Ermittlungsakt relativiert Schlepper-Verdacht

Asylwerber, DEMO, Servitenkloster, Pakistani
Keine Millionenbeträge, keine Gewalt: Die schweren Vorwürfe gegen die Servitenkloster-Flüchtlinge dürften sich nicht erhärten.

Die Schlepperei-Ermittlungen gegen die mittlerweile inhaftierten ehemaligen Bewohner des Servitenklosters dürften vom Innenministerium wesentlich dramatischer präsentiert worden sein, als sie vermutlich sind.

Einem Bericht des Falter zufolge finden sich im Gerichtsakt weder Hinweise auf Millionenbeträge, die die Wiener Beschuldigten laut Innenministerium kassiert haben sollen, noch auf Gewalthandlungen, von denen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach. Sie hatte etwa in einem Interview mit dem KURIER gemeint, der Schlepperring würde "äußert unmenschlich" agieren: "Wenn es etwa Probleme mit schwangeren Frauen auf der Schlepper-Route gab, dann wurden diese Frauen hilflos auf der Route zurückgelassen."

"Diese Vorwürfe sind nicht Gegenstand unseres Ermittlungsverfahrens. Wir kennen das nur aus den Medien", sagen Thomas Vecsey und Erich Habitzl, die Sprecher der Anklagebehörden Wien und Wiener Neustadt. Auch die laut Polizei gescheffelten "zehn Millionen" (in manchen Stellungnahmen war von drei Millionen die Rede) sind, wie die Gerichtsakte zeigt, nicht Akteninhalt, sondern nur zugespitzte polizeiliche Schätzungen.

"Die Verdächtigen sind sicherlich keine großen Bosse."

Diese Recherchen des Falter bestätigen Nina Bussek und Thomas Vecsey, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wien. Die beschuldigten Votivkirchen-Flüchtlinge hätten laut Aktenlage bei mutmaßlichen Schleppungen allenfalls "ein paar hundert" Euro erhalten. Doch selbst dieser Vorwurf werde erst geklärt. In den Einvernahmeprotokollen ist einmal von 50 Euro die Rede (wovon 15 Euro für ein Dönerkebab für einen "Geschleppten" bezahlt werden mussten), einmal von 40 Euro. Ein inhaftierter Serviten-Kloster-Flüchtling ist geständig, Pakistanis im Railjet von Budapest nach Wien begleitet zu haben. Er habe zwei-, dreimal pro Woche bei Schleppungen geholfen.

Erich Habitzl, Sprecher der StA Wiener Neustadt: "Die Verdächtigen sind sicherlich keine großen Bosse. Es liegen uns auch noch keinerlei Beweise vor, welche Beträge wirklich an die Beschuldigten bezahlt wurden und ob die Verdächtigen überhaupt Geld bekommen haben."

Die Grünen haben als Reaktion auf den Bericht eine parlamentarische Anfrage an die Innenministerin gestellt. Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas der Erzdiözese Wien, zeigte sich "fassungslos, wütend und erleichtert" über den Inhalt der Ermittlungsakte. Es sei "zum Schämen, wie auf dem Rücken der Schwächsten in Wahlkampfzeiten Politik gemacht wird“.

BKA sieht "keinen Widerspruch"

Das Bundeskriminalamt hielt fest, dass sich die Ermittlungen gegen den internationalen Schlepperring erst am Anfang befinden und noch andauern würden: "Medieninformationen werden zu jedem Zeitpunkt basierend auf der Faktenlage gegeben." Zu dem Vorwurf, die Flüchtlinge würden beschuldigt, schwangere Frauen auf der Flucht ausgesetzt zu haben, erklärte das BKA, diese Information habe sich auf Vorgangsweisen im internationalen Schlepperring bezogen. Dieser sei nur zum Teil in Österreich tätig. Klar sei weiters, dass sich die durch das internationale Verbrechen erzielte Gewinne hierarchisch verteilt werden: "Daher kann zwischen der laufenden polizeilichen Berichterstattung an die Staatsanwaltschaften und den Erkenntnissen der SOKO kein Widerspruch erkannt werden."

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