förderungen zusammen kürzen, Steuerschlupflöcher stopfen, Ausnahmen streichen oder gar neue Steuern einführen – scheiden sich die Geister. Manchmal auch innerhalb der politischen Lager.

So kann sich etwa die Industriellenvereinigung (IV), die ihr Steuerkonzept aus dem Jahr 2012 adaptiert und am Donnerstag noch einmal vorgestellt hat (siehe unten), eine Reform der Grundsteuer vorstellen. Die Anhebung der veralteten Einheitswerte soll bis zu 500 Millionen Euro bringen. Insgesamt fordert die IV eine Entlastung um 15 Milliarden Euro. Die Summe soll vor allem durch ausgabenseitiges Sparen aufgebracht werden.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl begrüßt den Reform-Zugang der Industrie und wettert gegen neue "Eigentumssteuern". Der Stehsatz lautet: "Österreich hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem." Daran dürfte auch Schladming nichts ändern.

Die Industriellenvereinigung (IV) schlägt in ihrem – nicht neuen, lediglich adaptierten - Steuerkonzept eine Entlastung von insgesamt etwa 15 Mrd. Euro vor. Ein neuer Lohn- und Einkommenssteuertarif soll 10,2 Mrd. Euro bringen, die Lohnnebenkosten sollen um 4,7 Mrd. Euro sinken. Trotz einer niedrigeren Steuerfreigrenze sollen alle Einkommensbezieher profitieren, versprach IV-Präsident Georg Kapsch am Donnerstag.

Die Entlastung des Faktors Arbeit sei der "Kernhebel" für mehr Wachstum und zur Sicherung der Arbeitsplätze, sagte Kapsch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Zur Reform der Lohn- und Einkommenssteuer schlägt das IV-Papier mit dem Titel "FAIRSteuern"- ähnlich den bereits 2012 präsentierten Plänen - die Einführung von fünf (statt derzeit drei) Steuerstufen vor. Umgesetzt werden soll das Konzept stufenweise ab 2016 bis zum Jahr 2020.

Kernpunkte

Die IV will künftig die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts in den Steuertarif einrechnen. Zur Einbeziehung der Niedrigverdiener sieht das Konzept vor, die derzeit geltende Steuerfreigrenze von 11.000 Euro auf 9.780 Euro zu senken. Damit würde jeder, der brutto über dem Niveau der Mindestsicherung verdient, Steuern zahlen - allerdings mit einem niedrigeren Eingangssteuersatz als derzeit.

Denn das IV-Konzept sieht vor, die erste Steuerstufe deutlich zu senken - von derzeit (inklusive 13./14. Monatsgehalt) 32,1 Prozent auf zehn Prozent. Für Einkommensteile ab 16.000 Euro würden künftig 20 Prozent Steuer fällig, ab 35.000 Euro 30 Prozent, ab 70.000 40 Prozent. Der reale Höchststeuersatz von 43,75 Prozent soll beibehalten werden, allerdings erst ab 100.000 Euro brutto gelten statt wie derzeit ab 70.000 Euro (Anm.: Derzeit gilt ein Höchststeuersatz von 50 Prozent für Einkommensteile ab 60.000 Euro; die 43,75 Prozent sind der reale Steuersatz für Einkommensteile ab 70.000 Euro Jahresbrutto bei Einrechnung des 13./14. Gehalts).

Durch die Senkung der Steuerfreigrenze würde zwar auch ein Teil jener Erwerbstätigen, die derzeit aufgrund der niedrigen Einkünfte keine Steuern zahlen, künftig Lohnsteuer bezahlen müssen. Diese sollen aber durch weitere Maßnahmen wie etwa der vorgeschlagenen Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von derzeit zehn auf fünf Prozent entlastet werden - und so insgesamt mehr in der Geldbörse haben.

Ein wesentlicher Eckpunkt im Konzept der IV ist die Reduktion der Lohnnebenkosten. Insgesamt schlägt die Industriellenvereinigung hier eine Gesamtentlastung von 4,7 Mrd. Euro vor. Die Löwenanteile daran sollen die Senkung des Beitrages zum Familienlastenausgleichfonds von 4,5 auf drei Prozent (1,8 Mrd. Euro), die Streichung des Wohnbauförderungsbeitrages (rund 940 Mio.), die Reduktion der Kommunalsteuer von drei auf zwei Prozent (rd. 920 Mio.) und die Senkung des Dienstgeberbeitrages zur Unfallversicherung um drei Zehntelprozentpunkte (332 Mio.) ausmachen. Die IV erwartet sich davon vor allem wachstumsfördernde Impulse.

Die vorgesehene Reduktion der Mehrwertsteuer soll eine Entlastung von 944 Mio. Euro bringen. Im Gegenzug sollen Produktgruppen, die dem ermäßigten Steuersatz von zehn Prozent unterliegen, reduziert werden - etwa Steuern auf Pflanzen oder Tierfutter. Der ermäßigte Steuersatz von zehn Prozent soll nur mehr für Bereiche wie Mieten, Kranken- und Kuranstalten sowie Arzneimittel gelten. Laut IV-Konzept würde dies rund 1,4 Mrd. Euro in die Kassen der Finanz spülen. Die im 2012-er-Konzept der IV vorgeschlagene Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent ist laut Kapsch kein Thema mehr.

Eine Reform der Unternehmenssteuern soll diese um 950 Mio. Euro entlasten. Hier wird u.a. ein klares Bekenntnis zur Gruppenbesteuerung gefordert sowie mehr Rechtssicherheit für Unternehmen, etwa durch einen langfristigen "Rechtsentwicklungsplan" nach Vorbild der Schweiz sowie dem Verzicht auf "budgetär bedingte, kurzfristige Maßnahmen".

Ebenfalls vorgesehen ist im IV-Konzept die Streichung von "Bagatellsteuern" wie etwa der Lustbarkeitsabgabe oder Medizinproduktabgabe, die Streichung von Ausnahmen (etwa branchenübliche Pauschalierungen bei der Einkommenssteuer).

Auch erwähnt wird im IV-Papier eine Reform der Grundsteuer, die bis zu 500 Mio. Euro in die Staatskassen spülen soll. Hier schwebt der IV eine Umstellung auf ein System vor, dass auf Nutzungsart und Flächengröße abstellt.

Gegenfinanzierung durch "ausgabeseitige Reformen"

Die Finanzierung der von der IV vorgeschlagenen Steuerentlastung soll über ausgabeseitige Reformen erfolgen. Außerdem rechnet die IV mit einer "Selbstfinanzierung" der Reform in Höhe von rund 2,4 Mrd. Euro bzw. 15 Prozent des veranschlagten Volumens von 15 Mrd. Euro.

Jeweils Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes bzw. rund 4,9 Mrd. Euro erwartet die IV von Reformen bei den Pensionen sowie im Verwaltungsbereich. Im Gesundheitsbereich sollen vor allem durch Bürokratie-Abbau weitere 1,6 Mrd. Euro (0,5 Prozent des BIP) eingespart werden. Ebenfalls rund 1,6 Mrd. Euro erwartet sich die IV durch Einsparungen im Bereich der Förderungen und Subventionen.

Zeitplan

Zum Zeitplan betonte Neumayer, diese sei nicht die entscheidende Frage. Vorgesehen ist ein Drei-Stufen-Plan. Ab 2016 sollen die Lohnnebenkosten gesenkt werden, auch die Lohn- und Einkommenssteuerreform soll dann starten, allerdings in Etappen eingeführt werden. Auch die Effizienzsteigerung bei der Finanzverwaltung soll bereits 2016 umgesetzt werden, die Vereinfachungen im Steuerrecht ab 2018. Ab 2020 sieht die IV dann die Mehrwertsteuer-Reform vor, auch die Grundsteuer könnte dann umgestellt werden.

Der Drei-Stufen-Plan gilt auch für die Gegenfinanzierung. Erster Schritt soll die Pensionsreform sein, die u.a. die Einschränkung frühzeitiger Pensionsformen und eine raschere Anpassung des Frauenpensionsalters umfasst. Die Gesundheitsreform soll ab 2018 greifen, die Verwaltungsreformen und jene bei Förderungen und Subventionen ab 2020.

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