Im Finanzdrama steht die erste Anklage an

Was durfte sie, was nicht? Die frühere Beamtin Monika Rathgeber ist die zentrale Figur im Salzburger Finanzskandal.
In wenigen Tagen soll der erste Vorhabensbericht zur Salzburger Finanzaffäre vorliegen. Es wird wohl eine Anklage und damit der Beginn der gerichtlichen Aufarbeitung des 350-Millionen-Euro-Skandals.

Ihr Leben? Das sei zerstört, zerbrochen. Sie selbst, der Mensch Monika Rathgeber, sei aber noch intakt. Es ist etwas mehr als ein Jahr her, da erzählte die frühere Leiterin des Salzburger Budgetreferats genau das. Damals, im November 2013, präsentierte die geschasste Beamtin ihr Buch zur Finanzaffäre.

Es war das therapeutische Tagebuch jener Frau, die den dramatischsten Finanzskandal der Landespolitik ausgelöst hatte: 350 Millionen Euro Gesamtschaden, dazu der Fall eines aufstrebenden Landesrates und der einzigen Landeshauptfrau in Österreich (siehe unten).

Seither war es vergleichsweise still um die gefallene Beamtin. Die 44-Jährige lebt zurückgezogen auf dem elterlichen Bauernhof im Innviertel. Sie ist – bislang erfolglos – auf Jobsuche. Und sie hofft, dass "die Wahrheit eines Tages ans Licht kommt".

Was genau die "Wahrheit" ist bzw. wie es dazu kommen konnte, dass die öffentliche Hand einen dreistelligen Millionen-Betrag verspekulieren konnte, das versuchen Staatsanwälte und Sachverständige seit Monaten zu klären. In wenigen Tagen, Ende Jänner, soll es die erste Antwort geben. Dann nämlich will die in Wien ressortierende Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, ihren Vorhabensbericht zum Katastrophenfonds des Landes vorlegen.

Der erste Mosaikstein

Der "Katastrophenfonds" ist der erste und greifbarste Mosaikstein in der großen Affäre. Konkret wird Rathgeber vorgeworfen, in mehr als 100 Fällen über Schäden – etwa durch Hochwasser, Muren und Lawinen – falsche Angaben gemacht zu haben. Nicht, um sich selbst zu bereichern, also um Geld zur Seite zu schaffen. Aber – und das ist der Konnex zum großen Ganzen – indem sie Vorgesetzte getäuscht und eigenmächtig Millionen in den Sand gesetzt hat. Selbst Rathgebers Rechtsbeistand Herbert Hübel ist sich mittlerweile sicher, dass es in dieser Causa zu einer Anklage kommt.

Welche Rolle dabei der ebenfalls im Visier der Justiz stehende Abteilungsleiter Eduard Paulus spielte und inwiefern den ehemaligen Finanzlandesräten David Brenner (er musste im Zuge der Affäre gehen) sowie Othmar Raus und Josef Eisl juristisch etwas vorgeworfen werden kann, ist offen – die Ermittlungen laufen.

Unbestritten ist, dass Salzburg über keine professionelle Finanzverwaltung verfügt hat. Schon im Vorjahr hat der Landesrechnungshof penibel aufgearbeitet, was es vor der Affäre alles nicht gab: Weder das Finanzmanagement noch die Buchhaltung hätte über ein effizientes bzw. umfassendes Kontrollsystem verfügt. Und in dieser Situation konnte es offenkundig passieren, dass einzelne Mitarbeiter mit Steuergeld an Börsen und bei Banken spekulierten.

300 Konten

Laut Landesrechnungshof verfügte das Land allein 2012 über "mindestens 300 Bank- und zusätzlich 120 Fremdwährungskonten", die zwar Umsätze von 9,5 Milliarden Euro aufwiesen, deren Konto-Bewegungen im offiziellen Rechnungswesen aber trotzdem nie aufschienen. "Die schwer in Misskredit geratenen Derivate und Swaps sind sinnvolle Instrumente, wenn sie Risikogeschäfte absichern. Wenn man sie missbraucht, um Gewinne zu erwirtschaften, wird es gefährlich" , sagt der neue Direktor des Landesrechnungshofes Ludwig Hillinger.

Endgültig geklärt wird die gesamte Affäre freilich erst in Jahren sein. Denn selbst bei allem Optimismus rechnen die Staatsanwälte nicht vor 2016 damit, dass ihre Ermittlungen abgeschlossen sein werden.

Man sagt, sie sei jetzt ganz gerne in Wien – zum Beispiel, um Kontakte zu den Ministerien zu pflegen. Diese Woche hat sie in Wien an einer Beratung zur Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes teilgenommen. Ihr Anliegen: die Aufwertung der Pflegeberufe. "Ich bin ein politisch interessierter Mensch und diskutiere mit. Meine Erfahrung und mein Netzwerk nutze ich einfach, um gute Arbeit leisten zu können", betont Gabi Burgstaller, ehemalige Landeshauptfrau von Salzburg, im KURIER-Gespräch. Ihre Arbeit, das ist die Leitung des Referats für Gesundheitsberufe und Frauenpolitik bei der Salzburger Arbeiterkammer. Dort hat ihre steile Karriere 1989 ihren Anfang genommen. Ob sie dort enden wird, lässt sie offen.

Fehlende Schubkraft

Für ihre Nachfolger in der Landesregierung hat Burgstaller wenig Lob übrig: "Da fehlt die Schubkraft." Dass zu wenig gegen die hohe Arbeitslosigkeit unternommen werde, tue ihr weh. "Es ist eine Schande, dass dem Thema europaweit nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Arbeit ist ein Grundbedürfnis, darüber definieren wir einen großen Teil unseres Selbstwerts."

Und ihr eigener Selbstwert – jetzt, wo sie nicht mehr im Chiemseehof arbeitet und als "Frau Landeshauptfrau" tituliert wird? "Ich bin ein Wir-Mensch und möchte etwas bewegen. Die Arbeiterkammer ist ein guter Boden dafür", erklärt sie.

Eine Rückkehr in ein parteipolitisches Amt schließt die 51-Jährige aus. "Mit der Parteipolitik bin ich fertig. Da habe ich zu viel Müll erlebt", sagt sie und setzt sofort nach: "Aber ich schaue nicht zurück, das ist für mich abgeschlossen." Gelernt habe sie aus der Finanzaffäre, ihr Vertrauen einzuschränken.

Eine Gelassenheit, die sie sich von ihrem Idol Nelson Mandela abgeschaut hat – von dem hängt ein großes Bild vor ihrem Schreibtisch. "Wenn ein Mensch so viel aushalten kann wie er, dann relativiert sich so manch kleiner Schmerz."

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