Spitäler müssen Ambulanzen schließen

Spitäler müssen Ambulanzen schließen
Die neuen Arbeitszeiten für Ärzte bedeuten auch für manche Ambulanz das Aus.

Die gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Arbeitszeit von Spitalsärzten auf 48 statt 60 Stunden pro Woche (der KURIER berichtete) könnte für Patienten unliebsame Konsequenzen zeitigen.

Da die Ärzte real kürzer arbeiten, fehlt es – sofern nicht deutlich mehr Personal eingestellt wird – in fast allen Krankenhäusern an Ressourcen.

In Österreichs größtem Spital, dem Wiener Allgemeinen Krankenhaus, wurde die Zahl der planbaren Operationen deshalb schon Anfang Jänner reduziert (10 bis 15 Prozent Minus); Patienten warten bei "elektiven Eingriffen" nachweislich länger (siehe unten).

Dem nicht genug, soll sich insbesondere die Situation in den Spitalsambulanzen deutlich ändern.

"Aus heutiger Sicht ist damit zu rechnen, dass viele Ambulanzen komplett geschlossen werden", sagt Gesundheitsökonom Ernst Pichlbauer zum KURIER.

Defizit-Bringer

Warum, das ist schnell erklärt. "Die Ambulanzen", sagt Pichlbauer, "sind im Krankenhaus die Defizit-Bringer." Das liegt unter anderem daran, dass die Krankenkassen den Spitälern nicht, wie bei stationären Patienten, jeden Ambulanzfall einzeln, sondern einen fixen Pauschalbetrag für alle Patienten bezahlen. "Dieser Betrag", sagt Pichlbauer, "wurde seit 1995 aber nicht evaluiert und deckt in vielen Einrichtungen nur 30 Prozent der anfallenden Kosten."

Die Konsequenz: Ist ein Spital vor die Wahl gestellt, ob es mit dem bestehenden Ärzte-Personal lieber seine Stationen oder die Ambulanzen weiter betreibt, wird es sich allein aus Kostengründen für die Stationen entscheiden.

Spitäler müssen Ambulanzen schließen
Johannes Steinhart, Vizepraesident der Wiener Aerztekammer, bereitet sich am Mittwoch (05.12.12) in Wien auf eine Protestaktion gegen die Gesundheitsreform vor. Die Aerzte befuerchten Leistungskuerzungen durch die Gesundheitsreform der oesterreichischen Regierung. Foto: Ronald Zak/dapd
Ganz ähnlich sieht die Sache Johannes Steinhart (Bild), Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer: "Im AKH werden die Leistungen in einigen Ambulanzen schon jetzt spürbar zurückgefahren und auch andere Spitäler werden sich bald die Frage stellen: Was ist eigentlich unsere Kernkompetenz?"

Spezial-Ambulanzen wie etwa für Transplantationspatienten werde es in den Krankenhäusern auch in Zukunft geben. "Aber die derzeitige Situation, also dass man mit banalen Infekten oder Ohrenschmerzen in einer Ambulanz sitzt, könnte sich sehr bald aufhören."

Überlastung

Als Kurien-Obmann der niedergelassenen Ärzte macht Steinhart vor allem die drohende Überlastung der Arzt-Praxen Sorgen.

Welche Überlastung?

Nun, die Interessenvertreter fürchten, dass all jene Patienten, die aufgrund von geschlossenen oder kürzer offenen Ambulanzen nicht behandelt werden, in den niedergelassenen Bereich abwandern.

"Wir haben 17,2 Millionen Ambulanzfälle im Jahr. Reduzieren die Ambulanzen ihre Leistungen nur um zehn Prozent, dann bedeutet das, dass jedes Jahr zusätzliche 1,7 Millionen Ambulanzfälle von den Arztpraxen bewältigt werden müssen", sagt Steinhart. Dies könnten die Ärzte nur dann schaffen, wenn ihre Möglichkeiten massiv verbessert würden.

Soll heißen: Im niedergelassenen Bereich müssten mehr Ärzte tätig sein. Laut Kammer fehlen 1300 Ordinationen mit Kassenvertrag.

Zudem müssten die Mediziner von bürokratischen Hürden befreit und die Anreize für angehende Ärzte (z. B. mit Lehrpraxen) verbessert werden.

Kassen widersprechen

Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger kann man die Warnungen nur begrenzt nachvollziehen: Es stimme einfach nicht, dass die Zahl der niedergelassenen Ärzte sinke und Ordinationen fehlten. Das Gegenteil sei der Fall: Während die Bevölkerung seit 1970 um 14 Prozent zugenommen habe, sei die Zahl der Kassenärzte im gleichen Zeitraum um 36, und die Zahl der Kassen-Fachärzte sogar um 71 Prozent gestiegen.

Die aktuellste große Verhandlungsrunde zur Umsetzung des neuen Ärztearbeitszeitgesetzes am Wiener AKH hat am Montag wieder kein Ergebnis gebracht. Derzeit würden unterschiedliche Modelle und Rahmenbedingungen diskutiert, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Wissenschaftsministerium. "Es wird gerechnet", betonte auch der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres. Das nächste Treffen zwischen Wissenschaftsministerium, das für die Medizinische Universität Wien und damit die Ärzte am AKH verantwortlich zeichnet, Stadt Wien, Rektorat, Gewerkschaft und Ärztevertretern ist für kommende Woche anberaumt. Inzwischen soll auch in kleinen Gruppen weiter debattiert werden.

Bereits in der Vorwoche hat man sich indes für die Mediziner der Spitäler des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) geeinigt: Diese Lösung - sie sieht u.a. höhere Grundgehälter und weniger Nachtdienste vor - muss jetzt allerdings noch von den Ärzten in einer Urabstimmung abgesegnet werden. Diese wird laut Ärztekammer noch im Februar stattfinden. Für die Wiener Ordensspitäler wird noch nach einer Lösung gesucht.

Kommentare