Aufbruchstimmung, bitte warten
Es ist nicht auszuschließen, dass einige der 52 Abgeordneten bei der Klubklausur der SPÖ baden gehen. Schließlich treffen sich die Roten in der St. Martins Therme im burgenländischen Frauenkirchen. Dort geht es ums bessere Kennenlernen der Neuen, und um die Arbeitsaufteilung für die kommenden Monate.
Ein guter Freund
Stargast, neben den roten Ministern und dem Bundeskanzler, ist freilich Eugen Freund: Mit der Nominierung des Ex-ORF-Anchorman als Spitzenkandidat für die EU-Wahl im Mai hat Kanzler Faymann die drängendste Baustelle der SPÖ fürs Erste gelöst. „Damit ist jetzt viel möglich für die SPÖ, vor allem im Vergleich zum desaströsen Ergebnis der EU-Wahl 2009“, erinnert OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer an das magere rote Ergebnis von nur 23,7 Prozent. Bachmayer: „Ich würde zwar nicht völlig ausschließen, dass die SPÖ bei der EU-Wahl doch nur Dritter hinter der FPÖ wird, allerdings liegt es mit dem Spitzenkandidaten Freund auch im Bereich des Möglichen, dass die SPÖ erstmals wieder seit 1999 auf Platz 1 kommt.“
Steuerreform
Gastgeber des roten Klubs in seiner Heimatgemeinde ist Burgenlands SPÖ-Chef Landeshauptmann Hans Niessl: Der hatte zuletzt ordentlich Druck gemacht, dass die angekündigte Steuerreform schneller als geplant kommt – im Burgenland wird Anfang 2015 gewählt.
Andres Schieder im Porträt:
Doch der neue rote Klubchef Andreas Schieder bremst, im Vorfeld der Klausur bat er um Verständnis, dass es noch „politische und fachliche“ Expertise brauche. Doch Niessl ist nicht der Einzige, der auf niedrigere Steuern drängt (siehe Artikel unten).
Ganz so unproblematisch sei die Situation aber auch für die SPÖ nicht, findet Politologe Fritz Plasser: „Die Umfragen zeigen, dass sich die Situation der SPÖ seit der Wahl kaum verändert hat. Sie liegt derzeit eher hinter dem Wahlergebnis, Stichwort Budgetloch“, erklärt der Professor. Das sich die SPÖ nicht so wie die ÖVP öffentlich streite, sei kein Zufall, sagt Plasser: „Auch in der SPÖ gibt es rebellische Gruppen, etwa im ÖGB oder in der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter“, sagt Plasser. „Nur gibt es in der SPÖ eine Tradition zur Disziplin, nur intern zu streiten. Genau so wie es eine langjährige Tradition in der ÖVP gibt, den internen Streit in der Öffentlichkeit auszuleben.“
Keine Zwischenrufer
Meinungsforscher Bachmayer sieht zudem die SPÖ im Vorteil, weil die Partei im Wahlkampf erst gar nicht revolutionäre Reformen versprochen habe. „Faymanns Wahlslogan ,Mit sicherer Hand‘ suggerierte ja, dass man keine großen Veränderungen beabsichtige.“ Zudem würden Zwischenrufer innerhalb der Partei, anders als bei den Schwarzen, derzeit auch nicht die Parteiführung infrage stellen.
Tatsächlich: Nicht einmal Parteirebellen wie die Sektion 8 wurden zuletzt laut, auch wenn diese über den Koalitionsvertrag urteilt: „Nicht genügend, wenngleich kein Desaster“.
Die Legenden der Sozialdemokratie:
Er hat ein Faible für Oldtimer, weiß nicht genau, wie hoch seine Pension sein wird und kennt das aktuelle SPÖ-Parteiprogramm nicht: Bereits wenige Tage nach seiner Nominierung als SPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl beweist Ex-ORF-Anchor Eugen Freund seinen (im KURIER am Sonntag angekündigten) Hang zu medialen Fettnäpfchen.
Jüngster Fauxpas: In einem profil-Interview berichtet er über SPÖ-Chef Werner Faymann, dass er „überrascht gewesen sei“, weil dieser ganz anders sei als medial dargestellt, nämlich „intelligent, und er spricht klug über alle möglichen Dinge“. Angesprochen auf die Höhe des Durchschnittseinkommens in Österreich zeigt er sich ahnungslos: „Ungefähr 3000 Euro?“ „Um ein Drittel weniger“, erklärten ihm seine Interviewpartner. „Netto?“, fragt Freund. Laut Statistik Austria lag 2012 der Einkommensschnitt bei netto 1.616 Euro pro Monat.
Spott & Häme
Am Sonntag folgte nicht nur auf den sozialen Medien viel Häme, auch Spiegel online twitterte darüber.
„Man muss nicht jede Zahl auswendig wissen“, findet der grüne EU-Parlamentskandidat Michel Reimon. „Aber ein Politiker muss bei so einer Frage die ungerechte Vermögens- und Einkommensverteilung im Land ansprechen. Zu sagen: ,Das ist nicht meine schuld‘, ist ja fast die Kategorie von ,Dann sollen sie halt Kuchen essen‘. Das geht gar nicht, da könnte Freund ja gleich für die ÖVP kandidieren.“
Politik-Berater Thomas Hofer meint, man erkenne hier klar die politische Unerfahrenheit von Freund. „Auch das negative Potenzial für einen prominenten Quereinsteiger ist groß. Sollte sich das öfters wiederholen, sollte die SPÖ-Kommunikation dringend eingreifen.“
Und ORF-Journalist Armin Wolf, der sich in seiner Doktorarbeit mit prominenten Quereinsteigern in der Politik beschäftigte, twitterte: „Spitzenpolitik ist ein wirklich, wirklich schwieriger Job. Deshalb können es ja auch nur wenige."
Faymann: "Trotzdem guter Spitzenkandidat"
Die SPÖ, immerhin ihrer Tradition nach Arbeiterpartei, vergibt ihrem Spitzenkandidaten am Montag dessen Fehl-Schätzung: "Weil er sich einmal bei einer Zahl verschätzt, ist er noch immer ein guter Spitzenkandidat", meinte Kanzler Werner Faymann am Rande der Klubklausur gegenüber Journalisten.
Von der ZiB zur SPÖ:
Qualität vor Geschwindigkeit: „Auch mir wäre es am liebsten, wenn die Steuerentlastung so rasch wie möglich kommt. Aber ich bin Realist: Wenn man nicht nur Kosmetik betreibt, wird man Zeit brauchen. Und wir brauchen eine umfassende Steuerreform“, sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar im KURIER-Gespräch.
Mehr und mehr SPÖler, speziell im Westen Österreichs, haben sich zuletzt der Forderung von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl nach einer sofortigen Steuerentlastung angeschlossen. Um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln – wie wohl „sofort“ meist 2015 bedeutet. Erich Foglar will nicht bremsen und sieht auch „überhaupt keinen Konflikt“ in dieser Frage in seiner Partei. Auch er wisse um die „entfesselnde Wirkung“ von Steuersenkungen, wie „wir 2009 mit dem Drei-Milliarden-Paket bewiesen haben.“ Aber er will die „Schieflage im System“ umfassender angehen, und nicht nur „am Tarif drehen“.
SPÖ-Parteiforderung
„Schief“ verteilt ist für den Gewerkschaftschef vor allem die Gesamtbelastung. Lohnsteuer plus Umsatzsteuer machten längst zwei Drittel des Steueraufkommens aus. Foglar: „Die Budgetsanierung findet auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Konsumenten statt und in aller Regel sind das ein und die selben Personen.“Daher trete er auch weiterhin für eine Millionärssteuer ein, sagt Foglar, „ohne Klassenkampf und Totschlagargumente“. Obwohl oder weil sich so eine Steuer nicht im Regierungsprogramm finde: „Das bleibt eine Forderung der Partei.“
Hart ins Gericht geht Foglar momentan mit Michael Spindelegger. „Beim Herrn Vizekanzler scheint das Wort ’Arbeitnehmer’ nicht im Sprachgebrauch vorzukommen.“ Was Foglar am ÖAAB-Mann Spindelegger so erbost, ist seine Vorgangsweise beim jüngsten Steuererhöhungspaket, etwa die Streichung der Steuervorteile bei Kündigungsentschädigungen. Er erwarte sich eine Rücknahme dieser Forderung.
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