Schellings Steuerplan: Wer wie entlastet werden soll

Wirtschaftsbündler Schelling will bei der Steuerreform nicht auf die Entlastung von Wirtschaft und Familien verzichten. Damit schrumpft das Kuchenstück für Arbeitnehmer
Der Finanzminister will Arbeitnehmern, Wirtschaft und Familien Gutes tun. Das bedeutet weniger für alle.

Eine Bestätigung kann es dafür nicht geben, weil die politischen Verhandlungen erst Anfang Dezember beginnen. Doch Finanzminister Hans Jörg Schelling von der ÖVP habe sich bereits festgelegt, erfuhr der KURIER aus Kreisen der Steuerreformkommission. Auf ein Gesamtvolumen von fünf Milliarden Euro hat sich die Regierung verständigt, Schelling will davon:

3,5 Milliarden Euro für die Arbeitnehmer,

1 Milliarde Euro für die Wirtschaft und

500 Millionen Euro für die Familien bereitstellen.

Auf Gegenliebe stößt dieser Verteilungsschlüssel maximal bei jenen Fachleuten, die jetzt endlich ausrechnen können, welche Tarifstufen und Entlastungsschritte sich mit 3,5 Milliarden Euro eigentlich umsetzen lassen.

Weniger Freude dürfte Koalitionspartner SPÖ haben. Dort fordert vor allem der Gewerkschaftsflügel mit Nachdruck, dass das Gesamtvolumen der Steuerreform den Arbeitnehmern zugutekommen muss. Das Hauptargument: Allein die Senkung des Eingangssteuersatzes "in Richtung 25 Prozent", wie im Regierungsprogramm vereinbart, würde bei voller Umsetzung bis zu fünf Milliarden kosten. Werden es jetzt nur 3,5 Milliarden, schrumpft der Entlastungs-Effekt deutlich. Mehr ist aber nicht drin, will Schelling über eine Senkung der Dienstgeberbeiträge auch die Wirtschaft zufriedenstellen und das ÖVP-Wahlkampfprojekt einer Familien-Entlastung umsetzen.

Doch auch hier gilt angesichts der Wirtschaftsflaute Bescheidenheit als neue Richtschnur: Schellings Vorgänger Maria Fekter und Michael Spindelegger wollten noch mindestens 2,5 Milliarden Euro für die Familien in die Hand nehmen (Stichwort: "7000 Euro Freibetrag pro Kind"). Und die Wirtschaft hat Forderungen im Umfang von 1,5 bis 1,8 Milliarden auf den Tisch gelegt, freilich nur für einen ersten Schritt. Schließlich gehe es um den Standort und damit Arbeitsplätze.

Doch die kräftig sinkenden Konjunkturprognosen rauben Schelling jeden Spielraum, weshalb er momentan bei Zusatzwünschen aller Art – zum Beispiel nach einer höheren Negativsteuer für Niedrigverdiener – klar abwinkt (siehe rechts). Hintergrund ist: Das Budget 2015 basiert auf einer Wachstumsannahme von 1,7 Prozent. Mittlerweile gehen EU-Kommission und WIFO aber von nur noch 1,2 Prozent für das kommende Jahr aus.

Die Differenz von 0,5 Prozent klingt zunächst wenig, bedeutet aber gut und gern einen Fehlbetrag von einer Milliarde aufwärts im Budget. Daher habe man ja bereits den Brief an Brüssel mit den geplanten Nachbesserungen für 2015 geschickt, heißt es im Finanzministerium.

Dieser Brief Schellings hat nicht wenige Beobachter stirnrunzeln lassen. Ein Beispiel: Die Verwaltungsreform-Kommission hat bisher Vorschläge eingebracht, die Experten mit 400 Millionen Euro bewertet haben. Eine Milliarde war vorher erhofft worden. Schelling glaubt nicht einmal das: Brüssel hat er unter dem Punkt Verwaltungsreform 100 Millionen in Aussicht gestellt. Soll heißen: Die Gegenfinanzierung der Fünf-Milliarden-Entlastung ist nach wie vor nicht gesichert. Höhere Steuern zur Gegenfinanzierung einer Steuersenkung werden also immer wahrscheinlicher.

Schellings Steuerplan: Wer wie entlastet werden soll

Sie negieren es wenig überraschend: Es sei kein Sand im Koalitionsgetriebe, beschwichtigten der rote Kanzler und sein schwarzer Vize nach dem Ministerrat. Fakt ist freilich, dass den Regierenden ein rauer Konjunkturwind um die Ohren bläst, der die Arbeitslosenzahlen in die Höhe treibt – und die Koalitionäre massiv unter Druck setzt. Und Fakt ist auch, dass SPÖ-Chef Werner Faymann und ÖVP-Boss Reinhold Mitterlehner wichtige Parteitage vor sich haben und daher gegenwärtig ihre jeweiligen Positionen schärfen.

So dozierte Mitterlehner etwa, dass die hohe Arbeitslosigkeit nicht allein auf die schwächelnde Konjunktur zurückgeführt werden dürfe, wenn andere europäische Länder eine Trendumkehr schafften. Der Wirtschaftsminister will daher, dass "alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente durchforstet werden", zum Beispiel "die Zumutbarkeitsbestimmungen". Heißt übersetzt: Es soll etwa geprüft werden, ob man Arbeitslosen längere Distanzen zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zumuten kann. Derzeit sind maximal zwei Stunden für Hin- und Rückfahrt zulässig. Ist ein potenzieller Arbeitsplatz weiter entfernt, muss der Betroffene den Job nicht annehmen. Faymann hat zwar nichts dagegen, dass die "Arbeitsmarktinstrumente" überprüft werden, stellte aber schon gestern klar, dass dass er strengeren Zumutbarkeitsregeln nicht zustimmen wird. Auch SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagt: "Verschärfen hilft nicht."

Negativsteuer strittig

Konträr sind die Standpunkte auch in Sachen Negativsteuer. Diese Steuergutschrift steht auf der Wunschliste von ÖGB und AK – und damit auch auf jener der SPÖ. Konkret wollen die Roten, dass auch jene 2,4 Millionen Arbeitnehmer, die keine Lohnsteuer zahlen, von der Steuerreform profitieren – und nicht nur jene Arbeitnehmer, die Lohnsteuer zahlen. Die Negativsteuer muss jährlich beim Finanzamt beantragt werden – und macht maximal 110 Euro pro Jahr aus. Die Sozialdemokraten wollen, dass es künftig 450 Euro für Personen mit geringen Einkommen gibt. Faymann: "Das sind jene Menschen, die besonders wenig verdienen, aber trotzdem hart arbeiten." Auch Pensionisten sollen in den Genuss einer Negativsteuer kommen (110 Euro/Jahr). Gesamtkosten: 500 Millionen Euro. Nach SPÖ-Lesart würde das Geld von den Betroffenen sofort wieder ausgegeben, was die Kaufkraft ankurbeln würde.

Mitterlehner lehnt das Ansinnen dennoch ab: "So gut geht es uns nicht, dass wir uns dieses Füllhorn leisten können." Nachsatz: "Das heißt aber noch lange nicht, dass wir dadurch die Steuerreform gefährden."

Es ist soll ja nicht der Eindruck entstehen, dass da Sand im Getriebe wäre.

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