Selbstbehalte für alle, Bonus für gesund leben

Die ÖVP verlangt mehr Selbstbehalte. Alle Versicherten sollen für medizinische Leistungen etwas zahlen. Gesünder leben soll belohnt werden
VP-Pläne. Österreich liegt bei Selbstbehalten im OECD-Mittelfeld. SPÖ gegen "Steuer auf Kranksein".

Die ÖVP will "Selbstbehalte einführen" und "gleichzeitig die Sozialversicherungsbeiträge reduzieren" – so steht es auf Seite 36 im Entwurf zum neuen Parteiprogramm.

Selbstbehalte für alle, Bonus für gesund leben
Der Abgeordnete Erwin Rasinger (OeVP) spricht am Dienstag (13.11.12) im Parlament in Wien bei einer Sitzung des Nationalrates. Bei der Sitzung wird unter anderem die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) beschlossen. Foto: Hans Punz/dapd
ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger denkt im KURIER-Gespräch nicht nur ans Geld: "Selbstbehalte sollen Bürger zu einem gesunden Leben motivieren und nicht bestrafen. Das Ziel ist, Benefits zu vereinbaren, wenn ein vernünftiger Lebensstil kultiviert wird."

Selbstständige und Beamte zahlen jetzt schon einen Selbstbehalt von 20 Prozent, Bauern 9,16 Euro pro Behandlungsfall und Eisenbahner 14 Prozent. Die Einnahmen aus diesen Selbstbehalten betrugen bei den Selbstständigen im Jahr 2013 insgesamt 54 Millionen Euro (die Sozialversicherungsbeiträge der gewerblichen Wirtschaft betrugen 771,5 Millionen Euro). Bei Bauern beliefen sich die Einnahmen aus den Selbstbehalten auf 14 Millionen Euro. Über Selbstbehalte bei den Beamten liegen keine Zahlen vor.

Die Wirtschaftskammer preist ihre Erfahrungen mit Versicherten der gewerblichen Wirtschaft an. Bei Erreichung der Gesundheitsziele wird der Selbstbehalt auf zehn Prozent reduziert. "Die Vorsorge-Untersuchungen stiegen dadurch deutlich an. Ähnliche Anreizsysteme auf andere Krankenversicherungsbeiträge wären positiv", heißt es in der Kammer.

Undurchsichtig

Selbstbehalte gibt es jetzt schon für sehr viele Versicherte: Die Rezeptgebühr von 5,55 Euro je Medikament ist so eine Art Selbstbehalt. Für Heilbehelfe und Hilfsmittel wie Brillen gibt es ebenfalls Selbstbehalte, für Zahnbehandlungen sowieso.

"Österreich liegt mit 17 Prozent Selbstbehalte im Mittelfeld der OECD-Länder, am niedrigsten sind sie in den Niederlanden (sechs Prozent). Bei den Leistungen findet sich Österreich im Spitzenfeld, Transparenz bei den Kosten gibt es allerdings nicht, das System ist bürokratisch und undurchsichtig", bemerkt ein OECD-Gesundheitsexperte in Paris.

Für die ÖVP müsste die Auskunft der OECD ein Anreiz sein, Zahlen zu präsentieren, um ihre Forderung nach Selbstbehalten zu untermauern. Dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger liegen diese Zahlen jedenfalls nicht vor.

Hauptverbandschef Peter McDonald findet es wichtig, dass über "die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems diskutiert wird", sagt er zum KURIER. Er ist "für eine "flexible Art der Beitragsleistung, wo laufend mehr Geld im Börsel der Versicherten bleibt. Ich möchte aber nicht, dass einnahmenseitige Diskussionen die notwendige Weiterentwicklung auf der Ausgabenseite verstellen".

SPÖ will totales Aus

Die SPÖ lehnt neue Selbstbehalte aus sozialen Gründen strikt ab, Arme wären überproportional betroffen. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter nennt den Selbstbehalt "eine Steuer auf Kranksein". Er verlangt die "vollständige Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehalts der Selbstständigen".

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