Sebastian Kurz will Wähler über Steuern abstimmen lassen

Streitgespräch mit Andreas Salcher und Sebastian Kurz
Staatssekretär bricht mit Tabu: "Volksabstimmungen über Steuern sollen möglich sein."

Die Nachwuchshoffnung der ÖVP, Sebastian Kurz, freut sich über ein Pilotprojekt im Finanzministerium, will Volksentscheide über Steuern und mehr Transparenz bei Förderungen.

KURIER: Herr Staatssekretär, das Finanzministerium kommt Ihrem Vorstoß nach und lässt Bürger über eine Steuer-Zweckwidmung entscheiden. Warum sollen sich Bürger mit den eigentlichen Aufgaben des Staates auseinandersetzen?

Sebastian Kurz: Ich bin froh, dass das Finanzministerium eine der Forderungen im Demokratiepaket der Jungen ÖVP umsetzt. Man muss versuchen, den Planeten der Politik wieder näher an die Bürger heranzubringen. In einer Demokratie geht es darum, dass mündige Bürger Entscheidungen treffen. Das kann durch Wahlen passieren, wo es dann eine Regierung gibt, aber auch dadurch, dass Bürger in Sachfragen bei Volksbefragungen und Volksabstimmungen mitsprechen.

Gibt es ein anderes Land in Europa, das seine Bürger über die Verwendung von Steuern mitsprechen lässt?

Ja, die Schweiz.

Warum sollen gerade die Österreicher darüber mitbestimmen können?

Ich glaube, wir haben einen großen Frust der Steuerzahler. Sehr viele zahlen Steuern und wissen nicht, wo ihr Geld hinfließt. Daher müssen wir zum einen über die Verwendung von Steuergeld aufklären, zum anderen auch die Möglichkeit zur Mitsprache im einen oder anderen Bereich gewähren.

Fürchten Sie keine gravierenden Verschiebungen innerhalb der Budgets?

Es ist ohnehin schade, wenn Budgets immer nur fortgeschrieben werden. Es ist sinnvoll, Budgets auch für eine gewisse Schwerpunktsetzung zu nutzen. Wir leben in einem Land, wo es mündige Bürger gibt. Sie sollen das Recht haben zu sagen, wo in einem Budget gewichtet werden soll. Sie haben sich wiederholt für mehr direkte Demokratie ausgesprochen.

Sollten die Menschen dann auch über Steuern abstimmen können?

Ja. Ich glaube, dass eine stärkere Auseinandersetzung mit Sachthemen unserem Land nicht schadet. Daher bin ich für mehr direkte Demokratie: Ich bin der Meinung, wenn ein Volksbegehren eine gewisse Zahl an Unterstützung erreicht, sollte es eine verpflichtende Volksabstimmung geben. Und eine Volksabstimmung sollte natürlich auch zu Steuern möglich sein.

Und was ist, wenn die Menschen sagen, sie wollen weniger Steuern zahlen?

Man kann grundsätzlich davon ausgehen, dass Wähler im Stande sind, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Das sieht man auch am Beispiel Schweiz. Aber wir sind ein Spitzensteuerland. Wenn es die Meinung gibt, dass die Politik mit weniger Geld auskommen muss, ist das ein legitimer Wunsch der Bevölkerung.

Soll es auch in dieser Frage eine Gesetzesautomatik geben?

Natürlich kann es auch eine Volksinitiative in Richtung niedrigerer Steuern geben. Es ist die Aufgabe der Politik, mit den vorhandenen Mitteln umzugehen. Bisher geht es in die Richtung, immer mehr Geld auszugeben. Wenn die Bevölkerung einen Kurswechsel wünscht, ist das durchaus legitim.

Gleichzeitig fordern Sie die teilweise Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Warum?

Wir brauchen keinen gläsernen Bürger, sondern einen gläsernen Staat. Immer, wenn Steuergelder im Spiel sind, braucht es größtmögliche Transparenz. Alles, was der Steuerzahler finanziert, etwa öffentliche Förderungen, sollte der Allgemeinheit zugänglich sein. Und es sollte auch möglich sein, einen Überblick zu bekommen, wohin Steuergeld fließt.

Für heftige Kritik in der SPÖ sorgt aktuell ein Pilotprojekt des Finanzministeriums. Wie berichtet, lässt Finanzministerin Maria Fekter Steuerzahler bei ihrem Steuerausgleich im Internet aktuell über eine mögliche Zweckwidmung von Teilen der Lohnsteuer befragen.

SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder hält diese Zweckwidmung für „absolut undemokratisch und damit völlig inakzeptabel“. Laut Schieder drohe das Prinzip: Wer das Geld hat, schafft an. „Alle, die keine Einkommenssteuer zahlen, dürften über einen Teil der Staatsausgaben nicht mehr mitentscheiden. Zum Beispiel Pensionisten, Hausfrauen oder geringfügig Beschäftigte. Das gibt es in keinem zivilisierten Land der Welt.“ Demokratischer sei eine Budget-Entscheidung im Parlament. Denn bei Wahlen gelte: „Ein Mensch, eine Stimme.“

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