Steuern: ÖVP-Vorschläge wenig überzeugend

Hans Jörg Schelling erntet Lob von Mitterlehner: „Bestes Steuerkonzept aus dem Finanzministerium“
Die geplante Steuersenkung ist angesichts der Steuerlast wenig ambitioniert, die Gegenfinanzierung ist vage.

Nun liegen die Steuer-Konzepte beider Regierungparteien vor. Nach der SPÖ präsentierte am Mittwoch auch die ÖVP ein Modell für jene Steuerreform, die von beiden Koalitionspartnern zur Existenzfrage erklärt wurde.

Das Volumen des SPÖ-Konzepts ist mit sechs Milliarden um eine Milliarde ambitionierter als das der ÖVP und geht zur Gänze in eine Lohn- und Einkommensteuersenkung.

Das ÖVP-Modell sieht 3,8 Milliarden für die Abgeltung der kalten Progression vor. 800 Millionen sollen die Unternehmen, 400 Millionen die Familien bekommen.
Bei der Gegenfinanzierung sieht die SPÖ zwei Milliarden Reichensteuern (auf Erbschaft, Schenkung und Vermögen) sowie 800 Millionen durch die Beseitigung von Steuerausnahmen vor.

Die ÖVP sieht an Steuererhöhungen lediglich 900 Millionen Ausnahmenbeseitigung vor. Beide Parteien wollen eine Milliarde durch Betrugsbekämpfung hereinbringen, sowie 900 Millionen (ÖVP) bzw. eine Milliarde (SPÖ) durch eine Ankurbelung des Konsums (= Selbstfinanzierung).
Die ÖVP will zwei Milliarden einsparen, die SPÖ eine.

Einsparung zerpflückt

Der Ökonom Ulrich Schuh zerpflückt beide Gegenfinanzierungskonzepte. Die Einnahmenberechnungen der SPÖ für die Reichensteuern würden zwar stimmen, aber nur so lange, bis sich „alle Stiftungen aufgelöst und die Reichen aus Österreich verabschiedet haben“. Die Steuer-Ideen der SPÖ seien „standortschädlich“. Bei der ÖVP verhalte es sich umgekehrt. Ihre Ideen seien „löblich, aber wenig konkret, die Zahlen wenig überzeugend“. Löblich sei, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling mit den Ländern eine Ausgabenbremse bei der Verwaltung einführen will. Löblich sei auch, dass Schelling 500 Millionen bei den Förderungen einsparen will.
Aber mehr als vage Sparziele enthalte das ÖVP-Konzept bisher nicht.

Für „nicht notwendig“ hält Schuh, die Familienförderung nochmals um 400 Millionen zu erhöhen. Schuh: „Alle sind sich einig, dass bei uns die Förderungen viel zu hoch sind, und dann legen wir dort, wo wir ohnehin schon Förder-Europameister sind, noch einmal etwas drauf. Das ist nicht stimmig.“ Vielmehr plädiert Schuh dafür, die Familienförderung treffsicherer zu machen, etwa, indem sie ab der Volljährigkeit gestrichen wird und im Gegenzug für bedürftige Studenten die Stipendien erhöht werden.

Eine Milliarde durch Betrugsbekämpfung zu lukrieren, hält Schuh für „nicht realistisch“. Diese Zahl sei „ein Platzhalter, um irgendwie eine Gegenfinanzierung darzustellen“. Auch bei der Beseitigung von Steuerausnahmen ist Schuh skeptisch: „Das ist wie beim Streichen von Förderungen. Abstrakt sind alle dafür. Wird es konkret, kommt der Aufschrei.“

Der Ökonom rät der Regierung dringend, eine überzeugende Gegenfinanzierung zu präsentieren, sonst würde der Entlastungseffekt verpuffen. Schuh: „Das wäre nicht die erste Steuerreform, die nicht finanzierbar war und dann Steuererhöhungen nach sich zog. Die Bevölkerung weiß das. Wenn die Regierung keine glaubwürdige Finanzierung vorlegt, wird die Bevölkerung vorsichtig sein beim Konsum, weil sie befürchtet, dass ihr das Geld wieder weggenommen wird.“

Für das unterste Einkommenssegement, wo keine Steuern gezahlt werden, gibt es unterschiedliche Entlastungsansätze: Die SPÖ will die Negativsteuer (= Direktzuschuss) erhöhen. Schelling lehnt das ab. Er schlägt stattdessen vor, bei Sozialversicherungsbeiträgen eine Progression einzuführen (wer wenig verdient, bezahlt einen niedrigeren Prozentsatz als der, der mehr verdient. Derzeit sind die Prozentsätze nur nach Berufsgruppen unterschiedlich, nicht nach Einkommenshöhe).

Progressive Sozialversicherungsbeiträge würden das Versicherungsprinzip aushebeln, warnt Schuh. Bei der Arbeitslosen- und der Pensionsversicherung gebe es einen weitgehenden Konnex zwischen Beitrag und Leistung. Bei der Krankenversicherung werde bereits massiv umverteilt – jeder bekommt die gleiche Leistung unabhängig von der Beitragshöhe. In der Medizin werde niemand die Leistungen an die Beitragssätze anpassen wollen, warnt Schuh.

Super, unseriös oder katastrophal?

Politische Reaktionen auf Schellings Steuerpläne: „Das beste Steuerkonzept, das ich je aus dem Finanzministerium gesehen habe“, lobt ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. „Zu wenig Entlastung für die Arbeitnehmer“, sagen SPÖ und Arbeiterkammer. Verteilungspolitisch „katastrophal“, urteilen die Grünen. „Unseriöse Gegenfinanzierung“ bemängeln Neos. Die FPÖ mutmaßt, die ÖVP habe dieses Konzept gemacht, „um die SPÖ zu ärgern“.

Das Gegenmodell der SPÖ finden Sie hier.

Die beiden Koalitionsparteien haben ihre Konzepte für die Steuerreform nun präsentiert - und sind bei wichtigen Punkten erwartungsgemäß recht weit auseinander. Ab nächster Woche geht es in die Verhandlungen - die Wünsche an den Regierungspartner sind ja schon öffentlich deponiert. Wie es da einen Kompromiss geben kann, das bleibt die große Frage. Denn eine Einigung soll ja bis 17. März stehen - und sowohl von SPÖ als auch von ÖVP wurden nun die guten Chancen auf eine Übereinkunft betont. Andernfalls hatte man ja schon das Ende der Koalition in Aussicht gestellt.

Der Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Klaus Hübner, sagte im Ö1-Morgenjournal, dass er keine besondere Erwartungshaltung an die Steuerreform habe; der Spielraum sei derzeit einfach nicht gegeben. "Wir wünschen uns alle, dass es mehr wäre", aber von einem verantwortungsbewussten Blickpunkt aus könne man eine Reform nicht "auf Pump" finanzieren, sondern "in der Verwaltung schauen, welche Strukturmaßnahmen sind da erreichbar". Man müsse selbst erst Manövriermasse in der Verwaltung schaffen. Wenn man jährlich hier zwei Prozent einspare, "haben wir nach drei Jahren 5 oder 6 Milliarden."

Das Steuerrecht sei zudem "irrsinnig komplex geworden", es gebe einen Wildwuchs an Ausnahmebestimmungen. Die abzuschaffen, sei aber selbstverständlich "eine Form der Gegenfinanzierung. "In die eine Tasche kriegt man bissl was, aus der anderen nimmt man wieder bissl etwas weg", so Hübner. Am Ende werde es einen Kompromiss geben, glaubt er. Unterm Strich werde dieser aber eben nicht der große Wurf sein, da es wegen der Budgetlage und der hohen Staatsausgaben kaum Spielraum gebe.

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