Sarrazin bei der FPÖ: Europa muss Grenzen schließen

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und der deutsche Publizist Thilo Sarrazin bei der FP-Podiumsdiskussion "Die neue Völkerwanderung - Risiken und Gefahren" in Wien.
Österreichs Politik habe bisher "fahrlässig und gemeingefährlich" gehandelt, so der streitbare Publizist.

Die Grenzen unter Kontrolle bringen und "letztlich schließen" - das hat der umstrittene deutsche Publizist Thilo Sarrrazin gefordert. In der derzeitigen Flüchtlingspolitik vermisse er die "Ratio", sagte Sarrazin, der auf Einladung der FPÖ sprach, am Dienstagabend in Wien. FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache kritisierte die "sozialromantische Willkommenskultur".

Deutschland habe die Flüchtlinge quasi "eingeladen", nach Europa zu kommen, so Strache vor rund 500 Zuhörern und rund 37.000 Internetnutzern, die den Vortrag "Die neue Völkerwanderung. Risiken und Gefahren" via Live-Stream verfolgten. Aber auch Österreich müsse von seiner "Willkommenskultur" hin zu einer gesetzlichen "Ankommenskultur" kommen. Die österreichische Politik habe bisher "fahrlässig und gemeingefährlich" gehandelt.

"Wir sind nie gefragt worden, ob wir das auch wirklich wollen, was wir schaffen wollen."

Auch Sarrazin beanstandete die deutsche "Willkommenskultur". Zwar habe Kanzlerin Angela Merkel versichert, Deutschland könne die große Zahl der ankommenden Migranten bewältigen ("Wir schaffen das"), aber "nie sind wir gefragt worden, ob wir das auch wirklich wollen, was wir schaffen wollen", gab er zu bedenken. Merkel wolle ohne Zustimmung der Bevölkerung das Land zu einem "großen Schweden" machen, so der 70-jährige frühere Vorstand der Deutschen Bundesbank.

Strache und die Konvention

Natürlich brauche es Mitgefühl und Menschlichkeit für "echte" Flüchtlinge, doch sei in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht festgehalten, dass Krieg ein Grund zur Flucht sei, meinte Strache. Ein solches Recht auf Asyl - aufgrund von Krieg im eigenen Land - gebe es nicht.

Tatsächlich hat das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erst kürzlich festgehalten, dass Menschen auch in Kriegs- und Konfliktsituationen gezwungen sein können, "aus begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Konvention zu flüchten".

Weiters kritisierte Strache am Dienstagabend, die Flüchtlinge könnten sich ihr Zielland nicht aussuchen. "Und auch wenn es dieses Recht auf Asyl gäbe, hätten die Migranten Anspruch darauf in dem Land, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten", sagte der FPÖ-Chef in Anspielung auf die EU-Dublin-Verordnung.

Die meisten Flüchtlinge kommen allerdings in Griechenland an, wo der finanziell angeschlagene Staat kaum für ihre Versorgung aufkommen kann. Der Europäische Gerichtshof hat darum eine Zurückschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland untersagt.

"Kulturelle Veränderungen"

Auch die Zahlen, mit denen Strache in seinem vom FPÖ-Bildungsinstitut organisierten Vortrag argumentierte - nämlich dass nur 20 Prozent der Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien kämen, sind so nicht haltbar. In Deutschland, wo die meisten Flüchtlinge nach Europa landen, kamen etwa im August 30 Prozent der Asylanträge von Syrern. Von den auf den griechischen Inseln ankommenden Schutzsuchenden kommen laut UNHCR sogar rund 70 Prozent aus Syrien.

Angesichts der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen in Österreich und Deutschland orteten sowohl Strache als auch Sarrazin eine "Gefahr, zur Minderheit im eigenen Land zu werden". Sarrazin zeigte sich außerdem besorgt über das mögliche Absinken des Bildungsniveaus. Nach Worten des umstrittenen Buchautors korreliert die Herkunft der Migranten mit deren Bildungsniveau. So wirke sich die "muslimische Prägung von Kulturen negativ auf die Bildung aus", die hohe Geburtenrate bei Muslimen verstärke dieses Problem. Eine "tiefgreifende und unwiderrufliche kulturelle Veränderung" sei die Folge, prophezeite er.

"Ohne klare Linie"

"Merken Sie sich den Faktor fünf", referierte Sarrazin. Die Zahl der ankommenden Flüchtlingen vergrößert sich also nach der Rechnung des Deutschen - "wegen unserer Nachzugsregelungen und der Zahl der Geburten" innerhalb der nächsten 15 bis 20 Jahre um das Fünffache.

"Das sieht natürlich unschön im Fernsehen aus und Orban ist dafür beschimpft worden."

Trotzdem sei die Politik bisher "ohne klare Linie", so Sarrazin. Lediglich in Ungarn habe Ministerpräsident Viktor Orban versucht, die Kontrolle über die Grenze wieder zu erlangen. "Das sieht natürlich unschön im Fernsehen aus und Orban ist dafür beschimpft worden." Aber immerhin gehöre er zu den wenigen Politikern, "die sich nicht scheuen, logisch zu denken und nach ihren Ansichten zu handeln", erklärte der Autor, der nach einem gescheiterten Ausschlussverfahren noch immer SPD-Mitglied. Die Deutsche Bank hatte Sarrazin nach der Publikation seines Buches "Deutschland schafft sich ab" seines Amtes entbunden.

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