SPÖ-Rebellen starten Test für Direktwahl des Parteichefs

Die "Vorsitzwahl2016" der "Sektion 8" im Internet
Wiener "Sektion 8" lässt Kritiker wie Ederer, Kaiser, Kern und Wehsely online gegen Faymann antreten. Urwahl durch alle Mitglieder gefordert.

Die "Sektion 8" der Wiener SPÖ will - befeuert durch die rote Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl - Kanzler und Bundesparteichef Werner Faymann unter Druck bringen. Sie fordert, dass der Vorsitzende künftig von allen Mitgliedern direkt gewählt werden kann. Um die Debatte in Schwung zu bringen, startet der SPÖ-Thinktank nun eine "Testwahl", sagte Sektions-Vorsitzende Eva Maltschnig am Mittwoch.

Hintergrund des Vorstoßes ist auch, dass Faymann beim für Herbst anberaumten Bundesparteitag als Vorsitzender von den Delegierten zur Wiederwahl antritt. Einen Gegenkandidaten sieht das Prozedere traditionell nicht vor.

Plattform gestartet

"Die Leute sollen sich vorstellen können, wie es wäre, wenn es jemand anderer macht", erklärte Maltschnig in einer Pressekonferenz. Dafür haben die - als renitent bekannten - Genossen die Plattform www.vorsitzwahl2016.at ins Leben gerufen. Auf dieser Website lässt die "Sektion 8" fünf namhafte Sozialdemokraten gegen Faymann um den Posten des Parteivorsitzes antreten - allerdings ohne deren dezidiertes Einverständnis, wie Maltschnig einräumte. Wobei man die Proponenten grundsätzlich sehr wohl über die Aktion informiert habe.

Zur (fiktiven) Wahl stehen Personen, die sich in letzter Zeit mehrheitlich kritisch zum Zustand der Partei geäußert haben: der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, Ex-Siemens-Chefin und SPÖ-Spitzenpolitikerin Brigitte Ederer - sie hatte jüngst Faymanns Rücktritt gefordert -, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der die Vorverlegung des Bundesparteitags ins Spiel gebracht hatte, und die Wiener Sozialstadträtin Sonja Wehsely, lautstarke Kritikerin von Faymanns Flüchtlingskurs. Komplettiert wird die Kandidatenliste von ÖBB-Chef Christian Kern, der immer wieder als möglicher Ablösekandidat an der Parteispitze genannt wird. "Titelverteidiger" Faymann selbst findet sich freilich auch auf dem Stimmzettel.

"Wir wollen zeigen, dass es viele gute Leute gibt", meinte Maltschnig. Sie lud alle roten Teilorganisationen, Sektionen und Ortsparteien ein, sich an der Vorsitz-Testwahl zu beteiligen. Macht eine Gruppe mit, bekommt sie von der "Sektion 8" Stimmzettel und Infos über die Kandidaten zugeschickt und kann dann voten. Teilorganisationen können zudem eigene Kandidaten ins Spiel bringen. In einer zweiten Phase können auch einzelne SPÖ-Mitglieder oder externe Sympathisanten online abstimmen. Dieses Ergebnis werde aber separat ausgewiesen. Resultate soll es aber jedenfalls Ende Juni geben, kündigte die "Sektion 8"-Chefin an.

Harte Worte

Zum gegenwärtigen Zustand ihrer Partei fand Maltschnig harte Worte. "Wer von der SPÖ behauptet, dass das Wahldebakel am Sonntag eine Überraschung war, der lügt. Wir sind das Verlieren inzwischen gewöhnt", so ihre Analyse. Nach Maltschnigs Zählung haben die Roten - mit Ausnahme Kärnten - 18 Urnengänge hintereinander verloren. Die aktiven Einbindung aller Mitglieder in (Personal-)Entscheidungen sieht die Sektionsvorsitzende als "einzige Chance, damit die SPÖ wieder eine Bewegung wird, mit der man rechnen kann".

Derzeit würden Weichenstellungen im Hinterzimmer erfolgen, was zu einer Art Politisierung innerhalb der Partei geführt habe. Außerdem sei die Parteiführung "auch nicht schlauer als die Masse". Maltschnig nannte die Direktwahl des Parteichefs einen "demokratischen Standard in anderen sozialdemokratischen Parteien" und führte als Beispiele Frankreich, Spanien, Dänemark, Brasilien, Italien oder England an. Im Vereinigten Königreich habe die Vorsitzwahl der Labour-Partei allein 200.000 neue Mitglieder gebracht - eine Verdoppelung: "Das können wir uns hier nur wünschen."

Die "Sektion 8" erhofft sich durch die Aktion auch Rückenwind für ihren entsprechenden Direktwahlantrag, den sie beim Parteitag im Herbst einbringen wird. Beim Wiener Landesparteitag vor knapp zwei Wochen hatte man dies ebenfalls schon getan. Dort wurde das Papier einer Arbeitsgruppe zugewiesen - was der rote Thinktank mit einem "Begräbnis" gleichgesetzt hatte.

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