Wien für Reparatur der roten Bildungsreform

Susanne Brandsteidl, Stadtschulratspräsidentin in Wien, also Chefin von 600 Schulen
SPÖ-Stadtschulrats-Präsidentin fordert das Aus für das Bifie und kritisiert das NMS-Modell.

Die Kritik am Bifie, am Bildungsforschungsinstitut für die Entwicklung des Schulwesens, will nicht verstummen. Zwar sind erst kürzlich die Chefs abgesetzt worden, doch die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) geht mit ihrer Kritik weiter: Errungenschaften wie die Bildungsstandards und die Zentralmatura findet sie grundsätzlich gut und richtig. "Meiner Vorstellung nach könnte das alles im Bildungsministerium bewerkstelligt werden. Ich glaube nicht, dass wir das Bifie unbedingt brauchen", sagt Brandsteidl im KURIER-Gespräch. Für sie hat das Bifie seinen Aufgaben nicht erfüllt: "Die Performance des Bifie etwa bei der Zentralmatura hat leider allen Gegnern recht gegeben." Sie selbst habe den Vertrag des Stadtschulrates mit dem Bifie für die Wiener Lesetests aufgekündigt: "Auch hier war die Durchführung schlecht, da sind grobe Fehler passiert. Wenn man solche Zweifel hat, muss man reagieren, weil ich mich ja auf die Ergebnisse des Lesetests verlassen können muss. Wenn das nicht klappt, muss man sich trennen."

Dennoch: Auch kommendes Schuljahr wird es einen Lesetest geben, allerdings mit einem anderen Partner.

WMS statt NMS

Brandsteidl sieht aber auch bei einer weiteren, wichtigen Bildungsreform der vergangenen Jahre massive Probleme. "Ich glaube, dass man das Konzept der NMS überdenken muss. Ich bezweifle, ob das so sinnvoll ist. Da herrscht dringend Handlungsbedarf."

Brandsteidl präferiert das seit einigen Jahren etablierte Model der "Wiener Mittelschule", das mit Kurssystemen und Trainingskursen grundsätzlich bessere funktioniere.

Als Priorität sieht Brandsteidl für die kommenden Jahre den Ausbau von ganztägigen Schulformen. "Die Bildungsdaten zeigen uns, dass Ganztagsschulen deutlich bessere Ergebnisse bringen als Halbtagsschulen."

So lange das Angebot für Halbtagsschulen bestehen bleibe, würden manche Eltern dazu tendieren, für ihre Kinder nur die minimalen Bildungschancen wahrzunehmen. "Dann sind die Kinder am Nachmittag nicht betreut und nicht gefördert. Mit Ganztagsschulen könnten wir solche Bildungsdefizite viel besser ausgleichen." Letztlich sei das aber ein rein ideologische Frage. "International sind wir dennoch die Ausnahme – mit Schulen, in denen Kinder kein Mittagessen bekommen."

Jetzt nötig sei gesellschaftliche Grundkonsens nötig, sagte Brandsteidl. "Dennoch denke ich, dass eine Ganztagsschule von Montag bis Freitag und 8 bis 16 Uhr der Standard der Zukunft sein muss."

Bildungsreform

bifie Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens wurde mit 1. Jänner 2008 gegründet. Erstellt werden u. a. der Bildungsbericht, aber auch die Bildungsstandards oder die Zentralmatura.

NMS Die Neue Mittelschule ist seit 2012 die Regelschule, die die Hauptschulen ersetzt. Nach Wunsch der SPÖ hätte sie auch AHS-Unterstufen ersetzen sollen, was am ÖVP-Widerstand gescheitert ist.

WMS Die Wiener Mittelschule ist eine spezielle Form der NMS, die etwa Kurssysteme und mehr Lernunterstützung bietet.

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