SPÖ-Niessl attackiert ÖVP-Kurz als "Quertreiber" in der Koalition

Niessl: "Was hat Kurz bis dato umgesetzt? Nichts.“
Burgenländischer Landeschef im KURIER-Interview: Gruppe um Kurz wolle Mitterlehner stürzen & Neuwahl.

100 Tage amtiert Christian Kern als Kanzler. Dessen bisheriges Wirken behagt dem burgenländischen SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl. Vor allem deshalb, weil von Kern etwas gekommen ist, das in Niessls Sinne ist: "Er hat gefordert, dass die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gestoppt werden. Und er ist nun auch dafür, dass es die Notverordnung (nicht mehr als 37.500 Asylverfahren in diesem Jahr) bald gibt." Dahingehend haben die ÖVP und Niessl Druck gemacht.

Sollte die SPÖ nicht eigene Themen setzen, statt auf die vielen Gesetzesverschärfungswünsche der ÖVP in der Flüchtlingscausa zu reagieren? "Die ÖVP versucht doch nur, schlagzahlträchtig Schlagzeilen zu produzieren. So funktioniert ernsthafte Politik nicht. Man sollte regierungsintern diskutieren, Konsens suchen, dann an die Öffentlichkeit gehen, nicht umgekehrt. Abgesehen davon wird manches rechtlich gar nicht gehen. Ich bin neugierig, was von all dem umgesetzt wird", befindet der Landespolitiker.

Größter ÖVP-Schlagzeilen-Lieferant der Schwarzen sei Außenminister Sebastian Kurz, urteilt Niessl im KURIER-Gespräch: "Ich höre von ihm viele Vorschläge, die gut klingen – und die bei den Menschen auch gut ankommen. Und was hat er bis dato umgesetzt? Nichts."

"Weniger reden"

Wo ist Kurz säumig? "Schweden hat durch ein bilaterales Abkommen erreicht, dass Hunderte Jugendliche, die keinen Asylstatus haben, nach Marokko rückgeführt werden können. Wo ist die Initiative des Außenministers für so ein Abkommen mit Österreich? Wo ist die Initiative dafür, dass auch Ungarn Flüchtlinge aufnimmt?" Kurz’ Ansagen seien "zu hinterfragen. Das ist mehr als mangelhaft. Weniger reden und mehr umsetzen, wäre gescheiter."

Wie SPÖ-Klubchef Andreas Schieder ortet Niessl "Quertreiber" in der ÖVP: "Das ist eine Gruppe um Kurz mit Klubobmann Reinhold Lopatka an der Spitze." In der SPÖ rechneten "sehr viele damit, dass es früher oder später zu einem Wechsel an der ÖVP-Spitze kommt – weil die Kräfte rund um Lopatka den Wechsel von Reinhold Mitterlehner zu Kurz betreiben. Sie hoffen, wenn sie diesen kurzfristig als Spitzenkandidaten präsentieren, auf ein besseres Ergebnis bei der Nationalratswahl."

Im nächsten halben Jahr werde sich zeigen, ob der Koalitionsbund bis zum regulären Endtermin im Jahr 2018 hält, meint Niessl: "Wenn es die Regierung schafft, die Zahl der Arbeitslosen zu reduzieren, flüchtlingspolitisch etwas weiterbringt – Rückführungen, Schengen-System wieder in Kraft etc. – und auch im Bildungsbereich, dann wird nicht vor der Zeit gewählt. Andernfalls wohl schon."

Sollte es hernach keinen Pakt mehr mit der ÖVP geben – angesichts der Klagen über sie? Oder bleibt der SPÖ wegen des Nein zu einem Bündnis mit der FPÖ nichts anderes übrig? "Viele in der SPÖ meinen, dass wir uns sehr stark der ÖVP ausgeliefert haben. Natürlich ist es schwieriger, wenn man nur eine Option hat", antwortet Niessl, der im Burgenland mit den Freiheitlichen regiert. Einmal mehr verweist er darauf, wie gut diese Konstellation funktioniere.

FPÖ als Option?

Sollte sich die SPÖ also auch im Bund den Blauen gegenüber öffnen? "Sie sollte die Türen und Fenster öffnen, um möglichst viele Menschen in den Raum zu lassen. Eine Zielgruppe müssen Leute sein, die einst die SPÖ gewählt haben und jetzt FPÖ-Wähler sind. Die müssen wir zurückholen." Ob sich Kern der FPÖ in Form einer Koalition öffne, sei dessen Sache – respektive die der Bundespartei. "Ob Gemeinde, Land oder Bund: Das sollte auf jeder Ebene separat entschieden werden."

Eine Zusammenkunft von Kern, Niessl & Co mit Strache & Co hat es bereits gegeben. Sollte das fortgeführt werden? "Ich gehe davon aus, dass sich unser Parteivorsitzender mit allen anderen Parteichefs regelmäßig trifft."

Kommentare