Anatomie eines unglaublichen Zockerei-Skandals

Anatomie eines unglaublichen Zockerei-Skandals
Wie konnte es dazu kommen, dass in Salzburg 340 Millionen Euro verspekuliert wurden?

Es ist Montag, der 26. November, als die finanzpolitische Bombe explodiert. Bei einer hektisch einberufenen Besprechung im Büro von Salzburgs Finanzlandesrat David Brenner gesteht nach Darstellung der anwesenden Beamten die Leiterin des Referats für Landesfinanzen, seit Jahren an allen Kontrollen vorbei in geheimen Aktien- und Anleihen-Portfolios mit dem Steuergeld des Landes spekuliert zu haben.

Schockierender Vermögensstand des geheimen Portfolios: Ein unglaubliches Minus von rund 340 Millionen Euro, so Referatsleiterin Monika R laut Protokoll. Genau könne sie das nicht beziffern. Dabei habe die Frau weder reuig noch beschämt gewirkt, oder sich gar entschuldigt. Ganz im Gegenteil: Merkwürdig habe sie sich verhalten, hochnäsig, verächtlich. Sie habe so ein „Na, da schaut‘s ihr jetzt, ihr Trottel“-Gefühl bei den fassungslosen Anwesenden hinterlassen.

Generalvollmacht

Wie war es möglich, dass eine Landesbedienstete alle Kollegen, Kontrollore, Experten, die Politik und die Steuerzahler offenbar hintergangen hat? Und vor allem: Warum?

In ihrem Büro wird Monika R. als „Innviertler Bauerntochter mit überragender Intelligenz und sehr starkem Selbstbewusstsein“ beschrieben. Sie liebte ihren Job, bewegte sich mit Feuereifer auf dem heißen Parkett der Finanzwelt, und war dazu noch eine exzellente Buchhalterin. Und durchaus umgänglich mit ihren Kollegen, auch wenn eine Sekretärin heute meint: „Die hat uns alle für Idioten gehalten.“

Das wahre Crux: R. hatte eine Generalvollmacht für die Landesfinanzen – zwei Milliarden Euro –, eingeschränkt nur durch das Vier-Augen-Prinzip für Geschäftsabschlüsse.

Das Landesgesetz erlaubt der Regierung seit 2007, „zur Erzielung von Zusatzerträgen abgeleitete Finanzgeschäfte“ durchführen zu lassen. Damit alles seine Ordnung habe, sind Sicherungen und Kontrollen eingebaut: Richtlinien, welche Finanzgeschäfte gemacht werden dürfen; Volumenlimits, wie viel Steuergeld eingesetzt werden darf; das erwähnte Vier-Augen-Prinzip, bei dem ein Beamter alle Geschäfte gegenzeichnen musste; die Vorgaben eines Finanzbeirats, der seit 2007 mithilfe zweier externer Berater klare Aufträge erteilt; ein täglicher Bericht des „Credit Risk Management“ der Deutschen Bank. Und den jährlichen Bericht des Landesrechnungshofs inklusive zweier Sonderprüfungen 2009 und 2011 des Bundesrechnungshofes.

Finanzlandesrat Brenner verließ sich offenbar auf diese Sicherungsmechanismen wie auch Eduard Paulus, Leiter der Finanz- und Vermögensverwaltung und direkter Vorgesetzter von R. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gab vor wenigen Tagen zu, die Gefahren der Spekulationen unterschätzt zu haben, Brenner gab am Freitag seinen Rücktritt bekannt.

Klar ist heute, dass R. es offenbar jahrelang spielend schaffte alle Kontrollen auszuhebeln. Sie hatte allem Anschein nach den Ehrgeiz, Verluste, die 2008 unbemerkt entstanden sind, durch riskante Geschäfte zurückzugewinnen.

Zur Stunde werden 14 „Durchlaufkonten“ und alle Transaktionen der letzten zehn Jahre geprüft, um herauszufinden, wo und wie groß das Minus ist.

Klar ist heute auch, dass die Politik spätestens bei den ersten Anzeichen für Unregelmäßigkeiten hätte reagieren müssen: Am 8. Mai 2012 ignorierte R. die Vorgaben des Finanzbeirats erstmals offiziell, sie wollte unbedingt ein kompliziertes Finanzprodukt („Range accrual swap“) halten; Man ließ sie gewähren. Im Juli das gleiche noch einmal. Sie wurde emotional, zornig, weinte, erzählen Insider. Brenner, ÖVP-Landesrat Wilfried Haslauer und der Chef der Personalabteilung, Gerhard Loidl, wurden informiert, die Landesbedienstete wurde auf zweimonatigen Zwangsurlaub geschickt, sogar ein Psychiater soll wegen ihres Verhaltens konsultiert worden sein.

Paulus ließ sofort alle Geschäfte prüfen. Ergebnis: Alles in Ordnung, nichts Auffälliges. Mitte September kam R. zurück, ihr waren inzwischen alle Vollmachten entzogen worden. Nun sollte sie helfen, das Doppelbudget des Landes für 2013/2014 zu erstellen.

Schock

Am 1. Oktober kam ein neuer Mitarbeiter, Harald Kutschera, Ex-Banker der Deutschen Bank (siehe unten). Er misstraute R.s Aktivitäten und beauftragte alle Banken, mit denen das Land je zu tun hatte, eine Aufstellung der Geschäfte an ihn zu schicken. Am 15. Oktober kam die schockierende Antwort. Nicht rund 50, wie bekannt, sondern insgesamt mehr als 300 Derivatgeschäfte bei 16 verschiedenen Banken wurden gemeldet. Brenner wurde umgehend informiert, er veranlasste die sofortige Auflösung der heißen Geschäfte. Einen Schaden konnte Kutschera damals nicht feststellen. R. zeigte sich nicht kooperativ bei der Aufklärung. Brenner hatte Burgstaller trotz der Brisanz erst sieben Wochen später informiert, sagen beide. Weil zu viele Fragen offen waren? Weil auch er ohne aufzufliegen retten wollte, was noch zu retten ist?

Fakt ist: Paulus und Brenner erhöhten den Druck auf Monika R. Am 26. November, packte sie dann aus. Sie wurde entlassen und wegen Untreue, Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung angezeigt. Strafrahmen: Bis zu zehn Jahre Haft. R.s Anwalt will die Entlassung anfechten, die Vorwürfe weist er zurück.

Brenner lässt Paulus nun bis 6. Jänner einen Statusbericht samt Lösungsvorschlägen erstellen. Am 23. Jänner wird er zurücktreten. Paulus und jenem Kollegen von R., der alle Finanzgeschäfte gegengezeichnet hat, droht ein Disziplinarverfahren.

Ob Burgstaller bei der Wahl im Frühjahr antritt, will sie Anfang Februar entscheiden (mehr dazu hier)

Einst war er der Handelspartner von Monika R. bei der Deutschen Bank, jetzt ist Harald Kutschera ihr Nachfolger. Er war es, der die Salzburger Spekulationsverluste entdeckte – und seine Vorgesetzten alarmierte.

„Ich wurde geholt, weil es Differenzen gab zwischen der Dame und ihrem Vorgesetzten“, sagt er im KURIER-Gespräch. Die Politik habe ihn nicht als Troubleshooter gerufen: „Ich war in der Annahme, nur das zu übernehmen, was in den Portfolio-aufstellungen drinnen ist.“

Doch dem war nicht so: Als Monika R. in der Finanzkrise kräftige Verluste einfuhr, schuf sie laut Dokumenten offenbar ein System der schwarzen Kassen. Sie eröffnete neben dem offiziellen ein geheimes Depot – und versuchte damit, an den Kontrollen vorbei die Verluste wieder zurückzugewinnen.

Seit 1. Oktober sitzt nun Kutschera auf ihrem Platz: „Ich bin der, der das aufgedeckt hat“, sagt Kutschera. „Was ich entdeckt habe, war für alle neu. Alle waren wie vor den Kopf gestoßen, das hat keiner gewusst.“ Kutschera stützt damit die Aussage der Politiker, Monika R. habe sie hintergangen.

Dadurch erhält auch der Aktenvermerk vom 26. November mehr Gewicht: An jenem Tag gestand R. laut Protokoll ihres Vorgesetzten die vorläufigen Verluste. Kutschera dazu: „Ich kenne den Aktenvermerk. Der ist korrekt.“ R. erklärt darin, Verluste verschwiegen zu haben. Wie diese entstehen konnten, will Kutschera nicht einschätzen. Er verweist auf seine Amtsverschwiegenheit.
 

Wer ist die Frau hinter dem Salzburger Finanzskandal? Zwölf Jahre lang war Monika R. im Finanzreferat der Landesregierung tätig – bis zu ihrer Entlassung vor wenigen Tagen. Dabei galt die heute 41-Jährige die längste Zeit als großer Glücksfall für das Ressort.

Ein Praktikum bei der „Generaldirektion Budget“ in Brüssel ließ auch dort die Beamten erstaunt zurück, ihr soll sofort ein Job angeboten worden sein. Nur mit Glück habe man sie dafür gewinnen können, weiter in Salzburg zu bleiben. R., eine Bauerntochter aus dem oberösterreichischen Innviertel, wird eine herausragende Intelligenz bescheinigt. Sie denkt schnell, ist eloquent und trifft gerne Entscheidungen, ist aus Beamtenkreisen zu erfahren. Das Problem sei nur, dass sie ihre Überlegenheit auch gerne ausspielt, überheblich wirken kann, sagen Ex-Kollegen.

Über ihre Arbeit gab es bis vor wenigen Monaten nur Gutes zu berichten. Ihre Ausführungen zum Salzburger Doppelbudget waren noch vor Kurzem im Ausschuss von Rot und Schwarz mit Applaus bedacht worden.

Ihr Studium der Rechtswissenschaften hatte R. problemlos neben der Arbeit als Beamtin absolviert, Fortbildung in Sachen Finanzmarkt, Finanzspekulation und alles rund um komplizierte Finanzprodukte habe sie mit Leichtigkeit erledigt, schildern Insider.

Dazu kommt, dass R. auch als hervorragende Bilanzbuchhalterin bekannt war, die sich auf höchster fachlicher Ebene mit den Experten der europäischen Statistikbehörde Eurostat oder den Kollegen der Statistik Austria unterhalten konnte.

Unauffälliges Privatleben

Dass sie nie auf Urlaub war, wie vielfach kolportiert wurde, sei nicht richtig, ist aus R.s Büro zu erfahren. Nur in den vergangenen zwei Jahren habe sie sich gerade einmal fünf Tage Urlaub in der Türkei gegönnt, worüber die Kollegen durchaus verwundert waren.

In der spärlichen Freizeit genoss es die alleinstehende Frau, mit Freunden in und rund um Salzburg gut essen zu gehen.
 

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