Salzburg: Neuwahlen immer wahrscheinlicher

Ausgerechnet Salzburgs SP-Bürgermeister Schaden prescht mit Neuwahl-Vorschlag vor. Fekter will Ministerrat Vorschlag berichten.

Er ist schon öfter als unbequemer Parteigenosse aufgefallen, doch just der SPÖ-Bürgermeister der Stadt Salzburg, Heinz Schaden, hat sich nach Bekanntwerden des Salzburger Finanzskandals bisher am deutlichsten zu möglichen Neuwahlen geäußert. "Wenn es am Mittwoch kein Budget gibt, lähmt sich die Regierung auf Monate selbst." Übermorgen sollte im Landtag das Doppelbudget für 2013 und 2014 beschlossen werden. ÖVP, FPÖ und Grüne wollen den Haushalt derzeit aber nicht absegnen.

"Wenn eine Regierung keine Budgetmehrheit hat, dann sind Neuwahlen die natürliche Konsequenz", so Schaden im Interview mit den Salzburger Nachrichten. Die ÖVP wäre unvernünftig und "ohne Gefühl für politische Strategie", wenn sie es "jetzt nicht darauf ankommen lasse."

Der Salzburger ÖVP-Chef LHStv. Wilfried Haslauer will Neuwahlen derzeit zumindest nicht ausschließen.

Neuwahl-Prozedere

Der Salzburger Landtag kann sich vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode durch einen Beschluss selbst auflösen. Dafür sei die einfache Mehrheit der Abgeordneten notwendig. Nach einem solchen Beschluss müsste die Landesregierung laut Verfassung binnen drei Wochen Neuwahlen ausschreiben.

Salzburg: Neuwahlen immer wahrscheinlicher

Auf Bundesebene hat es nun auch Finanzministerin Maria Fekter eilig, strengere Regeln für die öffentliche Geldveranlagung auszuarbeiten. Bereits am Dienstag wolle sie im Ministerrat eine erste sogenannte Punktation berichten. Ob die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) vorerst die Geschäfte für das Land Salzburg übernimmt, müsse noch geprüft werden.

Wie der Stein ins Rollen kam

Schon im Sommer waren Umtriebe der leitenden Salzburger Beamtin bekannt. Vergangene Woche wurde Unglaubliches öffentlich. Eine leitende Mitarbeiterin der Salzburger Finanzabteilung soll eigenmächtig zehn Jahre lang riskante Finanzgeschäfte gemacht und in Summe 340 Millionen Euro verspekuliert haben. Alle fragen sich: Wie ist das möglich? Wie konnte die Kontrolle derart versagen? Der Polit-Streit über Schuld und Sühne tobt.
ÖVP und Grüne beklagen, Finanzreferent David Brenner (SPÖ) habe den Landtag zu spät über die Spekulationsgeschäfte der Referatsleiterin informiert. Seit wann wusste die Politik von den Umtrieben der Frau, die am Freitag entlassen worden ist? Schon seit Monaten, wie aus Dokumenten, die dem KURIER vorliegen, hervorgeht. Der Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, hat bereits am 13. Juli die Personalabteilung – sie ressortiert zur ÖVP – über richtlinienwidrige Swap-Geschäfte der Referatsleiterin informiert. Die Personalabteilung wurde ersucht, sie zu ermahnen – und ihr anzudrohen, das Dienstverhältnis zu lösen.

Erst vier Tage später teilte die Finanzabteilung Brenner mit, was Sache ist. Dieser forderte Eduard Paulus, den Leiter der Finanzabteilung, am selben Tag auf, der Mitarbeiterin „einstweilen die Handlungsvollmachten für alle Finanzgeschäfte des Landes zu entziehen“. Zudem verlangte er, alle Geschäfte der Frau sofort zu überprüfen – und ihm zu berichten. Die Referatsleiterin wurde dann beurlaubt. Im Oktober wurde ein neuer Experte eingestellt. Am 26. November gestand die Beamtin.

Rücktritt?

Sonntagabend tagten die Salzburger SPÖ-Granden. Sie stärkten Brenner den Rücken. Seine Verantwortung liege darin, aufzuklären, sagte dieser danach. Zurücktreten will er nicht. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller schließt das im KURIER-Interview (siehe unten) aber nicht aus: „Wenn sich herausstellt, dass von uns Fehler gemacht wurden, haben wir uns zurückzuziehen. Wenn politisch was schiefgelaufen ist, gibt es Konsequenzen. Das gilt für Landesrat Brenner, aber auch für mich.“

Auch Bundespolitiker äußerten sich zur Causa. ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger und SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder haben neue Regeln für die Veranlagung öffentlicher Gelder angekündigt. Finanzministerin Fekter werde diese Woche Vorschläge präsentieren, sagte Spindelegger in der ORF-„Pressestunde“.

KURIER: Frau Burgstaller, es sieht nach Chaos aus in Salzburg.

Gabi Burgstaller: Im Moment überprüfen wir alle Geschäfte der Frau. Sie hat mit insgesamt 23 Banken Geschäfte gemacht, die wichtigste Bank war wohl die Deutsche Bank. Am wichtigsten ist jetzt, den Schaden so klein wie möglich zu halten. Es geht um ein Ausstiegsszenario, bei dem wir so wenig wie möglich verlieren. Wenn sich aber herausstellt, dass die Frau auch Geschäfte gemacht hat, zu denen sie keine Vollmacht hatte, werden wir auch die entsprechenden Banken verklagen. Eine Vollmacht hatte sie übrigens seit 2001 – vom damaligen Landesrat Wolfgang Eisl.

Kannten Sie die Frau?

Ja, ich habe mir auch einmal Dinge von ihr erklären lassen. Sie hatte einen so guten Ruf, dass die Deutsche Bank sie abwerben wollte. Erst vergangenen Mittwoch hat sie im Budgetausschuss des Landtages Applaus von allen Fraktionen bekommen.

Seit wann wissen Sie von den Verlusten?

Im Juli wurde bekannt, dass es Spekulationsgeschäfte gibt, da war klar, dass wir diese reduzieren werden. Das Ausmaß wurde erst am vergangenen Donnerstag klar.

Wer trägt die Verantwortung?

Der unmittelbare Vorgesetzte war Herr Eduard Paulus, dessen Chef ist der Landesamtsdirektor. Es hätte auffallen müssen, dass sie nie auf Urlaub war. Zu prüfen ist, wann wer was erfahren hat. Aber es wurden ja offensichtlich Protokolle und Unterschriften gefälscht.

Was ist mit Polit-Konsequenzen? Tritt Landesrat Brenner zurück? Treten Sie zurück?

Wenn es der Aufklärung helfen würde, würde ich sofort zurücktreten. Das ist aber nicht der Fall. Also arbeiten wir daran, alles aufzuklären. Das wird sicher einen Monat dauern. Wenn sich allerdings herausstellt, dass von uns Fehler gemacht wurden, haben wir uns zurückzuziehen. Wenn politisch was schiefgelaufen ist, gibt es Konsequenzen. Das gilt für Landesrat Brenner, aber auch für mich.

Für David Brenner wird es jetzt eng: Der 42-jährige Landeshauptmann-Stellvertreter von Salzburg galt die längste Zeit als Kronprinz von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Jetzt droht der Blitzkarriere des telegenen SPÖ-Politikers durch den Spekulationsskandal ein jähes Ende.

Kenner der Salzburger Politikszene beschreiben Brenner als sympathischen, eloquenten und belesenen Mann. Ob in Ausschüssen im Landtag oder bei Pressekonferenzen – er wirke stets gut vorbereitet und sattelfest, da er selbst die langweiligsten Berichte zu seinen Themen umfassend studiere. Viel Lob gab es für sein ZIB2-Interview mit Armin Wolf vergangenen Donnerstag, wo er zu den Spekulationsgeschäften der Beamtin befragt worden war. Andererseits wird dem studierten Politologen nicht gerade krisenfestes Auftreten nachgesagt. „Wenn es eng wird, taucht er meist ab“, erzählt ein Polit-Mitstreiter. Auch fehle ihm die nötige Härte für sein Amt als Finanzreferent, sein Harmoniebedürfnis, das er mit seiner Chefin Burgstaller gemein habe, stehe dem im Weg.
Dazu kommt, dass der aktuelle Spekulationsskandal bereits die dritte große Politkrise ist im Umfeld Brenners ist. Erst im Sommer rückte er in den medialen Fokus – wegen eines Skandals um Malversationen und dubiose Verwendung von Fördergeldern innerhalb des SPÖ-nahen Sportverbands ASKÖ.

Ein schwaches Krisenmanagement wurde Brenner zudem in der sogenannten SMS-Affäre attestiert: Ein kaufmännischer Direktor des Salzburger Landestheaters, der angeblich anzügliche SMS an Mitarbeiterinnen verschickt haben soll, wurde nach langem Zögern Brenners zuerst fristlos gekündigt. Brenner hatte als Vorsitzender des Theaterausschusses die Entlassung als „juristisch und moralisch klare Entscheidung“ bezeichnet. Offenbar waren die Vorwürfe für das Land dann doch nicht stichhaltig genug, um den Prozess durchzuziehen; das Land musste später einem teuren Vergleich zustimmen, weil der Mann beim Arbeitsgericht klagte.

Rückendeckung

Jetzt wird ein Untersuchungsausschuss zum Finanzskandal, bei dem nicht die strafrechtliche, sondern die politische Verantwortung der Landespolitik geklärt werden soll, immer wahrscheinlicher. Brenner weist jedes schuldhafte Fehlverhalten von sich. Polit-Gegner fordern ihn zum Rücktritt auf. Es wäre das jähe Ende einer steilen Politikkarriere.

Brenner, Jahrgang 1971, trat mit 22 Jahren der SPÖ bei, mit 27 wurde er Leiter des Salzburger Renner-Instituts, ein Jahr später Abgeordneter im Salzburger Landtag. 2004, Brenner war erst 33, übernahm er den Vorsitz des SPÖ-Klubs, ein Jahr später holte ihn Burgstaller als ihren Stellvertreter in die Landesregierung, wo er seither für Kultur und Sport und Finanzen zuständig ist.

Jetzt könnte ihm die dünne Personaldecke der Salzburger Sozialdemokraten zugutekommen, einen logischen Nachfolger für den Fall seines Rücktritts gibt es nicht. Seit kurzem gibt es aber das Gerücht, dass der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden in die Landespolitik wechseln und Brenner beerben könnte.

Wie ahnungslos darf die Politik sein? Den Salzburger Finanz-Skandal hätte man kommen sehen können.Die Salzburger Finanz-Affäre wirft einige harte Fragen auf: Sind die Länder mit ihrer Budgetautonomie schwer überfordert? Braucht irgendwer Landesrechnungshöfe, wenn sie nicht fähig sind, so einen Skandal aufzudecken, der ja nicht erst gestern begann? Dürfen sich ein Landtag, ein Landesfinanzreferent und eine Landeshauptfrau auf Ahnungslosigkeit ausreden und zur Tagesordnung übergehen, wenn so etwas geschieht? Drei Mal nein!

Als vor drei Jahren der Bundesrechnungshof die Bundesfinanzierungsagentur wegen ihrer riskanten Anlagestrategie schwer kritisierte, stürzten sich alle auf die Bundespolitik, die mit strengeren Richtlinien reagierte. Salzburg hat diese nie übernommen, obwohl die Prüfer dieses Bundesland schon damals am schlechtesten bewerteten und ihm ein viel zu hohes Verlustrisiko attestierten. Dass ausgerechnet Sozialdemokraten, die gern lauthals gegen „Zocker“ schimpfen, in ihrer eigenen Einflusssphäre ebenfalls solche hochriskanten Geschäfte zulassen, ist nur eine Pikanterie am Rande. (Bei Bawag/ÖGB oder der Stadt Linz war es nicht anders.) Die Haushaltsrichtlinien des Landes sahen kein Verbot solcher Geschäfte vor. Die Affären in Salzburg – Spesen- und Provisionsskandal bei den Osterfestspielen bis zu dubiosen Geldflüssen bei der Olympia-Bewerbung – reichen mittlerweile schon fast an Kärnten heran.

Das Mindeste, das die Bundespolitik jetzt tun kann, ist, die Länder zu zwingen, ihre Gelder über die Finanzierungsagentur zu veranlagen. Das bedarf einer Verfassungsänderung. Hans Kelsen konnte vor 92 Jahren ja nicht ahnen, mit welch riskanten Finanzgeschäften man ganze Länder unter Wasser setzen kann.

Von Martina Salomon

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