Steuerreform: Kanzler Faymann will die ÖVP überzeugen

Steuerreform: Kanzler Faymann will die ÖVP überzeugen
Bisher gab es nur an ÖVP-Chef Spindelegger interne Kritik. Jetzt mobilisieren die Gewerkschafter – im Zweifel gegen den Kanzler.

KURIER: Herr Bundeskanzler, der burgenländische SPÖ-Landesrat Peter Rezar fordert, dass Sie die Regierung verlassen sollen, wenn Sie nicht schnell Vermögenssteuern einführen. Seine Argumentation lautet: „Besser die Bundesregierung ist hin, als das Vertrauen der Menschen in die SPÖ“.
Werner Faymann
: Am besten, es stirbt niemand.

Aber Sie müssen doch spüren, dass das Vertrauen der Menschen zurückgeht.
In einer Wirtschaftskrise ist die Bevölkerung zu Recht skeptisch. Erst recht bei der hohen Arbeitslosigkeit in Europa.

Und bei uns steigt die Arbeitslosigkeit besonders stark.
Österreich steht noch deutlich besser da, aber bei uns ist sie auch viel zu hoch. Das ist unbefriedigend.

Neu ist aber auch, dass es in der SPÖ schon fast so undiszipliniert zugeht wie in der ÖVP und immer mehr Funktionäre öffentlich gegen die Führung auftreten.
Bei uns wurde immer heftig diskutiert, wenn ich mich daran erinnere, wie es zwischen Johanna Dohnal und Hannes Androsch zugegangen ist. Oder wenn ich denke, wie gerne der KURIER den steirischen Landesrat Flecker zitiert hat, wenn er gegen die Parteiführung argumentiert hat, bis er dann von den eigenen Leuten abgelöst wurde. Es muss konstruktiv sein, aber ich wünsche mir keine Grabesruhe in der SPÖ.

Wir haben schon vor über einem Jahr von der Ungerechtigkeit der kalten Progression bei der Lohnsteuer geschrieben. Warum ist die noch immer nicht abgeschafft?
Da bin ich ja dafür. Jetzt muss ich noch die ÖVP überzeugen, aber die war auch vor der letzten Steuerreform gegen alle unser Vorschläge, und hat dann nachgegeben. Wir werden uns sehr schnell mit der ÖVP zusammensetzen und eine Steuerreform erarbeiten. Von uns werden natürlich auch Vorschläge für vermögensbezogene Steuern kommen und dann werden wir sehr schnell eine Steuerreform machen. Die Leute wissen, dass wir sparen müssen, aber wir müssen am richtigen Platz sparen.

Ja, dann sparen Sie bitte an der richtigen Stelle. Wir zahlen in Summe schon mehr Steuern als die Schweden.
Allerdings hat Schweden inzwischen 25 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, und das in einem der reichsten Länder Europas. Wobei das nicht mit der Steuerquote zusammenhängt. Aber Schweden ist kein Vorbild mehr. Ich schau mir Deutschland an. Die liegen bei der Einkommenssteuer unter uns, aber bei der Vermögenssteuer über uns. Deswegen wollen wir mit der Steuer auf Einkommen runter, es muss mehr netto bleiben, aber dafür wollen wir Vermögenssteuern wie die Deutschen. Ja sogar die Schweizer besteuern das Vermögen und die reichen Schweizer und die reichen Deutschen sind auch nicht davongelaufen.

Obwohl die Deutschen jetzt schon weniger Lohnsteuer zahlen als wir, will der deutsche Finanzminister Schäuble die kalte Progression schnell abschaffen.
Ja, obwohl die Deutschen besser sind, will Schäuble noch was machen. Aber ich will mehr, nämlich einen großen Schritt mit einer Steuerreform und einer Entlastung um die 4 Milliarden Euro. Wir müssen diese 4 Milliarden aufstellen, um die kalte Progression der letzten Jahre auszugleichen.

Das wäre ja dann nicht einmal eine Steuersenkung?
Ja, aber wir müssen das jetzt tun. Gerade jetzt, wo die Wirtschaft so langsam wächst. Aber ohne Vermögenssteuer gäbe es eine zu kleine Steuerreform.

Und wenn die ÖVP nicht nachgibt, gibt es dann wenigstens eine kleine Steuerreform?
Ich setze auf die ÖVP-Wähler. 80.000 Menschen wären von unserer Vermögenssteuer betroffen, aber Millionen würden von einer Lohnsteuersenkung profitieren, da wird doch die ÖVP nicht eine Politik für die 80.000 machen.

Wen würde die Vermögenssteuer treffen?
Alle, die über einer Million netto haben, der Hauptwohnsitz wäre aber ausgenommen.

Aber Sie haben mit der ÖVP ja nicht einmal eine Reform der Grunderwerbssteuer zusammengebracht.
Wir wollten auf Verkehrswert umstellen. Aber wir wollten auch hier durchaus Ausnahmen für Häuslbauer und geringe Steuersätze für Einfamilienhäuser. Das war nie als große Einnahmequelle geplant.

Für Besserverdiener ist das 13./14. Gehalt schon höher besteuert. Kann das bald alle treffen?
Der Solidarbeitrag beginnt bei einem Monatsgehalt von circa 13.000 Euro brutto. Dabei soll es bleiben. Die Steuerentlastung soll aber den kleinen und mittleren Einkommensbeziehern zugutekommen.

Sie haben eine Sektsteuer eingeführt und die wird genau gar nichts bringen, wie wir kürzlich nachgewiesen haben.
Da schauen wir am Ende des Jahres, ob wir recht hatten oder der KURIER.

Reden wir einmal vom Sparen. Schon beim Österreich-Konvent vor zehn Jahren hat man errechnet, dass eine Verwaltungsreform zwei bis drei Milliarden Euro bringen kann – und zwar jedes Jahr.
Da bitte ich schon um Fairness, wir haben im Stabilitätspakt 2012 Maßnahmen gesetzt, die seither die Ausgabensteigerung massiv gesenkt haben und weiterwirken. Zwischen 2012 und 2015/’16 in Summe um circa 9 Milliarden Euro. Und zwar im öffentlichen Dienst, bei der Gesundheit, bei den Sozialversicherungen, bei den Pensionen. Da haben wir Steigerungen verhindert, da haben wir harte Eingriffe gemacht. Wir werden auch in dieser Legislaturperiode die Zahl der Beamten in der Verwaltung reduzieren – und zwar um 3000. Und bei der Bildung haben wir den Ansatz für die nächsten zwei Jahre um rund 180 Millionen erhöht, und da heißt es schon, wir sparen. Dieses Problem hätten die meisten Länder doch sehr gerne.

Und wie wäre es mit Sparen in der Verwaltung?
Da geht es jetzt um Doppelgleisigkeiten zwischen Bund und Ländern. Im Bund haben wir bei der Verwaltung gespart, aber bei den Ländern wissen wir nicht einmal, an wen Geld ausgegeben wird. Es gibt keine Stelle in der Republik, wo zusammenläuft, welche Förderungen ein Verein oder eine Person bekommt.

Aber dieser Missstand ist schon lange bekannt. Warum ändern Sie das nicht?
Noch vor ein paar Jahren hat es als Majestätsbeleidigung gegolten, wenn man einem Landeshauptmann gesagt hat, man will reinschauen, was er macht. Da hat jedenfalls die Bevölkerung inzwischen umgedacht. Wir brauchen jetzt Transparenz zwischen Bund und Ländern, um dann doppelte und dreifache Förderungen einzusparen. Das wird aber ein harter Weg.

Aber auch der Bund könnte effizienter werden. Im Bundesheer gibt es über 1000 Beamte, die nichts zu tun haben. Warum werden die nicht umgeschult für einen Einsatz in der Polizei oder in den Schulen?
Dafür soll es schon bald das Amt der Bundesregierung geben. Minister Ostermayer bereitet das vor. Das werden wir schon in einer der nächsten Regierungssitzung beschließen.

Und die Gewerkschaft stimmt dem zu?
Wenn wir das Heeresspital auflösen, ist doch nicht einzusehen, dass ein Arzt nicht woanders arbeiten kann. Wir werden die Beamten dort einsetzen, wo wir sie benötigen. Auch wenn Herr Neugebauer glaubt, es darf sich im Prinzip überhaupt nirgends etwas ändern.

Auch bei den Lehrern haben Sie nicht nur Freunde.
Ich glaube, dass viele Lehrer verstehen, dass man bei 14 Wochen Urlaub einen überwiegenden Teil der Fortbildung in der Ferienzeit macht. Die Wiener Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl hat den Vorschlag gemacht und ich werde sie dabei sicher weiter unterstützen.

Aber sogar symbolische Reformen wie die Abschaffung des Bundesrats schafft die Regierung nicht.
Ich bin gegen eine Abschaffung des Bundesrates. Vielmehr soll er reformiert werden, die Aufgabengestaltung verbessert, die Zusammensetzung verschlankt und wirksamer und kostengünstiger gestaltet werden. Das haben wir uns im Regierungsprogramm vorgenommen.

Kommen wir zur EU. Die SPÖ plakatiert „Österreich im Herzen, Europa im Kopf“. Sollten wir nicht auch das Friedensprojekt Europa emotional angehen?
Österreich ist ein Teil Europas, aber hier in der Heimat haben wir unsere Wurzeln. Als Nächstes haben wir dann natürlich auch Europa im Herzen, aber gerade weil ich mein Land liebe, möchte ich, dass Europa zusammenwächst. Viele Fragen sind nicht mehr national durchsetzbar. Gerade wenn man seine Kinder und Enkel gern hat, will man, dass es überall in Europa sozial zugeht.

Kann die EU-Wahl eine Protest-Wahl werden?
Das kann jede Wahl werden, es gibt eben Unzufriedenheiten in einer Gesellschaft. Die Leute würden lieber ihren Protest dadurch ausdrücken, dass sie Spekulanten abwählen, aber Spekulanten kann man nicht abwählen.

Ist es wichtig, dass die SPÖ die Nummer 1 wird?
Wir wollen immer Erster werden, aber es gilt, was die Wählerinnen und Wähler entscheiden.

Es gibt jetzt den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Schulz und den christlichsozialen Juncker. Wird derjenige, dessen Gruppe bei der Wahl in ganz Europa stärker ist, Kommissionspräsident?
Wenn es eine klare Entscheidung gibt, dann muss der Sieger Kommissionspräsident werden. Das ist wichtig, das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Und Johannes Hahn soll Kommissar bleiben?
Wir haben bisher keinen Zweifel daran gelassen, dass wir ihn unterstützen. Aber entschieden wird es nach der Wahl.

Jean-Claude Juncker hat sich kürzlich für eine gemeinsame europäische Verteidigung ausgesprochen, so könnte man 60 Milliarden einsparen.
Wir sind neutral, daran wird sich nichts ändern.

Zur Ukraine: Außenminister Kurz verhält sich da nicht neutral, sondern unterstützt eindeutig die Haltung der EU. Obwohl Österreich ja neutral ist.
Kurz macht das richtig, ich unterstütze ihn. Er trägt zur Deeskalation bei. Sanktionen sollen nur das letzte Mittel sein, weil schließlich treffen sie auch Österreich massiv. Deshalb ich bin sehr für Deeskalation.

Aber laut einer Umfrage sind die Österreicher eher dafür, sich aus dem Konflikt herauszuhalten.
Ich bin für eine aktive Neutralität, aber innerhalb der Gemeinschaft, in der wir sind.

Der Vorstoß von Werner Faymann im KURIER zu einer Reform bei gleichzeitiger Verkleinerung des ORF-Stiftungsrates wird von Koalitionspartner ÖVP abgelehnt. Dem Bundeskanzler ist der Stiftungsrat zu groß. Die heute 35 Mitglieder „könnten ja aus ihrem Kreis zehn bestellen“, diese würden de facto „Stiftungsrats-Aufgaben“ wahrnehmen. Die übrigen 25 wären dann „eine Art Beirat“, hatte Faymann vorgeschlagen.

Gernot Blümel, ÖVP-Mediensprecher und Generalsekretär seiner Partei, sagte dazu: „Wir waren und sind immer bereit über echte Reformen zu reden. Ein zusätzliches Gremium zu schaffen und einen Schritt hin zu noch mehr Zentralisierung machen zu wollen, ist aber ein unverständlicher und nicht nachvollziehbarer Vorschlag.“

Dafür wäre nach Ansicht der Volkspartei auch eine Änderung des ORF-Gesetzes notwendig. Blümel zum KURIER: „Erst vor wenigen Wochen haben wir gemeinsam eine Änderung des ORF-Gesetzes beschlossen.Im Zuge dieser Änderungen hätte die SPÖ ausreichend Möglichkeit gehabt sich mit Ideen oder Vorschlägen einzubringen. Vor vier Tagen erst hat sich der neue ORF-Stiftungsrat konstituiert.“

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