Voves fürchtet, dass Asyl die Wahl verhagelt

Seit 10 Jahren regiert Voves als SPÖ-Landeshauptmann die Steiermark, seit 2010 in einer „Reformpartnerschaft“ mit ÖVP-Chef Schützenhöfer: „Aber jetzt ist alles überlagert von der Asyl- und Ausländerfrage"
Der steirische SP-Landeschef ist "stolz" auf seinen Regierungsstil, unter 30 Prozent will er gehen.

Franz Voves, 62, ist auch nach zehn Amtsjahren als Landeshauptmann ein ungewöhnlicher Politiker geblieben. In Jeans und ohne Sakko empfängt er den KURIER zum Interview in seinen schlichten Amtsräumen in der Grazer Burg – und zieht auch nicht um der landesfürstlichen Optik willen fürs Foto kurz ein Sakko über. In seinem Vorzimmer, in dem die wöchentliche Fraktionssitzung der roten Landesräte stattfindet, hängen gemeinsame Bilder mit Hermann Schützenhöfer und VP-Altlandeshauptmann Josef Krainer – demonstrative Zeichen des neuen Miteinanders der zurückliegenden fünf Jahre.

In zwei Tagen wird gewählt, womit rechnen Sie – für sich und Ihren bisherigen „Reformpartner“ und VP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer“?
Franz Voves: Jeder von uns beiden braucht 30 Prozent plus, wenn wir weiter produktiv gemeinsam im Interesse des Landes arbeiten wollen. Egal, wer die Nase vorne hat: Wenn du unter 30 Prozent liegst, bist abgewählt. Aber jetzt wird ja alles überlagert von der Asyl- und Ausländerfrage. Maximal zehn bis zwanzig Prozent ist der Arbeit der Reformpartnerschaft zuzuordnen, der Rest ist Überlagerung durch das Ausländerthema. Die FPÖ verdoppelt sich theoretisch, aber diese Stimmen wandern ja nicht wegen der Reformpartnerschaft zur FPÖ. Da geht’s um ein allgemeines Unbehagen.

Es gibt den Vorwurf, Sie hätten der FPÖ im Wahlkampf ohne Not ein Forum gegeben: Indem Sie die Frage der „Integrationsunwilligkeit“ thematisiert haben und im Wahlkampffinale vor den blauen „Rattenfängern“ warnten.
Die Frage der Integrationswilligkeit habe ich schon im Jänner nach dem Attentat gegen „Charlie Hebdo“ in Paris thematisiert. Ich finde es zunehmend falsch, die populistische Propaganda der FPÖ mit Schweigen zu beantworten. Die FPÖ hat Leute wie Susanne Winter (rechtskräftig verurteilt wegen Verhetzung, Anm.) in ihren Reihen und wenn jeden Monat ein neuer FPÖ-Funktionär mit Heil-Hitler-Gruß erwischt wird, dann schweige ich nicht mehr.

Sie sagen, die Flüchtlingsdebatte überlagert den Wahlkampf. Die Steiermark erfüllt bereits die Asylquote. Ist mehr möglich?
Wir sind vorbereitet, weitere Spitzen, die es geben wird, mit Quartieren zu versorgen, die keine Zelte sind.

Ein paar Dutzend oder Hunderte neue Asylplätze?
Die Landeshauptleute-Konferenz versucht seit einem Jahr, Innenministerin Mikl-Leitner und die Bundesregierung auf eine solidarische Quote in Europa anzusprechen. Österreich nimmt 5,2 Prozent der Flüchtlinge in der EU auf, bräuchte aber nur 2,2 Prozent nehmen. Das ist noch im Bereich des Machbaren. Aber viel mehr darf es nicht werden, man darf eine Gesellschaft nicht überfordern. Die Verteilung der Flüchtlingsströme haben wir in Europa gemeinsam zu lösen.

Sind Flüchtlingszentren etwa in Nordafrika eine Lösung?
Das wäre eine Möglichkeit, um dem Schlepperunwesen Herr zu werden.

Das hieße auch, Boote nach Afrika zurückzudrängen?
Auch darüber wird man sich auf europäischer Ebene Gedanken machen müssen.

In der Bosnienkrise hat Österreich mehr Flüchtlinge aufgenommen als jetzt.
Altkanzler Franz Vranitzky hat ganz richtig gesagt: Kulturell sind wir damit leichter umgegangen.

Ihr schwarzer Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer hat das Bankgeheimnis österreichweit zum Thema gemacht. Sie haben bisher dazu geschwiegen. Warum?
Ich hab’ das bewusst nicht in den Landtagswahlkampf herein geholt. Ich vertraue auch weiter auf einen sinnvollen Kompromiss zwischen Grundrechtsschutz und Bekämpfung von Steuersündern.

Voves fürchtet, dass Asyl die Wahl verhagelt

Bei den Gemeinderatswahlen hat die SPÖ mehr verloren als die ÖVP. Ein Indiz für den Ausgang der Wahl am Sonntag?
Nein. Bei den Gemeinderatswahlen hatten wir Listenabspaltungen, da waren große hausgemachte Fehler.

Kommt nach der Wahl für Sie nur Rot-Schwarz oder auch eine Dreier-Koalition mit Blau oder Grün in der neuen Landesregierung in Frage?
In sehr, sehr unsicheren Zeiten brauchen wir kein Experiment. Die Stabilität können nur wir geben, die Altparteien.

Heute Freitag kommt Franz Vranitzky zu Ihrem Wahlkampfabschluss, warum nicht auch Werner Faymann?
Der amtierende Vorsitzende war bei der Eröffnung, jetzt kommt der Ehrenvorsitzende, der gerade für die Obersteiermark viel getan hat.

Haben Sie Faymann nicht gefragt oder wollte er nicht mehr kommen?
Was soll ich da wen fragen? Ich fahr’ ja nicht mit einem Bundespolitiker durchs Land, wenn ich zur Wahl stehe. Ich werde auch nie auf die Idee kommen, zu sagen, am Wahlergebnis ist der Bund schuld.

Werden Sie, wie von Ihrem bisherigen Regierungspartner Hermann Schützenhöfer gestern im KURIER-Interview gewünscht, wieder an SPÖ-Bundessitzungen teilnehmen, um „auch in Wien mehr Druck für Reformen zu machen“?
Ich habe mehrfach bewiesen, dass mein Wort in der Bundeshauptstadt Gehör findet. Das ist unabhängig von der Teilnahme an Sitzungen.

Soll sich die Regierung in Wien ein Beispiel an Ihrer „Reformpartnerschaft“ in der Steiermark nehmen?
Ich trete nicht als Oberlehrer auf. Wir konzentrieren uns auf die Reformarbeit in der Steiermark und machen unsere Hausaufgaben.

Soll die steirische Art der Wahlwerbung 2015 – friedliches Nebeneinander, keine Untergriffe – ein Vorbild für alle werden?
In dieser Phase war das für uns richtig und wichtig. Wir wissen, dass wir zehn Jahre brauchen, um die Steiermark zukunftsfit zu halten. Wir brauchen so lange, um die Kosten bei Personal, Gesundheit und Spitälern in den Griff zu bekommen. Der Kuchen wird nicht mehr größer. Da sind Kostensteigerungen drin, die wir nicht mehr packen, das müssen wir effizienter machen. Der Dampfer bewegt sich ja nicht so leicht. Daher brauchen wir noch einmal fünf Jahre.

Welche zwei Leuchtturmprojekte haben Sie bis 2020 vor?
Arbeit schaffen über Forschung und Innovation und eine Regionalentwicklung, in der es keine Klientelpolitik und keine parteipolitische Gießkanne mehr gibt. In der Gesundheitsversorgung wollen wir Zentren mit Allgemeinmedizinern, Fachärzten, Sozialarbeitern und Pflegepersonal einrichten. Erst wenn das funktioniert, kann man über die Spitäler reden.

Die ÖVP plakatiert Sie als Salz, Schützenhöfer als Pfeffer. Was ist denn salzig an Ihnen, was pfeffrig an Schützenhöfer?
Das muss man ihn fragen. Ich weiß nur, dass die Mehrheit der Menschen zuerst nach dem Salz greift.

In der jüngsten OGM-Umfrage käme die FPÖ bei Nationalratswahlen in der Steiermark bereits auf 30 Prozent, SPÖ und ÖVP nur noch auf je 24 Prozent. Wie soll Rot-Schwarz seine steirische Mehrheit retten?
Bundespolitische Reformen sind um einiges schwieriger umsetzen als in der Landespolitik. Aber die Leute warten darauf. Durch herzeigbare Reformen könnte das Wahlergebnis 2018 für beide schon anders aussehen.

Laut Umfragen werden auch die steirischen Reformen vom Wähler nicht nur honoriert.
Du musst zum richtigen Zeitpunkt den Mut haben, Reformen zu machen, auch auf die Gefahr hin, abgewählt zu werden. Das muss es einem Wert sein, dass man von gemeinsam 75 Prozent (Wahlergebnis 2010) auf ein niedrigeres Niveau fällt. Wenn wir beide jeweils nicht unter 30 Prozent fallen, dann betrachte ich das als Auftrag, weiterzumachen. Ich krieg’ bezahlt und brauch’ nicht stolz sein auf das, was wir gemacht haben. Aber auf eines bin ich stolz: Den Stil, den wir geprägt haben. Die persönlichen Beleidigungen, das wollen die Menschen nicht mehr. Hinter den Kulissen streiten wir beide genug. Aber wir streiten so lange, bis der Schmerz auf beiden Seiten gleich verteilt ist. Und dann gehen wir mit einem Kompromiss, der alles andere als faul ist, vor den Vorhang. Wichtig ist, dass das Ziel gemeinsam bleibt, über den Weg dorthin werden wir auch weiterhin ordentlich streiten.

Umfragen Um bloß 7123 Stimmen oder 1,07 Prozentpunkte lag die SPÖ bei den Landtagswahlen 2010 vor der ÖVP. Ähnlich knapp könnte es es auch heuer werden: Zwar liegt die SPÖ in allen Umfragen konstant vor der ÖVP, doch der Abstand schmilzt, je näher die Umfragen am Wahltag liegen. Im Dezember etwa lag die ÖVP erst bei 27 Prozent.

Wahlergebnis Die Gemeinderatswahlen im März gelten als Indiz für ein mögliches Aufholen der ÖVP: Die Schwarzen erreichten 42,7 Prozent (minus 4,1 Prozentpunkte) und verloren damit weniger als die Roten, die auf 31,6 Prozent kamen (minus 5,4 Prozentpunkte). Doch gerade der ÖVP wurden wegen der Gemeindefusionen massivere Verluste prognostiziert.

Steiermark- und Burgenland-Wahlen am Sonntag ab 14 Uhr im KURIER-Live-Ticker. Ergebnisse ab 16 Uhr.

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